Büro Brüssel

Ausgabe 23/2005                                                                                                                15.12.2005

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

-          EP-Abstimmung über das Europäische Mahnverfahren

-          Anhörung zum Scheidungsrecht

-          EuGH-Urteil und Schlussanträge zur Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken

 

Strafrecht

-            Informationsaustausch aus dem Strafregister

Wirtschaftsrecht

-        Fragebogen zur 2. Geldwäscherichtlinie

 

Sonstiges

-        EP-Abstimmung über die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

-        EuGH-Urteil zur Einführung eines neuen Klagegrunds

-        .eu-Domain

-        Hinweis in eigener Sache

 


 

Zivilrecht

 

EP-Abstimmung über das Europäische Mahnverfahren

Das EP hat in seiner Sitzung am 13. Dezember 2005 über die Einführung des Europäischen Mahnverfahrens abgestimmt, das zur Vereinfachung, Beschleunigung und Reduzierung der Prozesskosten dienen soll: Der Bericht der Berichterstatterin Arlene McCarthy wurde einschließlich von Änderungsanträgen angenommen, auf die sich Rat und EP im Vorfeld geeinigt hatten. Danach wird das Europäische Mahnverfahren nur für grenzüberschreitende Fälle des Zivil- und Handelsrechts Anwendung finden. Hierfür hat sich auch die BRAK mit ihrer Stellungnahme eingesetzt. Mit der Verabschiedung durch den Rat ist aufgrund der vorangegangenen Einigung zwischen Rat und EP zeitnah zu rechnen.

Über das Europäische Mahnverfahren berichteten wir in den Ausgaben 1, 9, 20, 21 aus 2003, Ausgaben 5, 7, 18 aus 2004 sowie 8, 11, 16 und 19 aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Anhörung zum Scheidungsrecht

Am 6. Dezember 2005 fand eine öffentliche Anhörung der Kommission zum Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen statt. Die geplante Harmonisierung von Kollisionsregeln bei grenzüberschreitenden Scheidungsfällen wird von Verbänden, so auch von der BRAK, und von Praktikern begrüßt. Bei der Frage des Anknüpfungspunkts für eine europäische Kollisionsregel sind sich Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und Belgien weitestgehend einig: Sie sprechen sich grundsätzlich für eine Hierarchie der Anknüpfungspunkte aus (Anwendbarkeit des Rechts des Staats 1. des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, 2. auf das man sich geeinigt hat, 3. des letzten gemeinsamen Aufenthaltsortes und 4. zu dem die engste Verbindung besteht). Dabei sollte eine beschränkte Wahlmöglichkeit des anzuwendenden Rechts möglich sein, was durch einen zwingenden Anknüpfungspunkt erreicht werden könnte, um einen Missbrauch zu verhindern. England, Holland, Finnland und Zypern befürworten eine Anwendung des lex fori, also des Rechts des Staats, in dem die Scheidung vollzogen wird. Sie lehnen eine Harmonisierung der Kollisionsregeln ab: Die Brüssel 2a-Verordnung reiche aus.

Allgemeine Skepsis besteht gegenüber Regelungen über den Gerichtsstand sowie die Möglichkeit einer Prorogation: Nach einhelliger Auffassung sollten zunächst die Auswirkungen der Brüssel 2a-Verordnung abgewartet werden. Auch die Verweisungsmöglichkeit an Gerichte anderer Mitgliedstaaten wird überwiegend abgelehnt; die verbesserte Anerkennung von Scheidungsurteilen in anderen Mitgliedstaaten sei vorzugswürdig. Die Kommission kündigte für das 2. Halbjahr 2006 einen Verordnungsvorschlag zur Gerichtsstandswahl in Scheidungsfällen an.

Über das Grünbuch berichteten wir auch in Ausgabe 6 aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.

 

 

EuGH-Urteil und Schlussanträge zur Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken

In einem Urteil zur Vollstreckung von Gerichtsurteilen nach dem EuGVÜ hat der EuGH entschieden, dass ein verfahrenseinleitendes Schriftstück nach den Bestimmungen des EuGVÜ zugestellt werden muss, sofern die Mitgliedstaaten nicht von der im Protokoll zum EuGVÜ vorgesehenen Zustellungsmöglichkeit der unmittelbaren Übersendung an gerichtliche Amtspersonen Gebrauch gemacht haben. Damit habe nach dem Haager Übereinkommen die Zustellung zwingend nach nationalem Recht des Vollstreckungsstaats oder durch Übergabe des Schriftstücks an den Beklagten zu erfolgen. Dies müsse zudem so rechtzeitig geschehen, dass sich der Beklagte verteidigen könne. Ein Urteil, welches auf einem nicht ordnungsgemäß zugestellten verfahrenseinleitenden Schriftstück basiere, könne gemäß Art. 27 EuGVÜ nicht anerkannt werden, wenn der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen habe.

Ein weiterer Fall betrifft die Auslegung der Verordnung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen. Generalanwalt Tizzano vertritt in seinen Schlussanträgen die Auffassung, dass bei einem Aufeinandertreffen kumulativ genutzter Zustellungsarten keine Rangordnung zwischen den Zustellungen bestehe. Deshalb könne die Zustellung per Post nach Art. 14 der Verordnung alternativ oder kumulativ zu den anderen Zustellungsarten der Verordnung gewählt werden. Ein Schriftstück gelte als zugestellt, sobald eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt sei.

Über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke berichteten wir in den Ausgaben 14, 21 und 22 aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Strafrecht

 

Informationsaustausch aus dem Strafregister

Am 9. Dezember 2005 ist mit Veröffentlichung im Amtblatt der Beschluss des Rates über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister wirksam geworden. Mit ihm sollen die bestehenden Verfahren zur Übermittlung von Informationen über Verurteilungen ergänzt und erleichtert werden.

Konkret sieht der Beschluss vor, dass jeder Mitgliedstaat eine Zentralbehörde benennt. Diese Behörde soll die Zentralbehörden der anderen Mitgliedstaaten unverzüglich informieren, wenn strafrechtliche Verurteilungen und nachfolgende Maßnahmen von Staatsangehörigen ihrer Mitgliedstaaten in das Strafregister eingetragen wurden. Andersherum sollen die Zentralbehörden nach innerstaatlichem Recht Ersuchen an die Zentralbehörde eines anderen Mitgliedstaates richten sowie Auszüge aus dem Strafregister und Informationen über dieses Register verlangen können. Hierzu findet sich im Anhang des Beschlusses ein Formblatt, das für alle Informationsersuchen verwendet werden soll. Die Zentralbehörde des ersuchten Mitgliedstaats soll innerhalb von 10 Arbeitstagen antworten. Sofern es sich um eine Anfrage einer Person zu Informationen aus ihrem Strafregister handelt, verlängert sich die Antwortfrist auf 20 Arbeitstage. Der Antwort soll ein Strafregisterauszug nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts beigefügt werden.

Der Beschluss bestimmt, dass die übermittelten personenbezogenen Daten von den ersuchenden Mitgliedstaaten nur zu dem Zweck verwendet dürfen, für den sie angefordert wurden.

Wir berichteten bereits in den Ausgaben 20, 21 und 23 aus 2004 sowie 3 aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Wirtschaftsrecht

 

Fragebogen zur  2. Geldwäscherichtlinie

Die Kommission ist verpflichtet, nach dem Inkrafttreten der 2. Geldwäscherichtlinie eine besondere Überprüfung der Aspekte durchzuführen, die sich auf die spezielle Behandlung von Rechtsanwälten und anderen selbständigen Angehörigen von Rechtsberufen beziehen. Zur Vorbereitung eines entsprechenden Berichts konsultiert die Kommission nunmehr die Anwaltschaft: Angehörige von Rechtsberufen werden mittels eines Online-Fragebogens bis zum 31. Januar 2006 über die Auswirkungen und Wirksamkeit der 2. Geldwäscherichtlinie befragt. Insbesondere interessiert die Kommission, inwiefern den Identitätsfeststellungs- und Meldepflichten wegen Geldwäscheverdacht nachgekommen und das Meldewesen als wirksam empfunden wird, wie die Pflichterfüllung intern organisiert ist und ob eine Unterstützung sowie externe Überwachung stattfindet. Außerdem fragt die Kommission nach den Kosten und den Auswirkungen auf die Nachfrage nach Rechtsdienstleistungen. Sofern eine Kontaktadresse angegeben wird, wird der Teilnehmer über die Ergebnisse der Evaluierung verständigt.

 

Sonstiges

 

EP-Abstimmung über die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Am 13. Dezember 2005 fand die Abstimmung im EP über die Vorratsdatenspeicherung statt: Mit den Stimmen der Konservativen und Sozialdemokaten wurde der Bericht von Alvaro mit erheblichen Abweichungen angenommen. Aus Sicht der Anwaltschaft ist es sehr enttäuschend, dass anders als in dem von LIBE angenommenen Bericht Alvaros, der Zugriff auf die gespeicherten Daten nun nicht unter Richtervorbehalt und Berücksichtigung des Berufsgeheimnisses, insbesondere also der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, gewährt werden soll. MdEP Alvaro hat aus Protest seinen Namen vom Bericht zurückgezogen. Die zur endgültigen Verabschiedung der Richtlinie erforderliche Zustimmung des Rats steht noch aus.

Die in Reaktion auf die Abstimmung ergangene Pressemitteilung der BRAK finden Sie bitte hier.

Über die Vorratsspeicherung von Daten berichteten wir auch in den Ausgaben 22 und 23 aus 2004 sowie 12, 15, 17, 19, 21 und 22 aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.

 

EuGH-Urteil zur Einführung eines neuen Klagegrunds

Der EuGH hat am 13. Dezember 2005 entschieden, dass das EuG nur dann einen neuen Klagegrund einführen darf, wenn dies dem Klagebegehren durch objektive und vertretbare Auslegung entnommen werden kann. Im vorliegenden Fall wurde die Verletzung wesentlicher Formvorschriften vom EuG eingeführt, ohne dass sich die Klägerin ausdrücklich darauf berufen hatte; dieser Klagegrund ermöglicht aber eine leichtere Darlegung der Klagebefugnis bei Nichtigkeitsklagen gem. Art. 230 Abs. 4 EGV. Im Falle einer solchen Umdeutung der Klage, die zu einer Neubestimmung des Streitgegenstands führe, sei eine ausführliche Begründung der Auslegung des Klageantrags und eine vorherige Anhörung der Verfahrensbeteiligten erforderlich.

 

.eu-Domain

Seit dem 7. Dezember 2005 können sich Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Bürger nach der Verordnung (EG) 874/2004 die europäische Internetdomain „.eu“ registrieren lassen. Zunächst können nur öffentliche Stellen und Inhaber von Marken die .eu-Domain beantragen. Ab dem 6. Februar 2006 können Domains unter der Top-Level-Domain „.eu“ auch von Inhabern früherer Rechte beantragt werden, also von Antragstellern, die eine Domain z.B. mit ihrem Unternehmensnamen, Werktitel oder Nachnamen erwerben möchten. Ab dem 7. April 2006 wird die Registrierung innerhalb der EU allen nach dem Grundsatz „first come, first served“ offen stehen.

 

Hinweis in eigener Sache

Dies ist die letzte Ausgabe der Nachrichten aus Brüssel in diesem Jahr. Wir wünschen allen unseren Lesern ein frohes Weihnachtsfest sowie ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr. Die nächste Ausgabe der Nachrichten aus Brüssel erscheint am 19. Januar 2006.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RA Dr. Wolfgang Eichele, LL.M. und RAin Mila Otto, LL.M.

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

Der Newsletter ist im Internet unter www.BRAK.de abrufbar und kann auch dort be- oder abbestellt werden.

Wenn Sie diesen Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an brak.bxl@brak.be.