Die kleine BRAO-Reform regelt auch, dass dienstleistende europäische Rechtsanwälte zukünftig ein eigenes beA erhalten können. Dabei hat der Gesetzgeber schon mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte vom 21.12.2015 klargestellt, dass nicht nur (deutsche) Rechtsanwälte, sondern alle Mitglieder der Rechtsanwaltskammern ein beA erhalten sollen. Damit wurden auch die europäischen Rechtsanwälte erfasst, die sich in Deutschland niedergelassen haben und durch Antrag Mitglied einer Rechtsanwaltskammer geworden sind (vgl. § 2 I EuRAG).
Bislang nicht erfasst werden allerdings sog. dienstleistende europäische Rechtsanwälte, die nur vorübergehend grenzüberschreitend Rechtsdienstleistungen in Deutschland erbringen (vgl. § 25 I EuRAG). Der Gesetzgeber möchte erreichen, dass alle im Prozess auftretenden Rechtsanwälte – also auch dienstleistende europäische Rechtsanwälte – einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente eröffnet haben. Das beA dient auch der Kommunikation von Anwalt zu Anwalt, und das ist für dienstleistende europäische Rechtsanwälte – abgesehen von Zustellungen von Anwalt zu Anwalt auf elektronischem Wege – u.a. deshalb wichtig, weil sie gem. § 28 EuRAG in bestimmten Fällen vor Gericht nur zusammen mit einem (deutschen) Einvernehmensanwalt handeln dürfen.
Mit dem neuen § 27a EuRAG soll nun eine Lösung geschaffen werden: Der dienstleistende europäische Rechtsanwalt kann bei der nach § 32 IV EuRAG zuständigen Rechtsanwaltskammer die Einrichtung eines beA beantragen und wird dann nur zu diesem Zweck in das Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer und das Gesamtverzeichnis der BRAK eingetragen.
Mit der geplanten Gesetzesänderung kommt der Gesetzgeber auch den Anforderungen der europäischen Dienstleistungsfreiheit nach. Denn in der Rechtssache Lahorgue (C-99/16) wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob es insofern gegen Art. 4 der Richtlinie 77/249/EWG verstößt, wenn einem Rechtsanwalt, der ordnungsgemäß bei der Rechtsanwaltskammer eines Mitgliedstaats zugelassen ist, die Einrichtung eines Zugangs zum Réseau Privé Virtuel des Avocats (Privates Virtuelles Anwaltsnetzwerk – RPVA) nur deshalb verweigert wird, weil er nicht bei der Rechtsanwaltskammer des anderen Mitgliedstaats zugelassen ist, in dem er den Anwaltsberuf als freier Dienstleistungserbringer ausüben möchte.
Generalanwalt Wathelet war in seinen Schlussanträgen vom 9.2.2017 (englische Fassung) der Meinung, die Maßnahme greife unverhältnismäßig in die freie Dienstleistungsfreiheit ein. Ein hiervon betroffener Rechtsanwalt müsse nämlich in Rechtsangelegenheiten, in denen kein sog. Einvernehmensanwalt erforderlich ist, faktisch auf einen bei der örtlichen Kammer zugelassenen Rechtsanwalt zurückgreifen. Zudem werde auch bei der postalischen Zustellung nicht systematisch die Anwaltseigenschaft geprüft. Dienstleistenden europäischen Rechtsanwälten ist somit die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr in gleicher Weise zu ermöglichen wie inländischen Anwälten (s. hierzu auch Nachrichten aus Brüssel v. 23.2.2017).
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