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Ausgabe 22/2010

15.12.2010

 

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

Grünbuch zum freien Verkehr öffentlicher Urkunden

Reform der Brüssel I - Verordnung

Verstärkte Zusammenarbeit bei Ehescheidungen in der EU (Rom III)

EU-Minister gegen 20 Wochen Mutterschaftsurlaub

 

Strafrecht

Mitgliedstaaten befürworten Recht auf Belehrung in Strafverfahren

 

Gewerblicher Rechtsschutz

Verstärkte Zusammenarbeit für die EU-Patentsprachenregelung

 

Bürgerrechte

Einigung im Trilog über die Bürgerinitiative

Anhörung der Kommission zur Vorratsdatenspeicherung

 

Binnenmarkt

Mitteilung zur elektronischen Rechnungsstellung und Strategie zur Mehrwertsteuer

 

 

 

Zivilrecht

 

Grünbuch zum freien Verkehr öffentlicher Urkunden

Am 14. Dezember 2010 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch für den freien Verkehr öffentlicher Urkunden veröffentlicht und eine öffentliche Konsultation gestartet, in deren Rahmen bis zum 30. April 2011 zum Grünbuch Stellung genommen werden kann. Die Kommission hat vor, bis 2013 zwei separate Vorschläge zum freien Verkehr von öffentlichen Urkunden sowie zur Anerkennung von Personenstandsurkunden einzubringen. Die Anerkennung von öffentlichen Urkunden, wie etwa Staatsangehörigkeitsnachweise, Besitzurkunden, Diplome sowie von Personenstandsurkunden, sind für den EU-Bürger bei den „großen Lebensereignissen“ wie beispielsweise Heirat, Adoption, Geburt von großer Bedeutung. Meist sehen sich die Bürger bei der Anerkennung dieser Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat Problemen und hohen Kosten gegenüber. Dies will die Kommission nun verbessern und schlägt in ihrem Grünbuch mehrere Optionen vor. Zum einen könnten Verwaltungsformalitäten, wie die Apostille für öffentliche Urkunden abgeschafft und die Übersetzungserfordernisse vereinfacht werden. Für Personenstandsurkunden könnten EU-weit gültige Formblätter eingeführt oder dem Bürger eine Rechtswahl für bestimmte Personenstandsangelegenheiten eingeräumt werden. Eine weitere Option wäre, dass Mitgliedstaaten Personenstandsurkunden automatisch anerkennen, so dass keine Harmonisierung der geltenden Vorschriften vorgenommen werden müsste.

 

Reform der Brüssel I - Verordnung

Gleichzeitig mit dem Grünbuch zum freien Verkehr von öffentlichen Urkunden hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Reform der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I - Verordnung) veröffentlicht. Hierin schlägt sie vor, das Exequaturverfahren zur Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat abzuschaffen. Zudem sollen Verbraucher von Unternehmen aus Drittstaaten nun nur noch in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat verklagt werden können. Die sogenannten „Torpedoklagen“, die momentan als Mittel zur Verfahrensverzögerung genutzt werden, sollen dadurch verhindert werden, dass bei Gerichtsstandsvereinbarungen das festgelegte Gericht auch über die Gültigkeit dieser Vereinbarung entscheidet. Dies hat die BRAK in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch zur Brüssel I-Verordnung ebenfalls vorgeschlagen. In ihren Vorschlag hat die Kommission auch Regeln zur Schiedsgerichtsbarkeit aufgenommen, um Klagemissbrauch zu vermeiden. Derzeit ist es für Unternehmen sehr unsicher, Schiedsverfahren zu führen, da trotz eines Schiedsspruchs, Klage mit der Begründung, dass die Schiedsvereinbarung ungültig sei, eingereicht werden kann.

 

Frühere Berichte: 13/2010, 8/2009.

 

Verstärkte Zusammenarbeit bei Ehescheidungen in der EU (Rom III)

Am 3. Dezember 2010 haben die europäischen Justizminister die Verordnung gebilligt, mit der im Wege des Verfahrens der Verstärkten Zusammenarbeit 14 EU-Länder die Scheidung internationaler Ehen vereinfachen wollen. Die neue Regelung gibt verheirateten Paaren die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, nach welchem Recht die Ehe geschieden werden soll. Nach der politischen Einigung der EU-Mitgliedstaaten muss sich nun das EP positionieren, bevor die Verordnung formell im Rat – voraussichtlich am 20. Dezember 2010 - verabschiedet werden kann.

 

Frühere Berichte: 14/2010, 11/2010, 06/2010.

 

EU-Minister gegen 20 Wochen Mutterschaftsurlaub

Am 6. Dezember 2010 haben die EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat über den Vorschlag des Parlamentes zur Verlängerung des Mutterschutzes von 14 auf 20 Wochen debattiert. Hierbei hat eine große Mehrheit eine Verlängerung auf 20 Wochen sowie die volle Lohnfortzahlung abgelehnt. Das EP hatte sich im Oktober 2010 für die Erhöhung des Mutterschaftsurlaubs auf 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung ausgesprochen. Der Rat wird in zukünftigen Beratungen von dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie 92/85/EWG vom Oktober 2008 ausgehen, der 18 Wochen Mutterschutz vorsieht. Grund für die Ablehnung sind die Kosten, die mit den Forderungen des EP für die Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten verbunden sind. Auf geteilte Meinung stößt die ebenfalls vom EP angeregte Verankerung von zwei Wochen Vaterschaftsurlaub in der Richtlinie. Viele Länder möchten den Vaterschaftsurlaub nicht in die Richtlinie über den Mutterschutz integrieren. Allerdings sehen eine Reihe von EU-Staaten die Möglichkeit zur Einführung einer Überleitungsklausel in die Richtlinie, nach der die Mitgliedstaaten auch andere Formen des Urlaubs, die nicht Mutter- oder Vaterschaftsurlaub sind, bei der Regelung des Mutterschutzes berücksichtigen könnten.

 

Frühere Berichte: 19/2010, 4/2010, 16/2009.

 

Strafrecht

 

Mitgliedstaaten befürworten Recht auf Belehrung in Strafverfahren

Am 3. Dezember 2010 hat der Rat den von der Europäischen Kommission am 20. Juli 2010 vorgelegten Richtlinienentwurf über das Recht auf Belehrung in Strafverfahren gebilligt.

Die Richtlinie soll sicherstellen, dass Verdächtige bei der Festnahme eine schriftliche „Erklärung der Rechte“ über ihre grundlegenden Rechte in Strafverfahren erhalten (Recht auf Beiziehung eines Rechtsanwalts, Tatvorwurf und ggf. Akteneinsicht, Anspruch auf Übersetzungs- und Dolmetschleistungen, unverzügliche Vorführung vor dem Richter nach der Festnahme). Diese soll bei Bedarf übersetzt werden. Der Richtlinienvorschlag über die Belehrung ist nach der Richtlinie zur Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen die zweite Maßnahme einer Reihe von Regelungen, mit denen die Standards im Strafverfahren in der EU angeglichen werden sollen. Als nächstes muss das EP dem Richtlinienvorschlag noch zustimmen.

 

Frühere Berichte: 14/2010, 11/2010, 07/2010.

 

Gewerblicher Rechtsschutz

 

Verstärkte Zusammenarbeit für die EU-Patentsprachenregelung

Nach einer offiziellen Anfrage von zwölf Mitgliedstaaten (Schweden, Dänemark, Polen, Estland, Slowakei, Niederlande, Litauen, Frankreich, Deutschland, Finnland, UK und Luxemburg) hat die Europäische Kommission am 14. Dezember 2010 einen Vorschlag für eine Verstärkte Zusammenarbeit für die Sprachenregelung eines Europäischen Patents vorgelegt. Die im Vorschlag vorgesehenen Übersetzungsanforderungen beruhen auf der bestehenden Sprachenregelung des Europäischen Patentamtes (EPA). Das einheitliche Patent würde demnach in einer der bestehenden Amtssprachen des EPA – Englisch, Französisch oder Deutsch – geprüft und erteilt werden. Bereits im Juli 2010 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag hierfür eingebracht. Nachdem die nötige Einstimmigkeit im Europäischen Rat jedoch nicht erlangt werden konnte, hat der Rat am 10./11. Dezember 2010 über die Möglichkeit einer Verstärkten Zusammenarbeit debattiert und sich positiv geäußert. Allein Italien und Spanien haben sich klar gegen eine Verstärkte Zusammenarbeit ausgesprochen. Sie sind der Meinung, dass der Rat noch nicht alles versucht habe, um eine Einigkeit herbeizuführen. Zudem sei eine Verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich unvereinbar mit den Prinzipien des Binnenmarktes. Dreizehn weitere Mitgliedstaaten haben sich dahingehend geäußert, dass sie sich der Verstärkten Zusammenarbeit anschließen würden. Großbritannien wird seine Teilnahme noch von der Vereinbarkeit des Europäischen Patentgerichtshofs mit den Verträgen abhängig machen, die derzeit vom EuGH geprüft wird.

 

Frühere Berichte: 13/2010, 9/2010.

 

Bürgerrechte

 

Einigung im Trilog über die Bürgerinitiative

Am 6. Dezember 2010 haben sich das EP, die Europäische Kommission und der Rat über den Verordnungsentwurf für die Bürgerinitiative verständigt. Demnach muss eine Bürgerinitiative von einem Bürgerausschuss eingereicht werden, in dem mindestens sieben Mitgliedstaaten vertreten sind und sie muss von einem Viertel der Mitgliedstaaten unterstützt werden. Die Zulässigkeitsprüfung durch die Kommission erfolgt bereits bei Einreichen der Initiative. Die Kommission hat zugesichert, eine benutzerfreundliche Informationsbroschüre und einen Helpdesk zur Verfügung zu stellen sowie eine Anhörung anzuberaumen, wenn eine Bürgerinitiative eine Million Unterschriften erreicht hat. Für die Überprüfung der Unterschriften sind die Mitgliedstaaten verantwortlich. Am 13. Dezember 2010 hat der EP-Ausschuss für Konstitutionelle Fragen (AFCO) den endgültigen Berichtsentwurf über die EU-Bürgerinitiative verabschiedet. Das Plenum wird voraussichtlich am 15. Dezember 2010 abstimmen.

 

Frühere Berichte: 21/2010, 17/2010, 12/2010, 6/2010.

 

 

Anhörung der Kommission zur Vorratsdatenspeicherung

Am 3. Dezember 2010 veranstaltete die Europäische Kommission eine Anhörung zur Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung, deren Evaluierung und Überarbeitung beabsichtigt ist. Die Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, stellte in ihrer dort gehaltenen Rede fest, dass die Vorratsdatenspeicherung als essentielles Instrument zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität unverzichtbar ist, auch wenn sie in die Grundrechte der Betroffenen eingreift. Die Richtlinie soll deswegen insbesondere im Hinblick auf eine Harmonisierung und eine eventuelle Verkürzung der Speicherzeit der Daten sowie auf eine Harmonisierung für den Zugang zu diesen Daten überarbeitet werden. Die Kommission wird im Frühjahr nächsten Jahres eine Evaluierung der in diesem Jahr durchgeführten Konsultation veröffentlichen und dann weitere Schritte zur Überarbeitung der Richtlinie einleiten. Anwesend bei dieser Anhörung waren auch der Europäische Datenschutzbeauftragte und mehrere Vertreter der Zivilgesellschaft, die starke Kritik an der Richtlinie äußerten und deren Legitimation in Frage stellten. Auch die BRAK hat sich kritisch zur Richtlinie und deren Umsetzung geäußert. In ihrer Stellungnahme zum Umsetzungsgesetz kritisiert sie insbesondere, dass eine Verwertung von anlasslos auf Vorrat gespeicherter Telekommunikationsdaten im Strafverfahren viel zu weit gehe und es an einer Begrenzung durch einen Katalog schwerster Straftaten fehle.

 

Binnenmarkt

 

Mitteilung zur elektronischen Rechnungsstellung und Strategie zur Mehrwertsteuer

Am 29. November 2010 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über die Vorteile der elektronischen Rechnungsstellung für Europa veröffentlicht. Der Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Michel Barnier, sowie Vizepräsident der Kommission Antonio Tajani, zuständig für Industrie und Unternehmertum, versprechen sich von einer Harmonisierung der elektronischen Rechnungsstellung insbesondere Zeit- und Kostenersparnisse und somit eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für die europäischen Unternehmen. Die vier Hauptprioritäten dieser Mitteilung sind die Schaffung eines kohärenten Rechtsrahmens, eine Masseneinführung der elektronischen Rechnungsstellung am Markt sowie die Förderung geeigneter Rahmenbedingungen für eine maximale Reichweite und die Schaffung eines gemeinsamen Standards. Vorgesehen sind insbesondere die Überarbeitung der Richtlinie zur elektronischen Signatur sowie eine Angleichung und Verbesserung der Mehrwertsteuersysteme in der EU. Zur Mehrwertsteuer hat die Kommission zudem am 1. Dezember 2010 ein Grünbuch veröffentlicht und eine öffentliche Konsultation gestartet, die bis zum 31. Mai 2011 laufen wird. Der Kommissar für Steuern, Algirdas Semeta, will ein einfaches, modernes und effektives Mehrwertsteuersystem für Europa schaffen. Mit den 33 Fragen der Konsultation soll u. a. erörtert werden, ob eine Angleichung des Mehrwertsteuersatzes oder eventuell die Abschaffung des Mehrwertsteuervorteils für bestimmte Produkte angebracht ist.

 

In eigener Sache

 

Nachrichten aus Brüssel-Weihnachtsferien

Wegen der Weihnachtsferien erscheint die nächste Ausgabe der Nachrichten aus Brüssel erst wieder am 6. Januar 2011.

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: +32 (0)2 743 86 46,

Fax: +32 (0)2 743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Hanna Petersen LL.M., Natalie Barth © Bundesrechtsanwaltskammer

 

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