Büro Brüssel

Ausgabe 20/2006                                                                                                                02.11.2006

Themen in dieser Ausgabe:

Zivilrecht

·         Grünbuch: Vorläufige Kontenpfändung

·         Europäisches Mahnverfahren: EP-Abstimmung

·         Verfahren für geringfügige Forderungen: JURI-Abstimmung

 

Strafrecht

·         Sachverständigenanhörung zur Bewährungsüberwachung

·         Verstärkte Zusammenarbeit beim Austausch von Polizeidaten

·         Pilotprojekt der Kommission zur Terrorabwehr

 

 

Freizügigkeit

·       Dienstleistungsrichtlinie: IMCO-Abstimmung

 

Sonstiges

·       Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2007

 


 

Zivilrecht

 

Grünbuch: Vorläufige Kontenpfändung

Die Kommission hat am 24.Oktober 2006 mit der Veröffentlichung des Grünbuchs zur effizienten Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung eine Konsultation zur effizienteren Vollstreckung von Geldforderungen in der EU eingeleitet. Derzeit gilt für die Vollstreckung eines Urteils, das in einem anderen Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt worden ist, ausschließlich das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaats. Eine EU-weit vollstreckbare vorläufige Kostenpfändung kann nach den existierenden EG-Vorschriften nicht erwirkt werden. Vollstreckungsverfahren seien teuer und langwierig, da die Gläubiger mit unterschiedlichen Rechtssystemen und Verfahrensvorschriften sowie Sprachbarrieren konfrontiert seien. Eine Verbesserung lässt sich nach Vorstellung der Kommission durch die Einführung eines sog. „europäischen Pfändungsbeschlusses“ erzielen, durch den das Bankguthaben des Schuldners gesperrt, aber nicht an den Gläubiger herausgegeben würde. Ein solcher ohne Vollstreckbarkeitserklärung überall in der EU anerkannter und vollstreckbarer Pfändungsbeschluss könnte durch die Schaffung eines eigenständigen europäischen Verfahrens zusätzlich zu den einzelstaatlichen Verfahren oder durch die Angleichung der mitgliedstaatlichen Vorschriften durch eine Richtlinie eingeführt werden. Die Kommission bittet bis zum 31. März 2007 um Antworten auf die Fragen nach dem Bedürfnis für eine solche EU-Regelung, zur Ausgestaltung eines Verfahrens zur Erwirkung eines Pfändungsbeschlusses, zum Pfändungsbetrag und etwaigen Pfändungsgrenzen sowie zu der Wirkung der Pfändung und zu Verfahrensgarantien für den Schuldner. Ein Grünbuch zur Transparenz des Schuldnervermögens kündigt die Kommission für Ende 2007 an.

 

Europäisches Mahnverfahren: EP-Abstimmung

Nachdem die Frist für die zweite Lesung von drei auf vier Monate verlängert worden war, billigte das EP nunmehr am 25. Oktober 2006 den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens mit zwei Abänderungen. Diese von der Berichterstatterin Arlene McCarthy empfohlenen Änderungen betreffen die Formblätter. Mit dem Europäischen Mahnverfahren soll ein Instrument zur vereinfachten, beschleunigten und kostengünstigeren Beitreibung unbestrittener Forderungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr geschaffen werden, das dem Antragsteller neben den nationalen Verfahren zur Verfügung stehen soll.

Frühere Berichte: 1/2003,  9/2003, 20/2003, 21/2003, 5/2004, 7/2004, 18/20048/2005, 11/2005, 16/2005, 19/2005, 23/2005, 3/2006, 4/2006

 

Verfahren für geringfügige Forderungen: JURI-Abstimmung

Der Rechtsausschuss des EP (JURI) hat am 25. Oktober 2006 den Berichtsentwurf von Prof. Dr. Hans-Peter Mayer zur Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen mit Änderungen angenommen. Mit dem sog. „Bagatellverfahren“ soll eine Alternative zu nationalen Verfahren geschaffen werden, die es ermöglicht, Streitigkeiten mit einem geringen Streitwert einfacher, schneller und kostengünstiger beizulegen. Durch die Abschaffung des sog. Exequaturverfahrens soll außerdem die Anerkennung und Vollstreckung eines in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Urteils  vereinfacht werden. Wie bereits der Rat hat sich auch der Rechtsausschuss entgegen des Kommissionsvorschlags für eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf grenzüberschreitende Fälle ausgesprochen. Hierfür hat sich auch die BRAK eingesetzt. In der umstrittenen Frage der Streitwertgrenze folgt der Rechtsausschuss der Kommission. Geringfügige Forderungen sind danach solche von bis zu 2000 €. Das Plenum des EP wird voraussichtlich Mitte November 2006 abstimmen.

Frühere Berichte: 1/2003, 9/200320/2003, 6/2005, 17/2005, 1/2006 4/2006

 

Strafrecht

 

Sachverständigenanhörung zur Bewährungsüberwachung

Am 23./24. Oktober 2006 fand ein Sachverständigentreffen zu der Frage statt, ob ein europäisches Instrument, das die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Bewährungsüberwachung bzw. der Vollstreckung von Bewährungsstrafen regelt, erforderlich und realisierbar ist. Der mögliche Vorschlag soll eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Personen mit Wohnsitz im In- und Ausland verhindern: Er soll zum einen gewährleisten, dass zu Bewährungsstrafen Verurteilte vom Urteils- in ihren Heimatstaat zurückkehren können, ohne dass dadurch im Zusammenhang mit der Bewährungsstrafe verhängte Maßnahmen wirkungslos werden. Zum anderen soll damit der Gefahr entgegen gesteuert werden, dass bei Angeklagten mit einem Wohnsitz im EU-Ausland von der Aussetzung einer Strafe zu Bewährung bzw. der Kopplung an begleitende Maßnahmen verzichtet wird. Das Bundesjustizministerium hat auf der Anhörung angekündigt, einen entsprechenden Initiativvorschlag während der deutschen Ratspräsidentschaft Anfang 2007 einzubringen.

 

Verstärkte Zusammenarbeit beim Austausch von Polizeidaten

Deutschland plant erstmalig, auf besondere Vertragsbestimmungen zurückzugreifen, mit der die Bildung einer Gruppe von Mitgliedstaaten zum Austausch von Polizeidaten ermöglicht werden soll. Gemeint ist die im Vertrag von Nizza verankerte „verstärkte Zusammenarbeit“, auf die sich Deutschland ab Januar 2007 mit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft berufen will, um den Austausch von Informationen über DNA, Fingerabdrücke und Angaben aus Fahrzeugregistern zu ermöglichen. Ein solcher Informationsaustausch ist bereits seit Einführung des Prümer Vertrags von Mai 2005 möglich. Der Prümer Vertrag besteht jedoch außerhalb des EU-Rechtsrahmens. Die Bestimmungen dieses Vertrags sollen nun – so der Wunsch des deutschen Innenministeriums – in den EU-Rechtsrahmen integriert werden.

 

Pilotprojekt der Kommission zur Terrorabwehr

Die Kommission hat am 26. Oktober 2006 beschlossen, im Rahmen des Pilotprojekts „Bekämpfung des Terrorismus“ 9 Millionen Euro bereit zu stellen, um die EU in die Lage zu versetzen, Terroranschläge zu verhindern und wirksamer zu reagieren. Die geplanten Maßnahmen konzentrieren sich auf die Bereiche Schutz kritischer Infrastrukturen, Terrorismusfinanzierung, Sprengstoffe und das Problem der Gewaltbereitschaft und Radikalisierung.

 

Freizügigkeit

 

Dienstleistungsrichtlinie: IMCO-Abstimmung

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Wettbewerb des EP (IMCO) billigte am 23. Oktober 2006 den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 24. Juli 2006. Die von der sozialdemokratischen Berichterstatterin Evelyne Gebhardt vorgelegten Änderungsanträge fanden keine Mehrheit. Bereits vor der Sitzung des Ausschusses kündigte die Kommission eine Erklärung an, in der die von der Berichterstatterin vorgelegten Änderungsanträge aufgriffen werden sollen. Mir ihr soll u. a. klargestellt werden, dass das nationale Arbeitsrecht von den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie unberührt bleibt. Die zweite Lesung im Plenum ist für Mitte November 2006 terminiert.

Frühere Berichte: 1/2004, 12/2004, 2/2005, 3/2005, 5/2005, 6/2005, 11/2005, 12/2005, 13/2005, 14/2005, 15/2005, 17/2005, 18/2005, 22/2005, 3/2006, 7/2006, 15/2006

 

Sonstiges

 

Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2007

Am 24. Oktober 2006 hat die Kommission ihr Legislativ- und Arbeitsprogramm für das kommende Jahr vorgelegt. Neben strategischen Initiativen legt die Kommission darin auch vorrangige Maßnahmen fest, die in den nächsten 12 bis 18 Monaten verabschiedet werden sollen. Diese betreffen vor allem den Bereich der besseren Rechtsetzung. Die strategischen Initiativen für 2007 sind zwischen den Eckpunkten Wohlstand, Solidarität, Sicherheit und ein starkes und selbstbewusstes Auftreten Europas in der Welt angesiedelt. Im Zentrum stehen dabei u. a. die Modernisierung der Wirtschaft, die Beseitigung von Hindernissen auf dem europäischen Arbeitsmarkt, ein besseres Management von Migrationsströmen, die Überprüfung der europäischen Energiestrategie im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel sowie eine europäische Gesundheitsstrategie.

Frühere Berichte: 20/2005, 16/2006

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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