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Ausgabe 02/2010

04.02.2010

 

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

Anerkennung von Entscheidungen im Zusammenhang mit Insolvenzfahren

 

Strafrecht

BRAK-Stellungnahme zum Grünbuch „Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat“

 

Freizügigkeit

Pflicht des nationalen Gerichts zur Nichtanwendung einer nationalen Sportwetten-Regelung bei Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

 

Grundrechte

Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt – Urteil EGMR

 

Institutionen

Beziehungen Europäische Kommission – EP

 

Sonstiges

Europäisches Wettbewerbsnetz ECN veröffentlicht ersten Newsletter

 

 

 

Zivilrecht

 

Anerkennung von Entscheidungen im Zusammenhang mit Insolvenzfahren

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 21. Januar 2010 (C-444/07) klargestellt, dass nach der wirksamen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich verpflichtet sind, alle Entscheidungen im Zusammenhang mit diesem Insolvenzverfahren anzuerkennen und zu vollstrecken. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn in dem anderen Mitgliedstaat ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist.  Die Insolvenzverfahrensverordnung EG Nr. 1346/2000 in der geänderten Fassung EG Nr. 603/2005 kennt zwei Insolvenzverfahrensarten: das sogenannte „Hauptinsolvenzverfahren“, welches von dem zuständigen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, und das sogenannte „Sekundärinsolvenzverfahren“, das von dem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, eröffnet wird. Nur das Hauptinsolvenzverfahren hat universale Wirkung, während das Sekundärinsolvenzverfahren auf das im Gebiet des Mitgliedstaats belegene Vermögen beschränkt ist, sodass aber die universale Wirkung des Hauptinsolvenzverfahrens durch das Sekundärinsolvenzverfahren beschränkt werden kann. In diesem Rahmen hebt der EuGH hervor, dass es nur zwei Gründe für die Nichtanerkennung des Insolvenzverfahrens eines anderen Mitgliedstaats geben kann. Zum einen, wenn dadurch die persönliche Freiheit oder das Postgeheimnis eingeschränkt wird und zum anderen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung mit der öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Rechtmäßigkeit von Forderungspfändungen, die vom Amtsgericht Saarbrücken angeordnet und nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens eines Bauunternehmens -mit Gesellschaftssitz in Polen- durchgeführt worden waren. Das Unternehmen hatte eine Zweigniederlassung in Deutschland. Da vorliegend in Deutschland kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden war und das polnische Gesetz über die Insolvenz und die Sanierung nicht zulässt, dass nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner Vollstreckungsverfahren in  Bezug auf die Vermögenswerte eingeleitet werden, die zur Insolvenzmasse gehören, konnten die zuständigen deutschen Behörden nicht rechtswirksam Vollstreckungsmaßnahmen nach deutschem Recht in Bezug auf das in Deutschland befindliche Vermögen  des polnischen Unternehmens anordnen.

 

Strafrecht

 

BRAK-Stellungnahme zum Grünbuch „Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat“

Die Europäische Kommission hat im November 2009 ein Grünbuch zur Erlangung verwertbarer Beweise in Strafsachen aus einem anderen Mitgliedstaat angenommen, wodurch die Beweisverwertung in Europa  in grenzüberschreitenden Fällen erleichtert werden soll. Gleichzeitig sollen Beweiserhebungsnormen eingeführt werden, die die Beweiswürdigung erleichtern sollen. Die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßt den Ansatz der Kommission, in eine fundamentale Reflexion über die gegenseitige Anerkennung von Beweismitteln in Strafverfahren einzutreten. Zur Vermeidung überflüssiger Doppelarbeit in den Mitgliedstaaten regt die Bundesrechtsanwaltskammer an, die weitere Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/978/JI vom 18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung vorläufig auszusetzen. Die gegenseitige Anerkennung von Beweismitteln in Strafverfahren setzt unionsrechtlich verbindliche und einklagbare Garantien für die Beweiserhebung und Beweisverwertung voraus. Dazu zählen die Unschuldsvermutung, das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, und die Beweisverbote aufgrund von Immunitäten und Privilegien. Erst wenn solche Garantien in Kraft getreten sind, können Beweismittel gegenseitig anerkannt werden. Aufgrund der großen Diversität der einzelnen Prozessordnungen, die die Beweise selbst unterschiedlich und auch in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten regeln, hat  die Bundesrechtsanwaltskammer einerseits bei der Durchsetzung einer einzigen Regel als auch andererseits bei der Erforderlichkeit einer solchen Regelung Zweifel, da das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen mittlerweile von 23 Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist und eine weitere Regelung überflüssig macht. Unverzichtbar im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung von Beweismitteln in Strafsachen sind für die Bundesrechtsanwaltskammer die durch ein Gericht erlassene Beweisanordnung, die Legalität der Beweiserhebung in beiden betroffenen Mitgliedstaaten, die Wahrung der Verteidigerrechte und der Rechte unbeteiligter Dritter, die Einhaltung allgemeiner europäischer Rechtsgrundsätze (z.B. Erfordernis des ausreichenden Tatverdachts, Verhältnismäßigkeitsprinzip) und des Prinzips der Waffengleichheit sowie das Bestehen einer Rechtsbehelfsmöglichkeit. Im Rahmen des Beweistransfers muss Legalität, Fairness und Integrität durch einen unabhängigen Richter des Vollstreckungsmitgliedstaats von Amts wegen überprüft werden. Ein Beweis darf schließlich nur verwertet werden, wenn er nach den o.g. Maßstäben erhoben wurde.

 

Freizügigkeit

 

Pflicht des nationalen Gerichts zur Nichtanwendung einer nationalen Sportwetten-Regelung bei Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Generalanwalt Yves Bot hat am 26. Januar 2010 seine Schlussanträge in der Rechtssache Winner Wetten GmbH gegen die Bürgermeisterin der Stadt Bergheim vorgelegt. Die deutsche GmbH hatte Klage gegen eine Ordnungsverfügung erhoben, die ihr die Durchführung von Sportwetten untersagte. Grund für die Untersagung war das Fehlen der nach § 1 Abs. 1 S. 1 des Sportwettengesetzes Nordrhein-Westfalen erforderlichen staatlichen Genehmigung. Bei der dem EuGH vorgelegten Frage ging es um die Vereinbarkeit dieses staatlichen Wettmonopols mit der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG. Einerseits stellte das zuständige nationale Gericht einen tatsächlichen Verstoß der GmbH gegen das Sportwettengesetz fest. Andererseits hielt es diese nationale Regelung für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wies aber darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die bestehende Rechtslage, die auch mit der nationalen Verfassung unvereinbar sei, zeitlich beschränkt aufrechterhalten habe, bis eine neue Regelung getroffen wird. Der Generalanwalt kommt in den Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats eine nationale Regelung auch nicht ausnahmsweise und übergangsweise weiter anwenden dürfe, wenn diese Regelung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. Das angerufene Gericht müsse in dem Fall die nationale Norm unangewendet lassen. Diese Pflicht bestehe auch dann, wenn die streitige Regelung gegen nationales Recht verstoße und nur übergangsweise- etwa zur Vermeidung von Regelungslücken- aufrechterhalten werde. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Nichtanwendung der entsprechenden nationalen Regelung könne nach dem Vortrag des Generalanwalts auch deswegen nicht gemacht werden, weil die nationale Regelung ungeeignet sei, die Verbraucher vor den mit Glücksspielen verbundenen Gefahren zu schützen. Daher könne mit der Anwendung der nationalen Regelung keine Regelungslücke geschlossen werden.

 

Grundrechte

 

Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt – Urteil EGMR

Mit seinem Urteil (Nr. 43757/05) vom 21. Januar 2010 (nur in französischer Sprache erhältlich) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zugunsten des Rechtsanwalts Xavier Da Silveira entschieden. Der portugiesische Rechtsanwalt, der auch in Frankreich tätig ist, hatte im Dezember 2005 beim EGMR Beschwerde gegen Frankreich eingelegt, nachdem sein französisches Domizil im Zuge von Ermittlungen der französischen Polizei gegen einen Dritten durchsucht worden und Gegenstände beschlagnahmt worden waren. Die Durchsuchung fand trotz der Einwände des Rechtsanwaltes statt und obwohl er die Ermittler in Kenntnis darüber gesetzt hatte, dass der zuständige örtliche Kammerpräsident informiert worden war und sich bereit erklärt hatte, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Herr Da Silveira konnte sowohl seinen französischen Wohnsitz als auch seine Niederlassung als Anwalt einwandfrei nachweisen. Unter Berufung auf Art.8 EMRK, in dem das Recht auf die Achtung des Privatlebens verankert ist, legte Herr Da Silveira Beschwerde beim EGMR ein. Der Gerichtshof für Menschenrechte urteilte, dass die Durchsuchung der Wohnung im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant unverhältnismäßig war und einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstellt. Dabei betonte der Gerichtshof den entscheidenden Umstand, dass die Durchsuchung nicht dem als Privatperson bewohnten Domizil, sondern der Wohnung als Büro des Rechtsanwalts galt, das dem Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses unterstehe und besondere Verfahrensgarantien erfordert hätte, die Anwälten nach dem französischen Strafverfahrensrecht zustehen.

 

Institutionen

 

Beziehungen Europäische Kommission – EP

Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und dem Europäischem Parlament über die Neuerungen im Rahmenabkommen über die Beziehungen zwischen Kommission und Parlament bis 2015 mündeten am 27. Januar 2010 in einen von beiden Seiten vorgelegten Text mit den wichtigsten Punkten für eine Entschließung, die dem Plenum am 9. Februar 2010 zur Abstimmung vorgelegt wird. Kommissionspräsident Barroso kommt darin der Forderung des EP nach Gleichbehandlung mit dem Ministerrat nach, was sich insbesondere im Zugang des Parlaments zu Kommissionssitzungen mit nationalen Experten sowie der umfassenden Dokumentierung dieser Sitzungen äußert. Eine weitere Forderung der EP-Unterhändler, die der neuen Stellung des EP durch den Lissabonvertrag entspricht, betrifft die Einbindung des EP in internationale Verhandlungen. Der Entschließungsentwurf zur Überarbeitung des Rahmenabkommens sieht vor, dass der Vorsitzende des jeweils relevanten Parlamentsausschusses als Beobachter an internationalen Delegationen der Kommission teilnimmt. Gestärkt wird die Position des EP auch im Hinblick auf eigene Gesetzesinitiativen. Der Entschließungsvorschlag legt für die Reaktion der Kommission auf einen Initiativbericht des EP eine Dreimonatsfrist fest und gibt der Kommission ein Jahr Zeit, ihrerseits mit einem Vorschlag zu reagieren. Wird diese Frist nicht eingehalten, muss die Kommission eine detaillierte Begründung vorlegen. Außerdem nehmen der Kommissions- und der Parlamentspräsident in Zukunft an den Spitzengesprächen des jeweils anderen Gremiums teil, wenn dort Haushalts- und Gesetzgebungsfragen und andere Themen diskutiert werden, die für beide Seiten von Interesse sind.

Mit dem überarbeiteten Rahmenabkommen wird zwischen Mai und Juni dieses Jahres gerechnet.

 

Sonstiges

 

Europäisches Wettbewerbsnetz ECN veröffentlicht ersten Newsletter

Das ECN (European Competition Network), dem die Wettbewerbsbehörden der 27 EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission angehören, hat am 28. Januar 2010 die erste Ausgabe eines Newsletters mit dem Titel „ECN Brief“ veröffentlicht. Der Newsletter berichtet über die Tätigkeiten des ECN und seiner Mitglieder und soll umfassende Informationen über Anwendung und Förderung des Kartellrechts durch die dem ECN angehörenden Behörden bieten. Mit den geplanten fünf Ausgaben pro Jahr soll die bereits weitreichende Kommunikationspolitik der einzelnen ECN-Mitglieder ergänzt werden. In der aktuellen Ausgabe werden u.a. die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, aktuelle Fallbeispiele, Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie Veranstaltungen behandelt. Der Newsletter ist in elektronischer Form erhältlich und kann auch auf den Websites der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten abgerufen werden.

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen und Natalie Barth © Bundesrechtsanwaltskammer

 

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