Büro Brüssel
Ausgabe
01/2006 19.01.2006
Themen
in dieser Ausgabe: -
Podiumsdiskussion
über das Verfahren für geringfügige Forderungen -
Verordnungsvorschlag Rom I -
EuGH - Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen
(Insolvenzverfahren) -
Grünbuch zu
Kompetenzkonflikten und dem Grundsatz ne
bis in idem -
Vorschlag für einen
Rahmenbeschluss über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von
Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten |
-
Grünbuch: Schadensersatzklagen wegen Verletzung des
EU-Wettbewerbsrechts -
Konsultation Gesellschaftsrecht -
EP-Abstimmung über die Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung - EuG: Amtshaftung für rechtmäßiges Handeln von EG-Institutionen |
Zivilrecht
|
Podiumsdiskussion über das Verfahren
für geringfügige Forderungen
Am
11. Januar 2006 fand auf Einladung der Landesvertretung Niedersachsen und der
BRAK eine Podiumsdiskussion über den Verordnungsvorschlag
über ein Verfahren für geringfügige Forderungen statt, die von Hajo
Friedrich moderiert wurde und an der als Experten die niedersächsische
Justizministerin Heister-Neumann, MdEP Prof. Dr. Mayer, Dr. Haibach
(Kommission), Prof. Dr. Hess (Universität Heidelberg) und RAuN Dr. Scharf
(BRAK) teilnahmen.
Einvernehmen
bestand über die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens. Zur strittigen Frage
des Anwendungsbereichs der Richtlinie erklärt Dr. Haibach, dass eine
Beschränkung nur auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr die praktische
Bedeutung der Verordnung deutlich reduzieren würde. Eine Streitwertgrenze von
bis maximal 2000,- schien zumindest in diesem Kreis mehrheitsfähig.
Allerdings wurde die Begrifflichkeit Bagatell-Verfahren als irreführend
kritisiert, da dadurch an das Verfahren nach § 495a ZPO erinnert werde. Der
Verordnungsvorschlag wolle jedoch ein neues eigenständiges Verfahren kreieren.
Priorität müsse außerdem die Klärung des Umfangs des richterlichen
Ermessensspielraums haben. Dr. Scharf, wies darauf hin, dass die Anwaltschaft
eine Vereinfachung der Beweiserbringung begrüße, dass es aber unverzichtbar
sei, dass auf Antrag einer Partei die Mündlichkeit des Verfahrens hergestellt
werden könne. In seinem Schlusswort machte er die große Bereitschaft der
deutschen Anwaltschaft deutlich, die Einführung eines europäischen Verfahrens
für geringfügige Forderungen zu unterstützen, um das europäische
Gemeinschaftsgefühl auch durch eine einheitliche Verfahrensregulierung zu stärken.
Die Stellungnahme der BRAK zum
Verordnungsvorschlag finden Sie hier.
Über das europäische Bagatellverfahren berichteten wir, teilweise im
Zusammenhang mit dem europäischen Mahnverfahren, in den Ausgaben 1, 9 und 20
aus 2003 und 6
und 17
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
Verordnungsvorschlag
Rom I
Die Kommission hat einen Verordnungsvorschlag
über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vorgelegt,
durch den das Übereinkommen
von Rom über das auf Schuldverhältnisse anwendbare Recht aus 1980 ersetzt
werden soll. Dem Verordnungsvorschlag ging ein Grünbuch voraus. Im Rahmen
dieser Konsultation hat sich auch die BRAK positioniert
und sich, vor dem Hintergrund, dass bislang nicht alle Mitgliedstaaten das
Übereinkommen von Rom ratifiziert haben, für die Schaffung einer Rom
I-Verordnung ausgesprochen.
Ziel der Kommission bei der Umwandlung
des Rom-Übereinkommens in ein Gemeinschaftsinstrument ist es auch, einige Vorschriften
zu aktualisieren und klarer zu formulieren: Es soll den Parteien offen stehen,
auch ein nichtstaatliches Recht als anwendbares Recht zu wählen. Die Vermutung,
dass das Recht des Staates gilt, in dem die leistende Partei ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat, soll in eine feste Regelung umgewandelt und die
Ausnahmeregelungen hiervon gestrichen werden. Für Verbraucherverträge will die
Kommission eine neue Kollisionsnorm einführen, wonach nur das Recht des Ortes
des gewöhnlichen Aufenthaltes des Verbrauchers Anwendung findet. Neben dem
Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem, zwischen Vertreter und Dritten
soll nun außerdem das Verhältnis zwischen Vertretenem und Dritten geregelt
werden. Neu ist auch die Kollisionsregelung für die Geltendmachung der
vertraglichen Übertragung einer Forderung gegenüber Dritten: Maßgeblich soll
das Recht des Staates sein, in dem der Zedent zum Zeitpunkt der Übertragung
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ebenfalls neu aufgenommen wurden
Regelungen zum gesetzlichen Forderungsübergang, zur Schuldnermehrheit und
gesetzlichen Aufrechnung.
Über Rom I berichteten wir in den
Ausgaben 2
aus 2003, 1
sowie 5
aus 2004 der Nachrichten aus Brüssel.
EuGH
- Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (Insolvenzverfahren)
In der EuGH-Entscheidung
im Vorlageverfahren C-1/04 vom 17. Januar 2006 ging es um die Auslegung des
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren. Nach Art. 3 Abs. 1 sind für die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in
dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen
hat. Der EuGH entschied nun, dass das bei Eröffnungsantragstellung zuständige
Insolvenzgericht auch dann für die Entscheidung über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zuständig bleibt, wenn der Schuldner nach Antragstellung,
aber vor der Eröffnungsentscheidung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen
Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegt. Zudem stellte
der EuGH klar, dass die Verordnung über Insolvenzverfahren auch dann gilt, wenn
nur der Eröffnungsbeschluss, nicht aber der Eröffnungsantrag nach ihrem
Inkrafttreten am 31. Mai 2002 vorlag.
Wir berichteten in der Ausgabe 16
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel über die Schlussanträge des Generalanwalts
Ruiz-Jarabo Colomer in diesem Vorlageverfahren.
Strafrecht
|
Grünbuch zu Kompetenzkonflikten und dem Grundsatz ne bis in idem
Die Kommission hat mit Datum vom 23.
Dezember 2005 ein Grünbuch
über Kompetenzkonflikte und den Grundsatz ne
bis in idem in Strafverfahren veröffentlicht. Ziel ist insbesondere die
Vermeidung positiver Kompetenzkonflikte, die sich daraus ergeben, dass mehrere
Mitgliedstaaten in dem gleichen Fall Strafverfolgungen einleiten. Zwar ist der
Grundsatz ne bis in idem bereits im
Schengener Durchführungsübereinkommen geregelt, doch kommt er nur zum Tragen,
wenn das Strafverfahren in einem Mitgliedstaat bereits mit einer
rechtskräftigen Entscheidung beendet ist. Er verhindert also nicht, dass
mehrere Mitgliedstaaten parallel Strafverfolgungsmaßnahmen unterhalten. Zur
Lösung dieses Problems schlägt die Kommission ein aus drei bis vier Schritten
bestehendes Verweisungsverfahren vor, in dem sich die Behörden über die
Strafverfolgung informieren, die Zuständigkeit möglichst einvernehmlich
abstimmen oder bei Scheitern einer Einigung mit Hilfe eines
Streitschlichtungsverfahrens die zur Strafverfolgung geeignetste Behörde
wählen. Der Grundsatz ne bis in idem
würde dann wieder greifen, wenn keine Einigung zustande käme. Parallel zum
Verweisungsverfahren schlägt die Kommission eine EU-Regelung vor, die die
Mitgliedstaaten verpflichtet, im Falle einer Mehrfachverfolgung das Verfahren -
ab Anklageerhebung in einem Mitgliedstaat - auf einen federführenden Staat zu
beschränken. Die anderen Mitgliedstaaten wären dann verpflichtet, die
Strafverfolgung auszusetzen bzw. von ihr abzusehen. In dem Grünbuch stellt die
Kommission zudem das ne-bis-in-idem-Prinzip
zur Diskussion.
Vorschlag
für einen Rahmenbeschluss über die Durchführung und den Inhalt des Austausches
von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten
Die Kommission hat mit Datum vom 22.
Dezember 2005 einen Vorschlag
für einen Rahmenbeschluss über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs
von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten
vorgelegt. Mit ihm sollen die Modalitäten festgelegt werden, nach denen ein
Mitgliedstaat, in dem eine Verurteilung gegen einen Staatsangehörigen eines anderen
Mitgliedstaats ergangen ist, die betreffenden Informationen an den
Herkunftsmitgliedstaat der verurteilten Person übermittelt. Außerdem soll der
Herkunftsmitgliedstaat zur Aufbewahrung dieser übermittelten Informationen
verpflichtet werden. Die Modalitäten für die Beantwortung eines Antrags auf
Informationen aus dem Strafregister sollen präzisiert werden. Darüber hinaus
sollen die Rahmenbedingungen für den Auf- und Ausbau eines elektronischen
Systems zum Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen
zwischen den Mitgliedstaaten festgelegt werden.
Der erst im November 2005
verabschiedete Beschluss
des Rates über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister soll
mit dem vorgeschlagenen Rahmenbeschluss ersetzt werden. Die durch den Beschluss
erreichten Verbesserungen seien in den neuen Vorschlag integriert, der das
Verfahren allerdings grundlegend erneuern wolle, damit gewährleistet sei, dass der
Herkunftsstaat einschlägige Anfragen korrekt und vollständig beantworte.
Über Informationsaustausch aus dem
Strafregister berichteten wir auch in den Ausgaben 20,
21
und 23
aus 2004 sowie 3
und 23
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
Wirtschaftsrecht
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Grünbuch:
Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts
Die Kommission hat ein Grünbuch
vorgelegt, das sich mit den Bedingungen für Schadenersatzklagen wegen
Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts, also Art. 81, 82 EG-Vertrag, befasst.
Bislang bestehe in den Mitgliedstaaten noch kein effektives System für solche
Schadensersatzklagen. Mit Hilfe des Grünbuchs und des Arbeitspapiers sollen die
Haupthindernisse für ein effizienteres System der Schadensersatzklagen
festgestellt werden. Außerdem werden verschiedene Optionen für weitere
Überlegungen und mögliche Maßnahmen zur Optimierung von Schadensersatzklagen
vorgestellt. Dies betrifft zum einen den Bereich von Folgeklagen, d. h.
zivilrechtliche Verfahren, die eingeleitet werden, nachdem bereits ein Wettbewerbsverstoß
durch die Wettbewerbsbehörden festgestellt worden ist, zum anderen den Bereich
eigenständiger Klagen, also Klagen, die sich nicht auf einen bereits früher
festgestellten Verstoß stützen. Das Grünbuch befasst sich u.a. mit Regeln zur
Beweislast, dem Verschuldenserfordernis, der Definition und Berechnungsmethode
des Schadensersatzes, den Folgen der Schadensweitergabe an den Endverbraucher
und der Möglichkeit einer kollektiven Anspruchsdurchsetzung.
Konsultation
Gesellschaftsrecht
Die Kommission hat eine Konsultation
zu dem von ihr 2003 vorgelegten Aktionsplan
Gesellschaftsrecht eingeleitet. Der Aktionsplan zielt auf eine
Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate
Governance in der EU ab, um nach den Finanzskandalen das Vertrauen der Anleger
durch legislative und nicht-legislative Maßnahmen wiederherzustellen. Vor dem
Hintergrund der Lissabon-Strategie und der Initiative Bessere Rechtssetzung
soll der Aktionsplan nunmehr neu bewertet werden: Im Konsultationspapier wird
daher zum einen um Stellungnahme zu künftigen Prioritäten des Plans gebeten,
zum anderen betrifft die Konsultation die Überprüfung der Relevanz von mittel-
und lanfristigen Maßnahmen. Außerdem fragt die Kommission nach dem Mehrwert
einer Modernisierung und Vereinfachung des europäischen Gesellschaftsrechts.
Der von der Kommission mit Datum vom 5.
Januar 2006 vorgelegte Richtlinienvorschlag,
der insbesondere den Aktionären ausländischer Unternehmensanteile die Ausübung
der Stimmrechte erleichtern soll, ist Teil der Umsetzung des Aktionsplans von
2003.
Sonstiges
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EP-Abstimmung
über die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
In Ergänzung zu unserem Beitrag in den
letzten Nachrichten aus Brüssel über die 1.
Lesung zur Vorratsdatenspeicherung ist über
die gleichzeitig verabschiedete legislative
Resolution des EP zu berichten, in der das EP von der Wahrung des Berufsgeheimnisses
ausgeht. Die zur endgültigen Verabschiedung der Richtlinie erforderliche
Zustimmung des Rats wird für Anfang 2006 erwartet.
Über die Vorratsspeicherung von Daten
berichteten wir auch in den Ausgaben 22
und 23
aus 2004 sowie 12,
15,
17,
19,
21,
22
und 23
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
EuG: Amtshaftung für rechtmäßiges Handeln von EG-Institutionen
Das EuG hatte sich mit mehreren Haftungsklagen (Rs. T-69/00, T-151/00, T-301/00, T-320/00, T-383/00, T-135/01) von Exportunternehmen gegen EG-Institutionen zu befassen. In diesem Zusammenhang führt das EuG aus, dass die EG, auch ohne ein rechtswidriges Handeln ihrer Organe, zum Ersatz des von diesen verursachten Schadens verpflichtet sei, wenn ein tatsächlicher und kausaler Schaden des Klägers sowie eine Außergewöhnlichkeit und Besonderheit des Schadens vorliege. Eine Außergewöhnlichkeit des Schadens liege aber nur vor, wenn der Schaden die Grenzen der normalen wirtschaftlichen Risiken in dem betreffenden Sektor überschreite. Da die Kläger diese Außergewöhnlichkeit nicht nachgewiesen hätten, wurden die Klagen abgewiesen.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RA Dr. Wolfgang Eichele, LL.M. und RAin Mila Otto, LL.M. |
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