Ausgabe 13/2009

17.09.2009

 

 

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

Digitalisierung von Büchern – Konsultation der Kommission

 

Rechtsschutzversicherungen

EuGH bestätigt freie Anwaltswahl

 

Institutionen

Europäisches Parlament bestätigt Barroso in seinem Amt

 

Lissabon-Vertrag

Begleitgesetze passieren den Bundestag

 

Sonstiges

Europäische Konferenz der BRAK

 

 

 

 

Zivilrecht

 

Digitalisierung von Büchern – Konsultation der Kommission

Vor dem Hintergrund des in den USA erzielten Vergleichs zur Volltextsuche von Büchern in Google („Google Book-Search Settlement“) trafen sich Anfang September EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien Viviane Reding und Charlie McCreevy, Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, mit Vertretern von Rechteinhabern, Bibliotheken, IT-Unternehmen und Verbraucherorganisationen, um über die Digitalisierung von Büchern zu diskutieren. Die Kommissare betonten in einer gemeinsamen Erklärung die bedeutenden kulturellen und wirtschaftlichen Interessen, die bei der Digitalisierung von Büchern betroffen seien. Bisher sei nur 1% aller Bücher in Europas Nationalbibliotheken digitalisiert. Es sei bei einer Digitalisierung unbedingt erforderlich, dass das Urheberrecht uneingeschränkt beachtet werde, damit die gerechte Vergütung der Autoren gesichert sei. In der EU seien die Vorschriften zum Urheberrecht noch sehr uneinheitlich. Diese müssten dem digitalen Zeitalter entsprechend angepasst gelten, vor allem die Regelungen zu verwaisten und vergriffenen Werken. Die Kommissare stellten die Frage, welchen Beitrag die europäische digitale Bibiliothek Europeana  leisten könnte bei einer europäischen Reaktion auf Digitalisierungsbestrebungen auf anderen Kontinenten. Zu diesem Zweck hat die Kommission eine Konsultation gestartet. Bis zum 15. November können Stellungnahmen abgegeben werden zu der zukünftigen Entwicklung von Europeana. Ein Teil der Fragen bezieht sich auf die Inhalte der Bibliothek. Gefragt wird z.B., welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um zu verhindern, dass durch den Digitalisierungsprozess selbst neue Arten sui generis von Urheberrecht entstehen, die wiederum zu Hindernissen bei der Verbreitung von digitalisiertem gemeinfreien Material  führen würden; ob  es Mindestkriterien geben sollte; welche Ansätze es gebe für eine pragmatische Lösung der unterschiedlichen Voraussetzungen für Digitalisierung und Zugänglichmachung von Werken in Europa und den USA. Weitere Fragen betreffen die Finanzierung und Verwaltungsstruktur von Europeana, z.B. eine private Beteiligung an der digitalen Bibliothek. Die Konsultation kann hier abgerufen werden.

 

 

Rechtsschutzversicherungen

 

EuGH bestätigt freie Anwaltswahl

Der EuGH hat am 10. September entschieden (C-199/08), dass sich ein Rechtsschutzversicherer in dem Fall, dass eine größere Anzahl von Versicherungsnehmern durch dasselbe Ereignis geschädigt ist, nicht das Recht vorbehalten kann, selbst den Rechtsvertreter aller betroffenen Versicherungsnehmer auszuwählen. Dem Urteil lag ein Vorabentscheidungsverfahren in einem Rechtsstreit zwischen einem österreichischen Staatsangehörigen und der UNIQA Sachversicherung AG zu Grunde. Der Versicherungsnehmer hatte nach der Insolvenz eines Wertpapierdienstleisters, durch die auch weitere Versicherungsnehmer der UNIQA geschädigt wurden, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung im Konkursverfahren gegen den Wertpapierdienstleister beauftragt. Unter Berufung auf die vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherer lehnte die UNIQA eine Kostenübernahme ab. Diese sahen vor, dass in Fällen von Sammelklagen oder Musterprozessen die Versicherung einen Rechtsvertreter bestimmen kann. Der Versicherungsnehmer wandte dagegen ein, dass eine solche Klausel nicht mit der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordination der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherungen vereinbar und deswegen unwirksam sei. Art. 4 Abs. 1 Buchst a der Richtlinie habe allgemeine Bedeutung und sehe unabhängig von der Vermeidung oder Behebung von Interessenkollisionen eine besondere Garantie für die Rechtsschutzversicherten vor. UNIQUA und die Europäische Kommission vertraten die Auffassung, dass nach der Richtlinie der Versicherungsnehmer nur in den Fällen einer Interessenkollision das Recht habe, sich seinen Anwalt frei zu wählen. Gegen diese Auffassung sprechen jedoch nach Ansicht des EuGH vor allem systematische Überlegungen. Viele Vorgaben der Richtlinie würden, wenn man dieser Ansicht folgte, bedeutungslos werden. Zudem solle durch die Richtlinie ein umfassender Schutz des Versicherungsnehmers gewährleistet werden.

 

 

Institutionen

 

Europäisches Parlament bestätigt Barroso in seinem Amt

Am 16. September wurde der amtierende Kommissionspräsident José Manuel Barroso vom Europäischen Parlament für eine zweite Amtszeit bestätigt. Er erhielt 382 Stimmen. 219 Abgeordnete stimmten gegen Barroso und 117 enthielten sich ihrer Stimme. Barrosos Wiederwahl galt nicht als sicher. Am  3. September hatte er seine politischen Leitlinien für eine mögliche nächste Amtszeit vorgestellt. Er erklärte die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise zum wichtigsten Ziel der kommenden fünf Jahre. Er setze auf eine europaweit koordinierte Wirtschaftsstrategie. Wichtige Instrumente dabei seien eine verstärkte Regulierung der Finanzmärkte, eine moderne, soziale Beschäftigungspolitik sowie der Ausbau der europäischen Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz. Er betonte dabei auch die weiter zunehmende Bedeutung des Internets sowie die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Technologien. Im Rahmen der Außenpolitik sei es, so Barroso, wichtig, dass Europa künftig mit einer Stimme spreche und in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen gegen Menschenrechtsverletzungen, Armut und Terrorismus vorgehe. In diesem Zusammenhang sei es notwendig, dass der Vertrag von Lissabon ratifiziert werde. Nur so könne Europa seiner Bedeutung in einer globalisierten Welt gerecht werden. Die Prioritäten für Europa sollten nach Auffassung von Barroso in einer Zehnjahresperspektive entwickelt werden, damit die Arbeit der Kommission in den nächsten fünf Jahren besser definiert werden könne. Bereits vorhandene Instrumente und Strategien, z.B. die Lissabon-Strategie oder das Haager bzw. Stockholmer-Programm, müssten zusammengeführt oder überarbeitet werden, um eine einheitliche Strategie „EU 2020“ entwickeln zu können. Barroso sieht die Kommission als „Motor des Projekts Europa“, da nur sie über die Autorität, die Verwaltungskapazität und und die Expertise verfüge, um Vorschläge auszuarbeiten, die den Interesse aller Mitgliedstaaten und aller Bürger Rechnung tragen. Regulierung und Rechtsetzung müssten daher auch in Zukunft zu den Kernaufgaben der Kommission gehören. Er wolle jedoch auch die Partnerschaft mit dem Europäischen Parlament auf eine höhere Stufe stellen. Hierzu schlägt er mehrere Maßnahmen vor, z.B. jährliche Treffen der Konferenz der Präsidenten mit dem Kommissionskollegium vor der Annahme des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission; regelmäßige Teilnahme an einer Fragestunde im Plenum des Europäischen Parlaments; Überprüfung sämtliche anhängiger Vorschläge zu Beginn einer neuen Kommissionsamtszeit zwecks politischer Bestätigung oder Rücknahme der Vorschläge unter Berücksichtigung der vom Parlament geäußerten Auffassungen; Rechtzeitige Übermittlung aller erforderlichen Informationen über Maßnahmen im Außenbereich, z.B. über die Aushandlung von internationalen Übereinkommen, damit das Parlament die wichtigere Funktion wahrnehmen könne, die ihm nach Ratifizierung des Vertrags von Lissabon obliege.

 

 

 

Lissabon-Vertrag

 

Umsetzungsgesetze passieren Bundestag

Am 8. September beschloss der Bundestag neben drei anderen Begleitgesetzen zum Lissabon-Vertrag das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union mit 446 von 494 abgegebenen Stimmen. 46 Abgeordnete stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Das zuvor verabschiedete Begleitgesetz war am 30. Juni 2009 vom BVerfG wegen unzureichender Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat für verfassungswidrig erklärt worden. Nach Auffassung des BVerfG ist das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 Abs. 6 EUV generell wie eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU gemäß Art. 23 Abs. 1 Sa. 2 GG zu behandeln. Daher bedürften auch primärrechtliche Veränderungen im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren eines Zustimmungsgesetzes gemäß Art. 23 Abs. 1 GG. Gleiches müsse für die verschiedenen, durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Bestimmungen von Vertragsänderungen gelten, z.B. nach Art. 42 Abs. 2 Unterabsatz 1 EUV – Beschluss des Rates zur Einführung einer gemeinsamen Verteidigung, sowie bei allgemeinen Brückenklauseln nach Art. 48 Abs. 7 Unterabsatz 4 EUV. Über die Anwendung einer besonderen, auf bestimmte Sachbereiche zugeschnittene und damit in ihrem Anwendungsbereich begrenzte Brückenklausel darf der deutsche Vertreter im Rat nur dann zustimmen, oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, nachdem der Bundestag hierzu einen Beschluss gefasst hat.

 

Frühere Berichte:12/2009, 3/2009, 20/2007, 22/2007, 03/2008, 4/2008, 8/2008

 

 

Sonstiges

 

Europäische Konferenz der BRAK

Am 11. September 2009 fand die Europäische Konferenz der BRAK statt. Die Konferenz ist eine Gelegenheit für die Vertreter der europäischen Anwaltsorganisationen, über grenzüberschreitende, die Anwaltschaft betreffende Themen zu diskutieren. Vertreter aus insgesamt 21 Nationen, darunter auch aus den USA, Russland, Israel und Japan, diskutierten in Berlin über den „Rechtsstaat – Sache der Anwaltschaft!“. Neben der Frage der Rolle der Selbstverwaltung für die Rechtsstaatlichkeit, und Berichten über die Arbeit der Anwaltschaft in der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit stand vor allem der Wettbewerb der Rechtsordnungen im Vordergrund. Die BRAK engagiert sich im Rahmen des „Bündnis für das deutsche Recht“ mit dem Bundesministerium der Justiz und anderen  Berufsorganisationen für Aufbauhilfe von rechtsstaatlichen Strukturen in Schwellenländern und für eine Verbesserung des Bekanntheitsgrades des deutschen Rechts. Hierzu wurde im letzten Jahr die Broschüre „Law-made in Germany“ veröffentlicht. Bundesjustizministerin Zypries betonte in ihrem Grußwort anlässlich der Konferenz, dass die Stärkung von Aufbau und Arbeit einer unabhängigen Anwaltschaft gleichbedeutend sei mit der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Entwicklung eines Landes zu Rechtsstaat und Demokratie. Als europäisches Thema hob sie die Stärkung der Beschuldigtenrechte im Strafverfahren hervor. Ein entsprechender Rahmenbeschluss war unter der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 gescheitert. Zypries begrüßte, dass die schwedische Ratspräsidentschaft das Thema wieder aufgegriffen hat.

 

 

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen, RAin Tanja Ortel und Natalie Barth © Bundesrechtsanwaltskammer

 

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