Ausgabe 32/2019 v. 31.10.2019
 
Liebe Leserinnen und Leser,
 
in dieser Ausgabe des beA-Newsletters haben wir für Sie – neben einem wichtigen Hinweis zur Verwendung von Signaturkarten externer Anbieter – einen bunten Strauß an Themen: Was passiert eigentlich mit Ihrem beA, wenn Sie in Mutterschutz oder Elternzeit gehen? Muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch auf die elektronische Einlegung des Rechtsbehelfs hinweisen – und was passiert, wenn sie das nicht tut? Oder wenn das Gericht den Versand auf dem „sicheren Übermittlungsweg“ nicht anerkennt? Und wie prüfen Sie eigentlich, ob Sie wirklich alle Anlagen mit ans Gericht gesandt haben? Zu guter Letzt haben wir noch einen kleinen Trick für Sie, wie Sie Ihre elektronische Signatur „sichtbar“ machen können.

Eine interessante und vergnügliche Lektüre wünscht
 
Ihr Team des beA-Newsletters
 
Nicht mehr unterstütze Signaturkarten ab dem 20.11.2019

Aufgrund der Empfehlungen der Koordinierungsstelle für IT-Standards des IT-Planungsrats hat die BRAK eine Anpassung der kryptographischen Algorithmen von im beA zum Einsatz kommenden Verschlüsselungsverfahren vorgenommen.
 
Im Vorfeld und zur Vorbereitung der Umstellung wurden Anbieter von bislang unterstützen Signaturkarten angeschrieben, ob Einschränkungen bei der Nutzung der Signaturkarten des jeweiligen Anbieters hinsichtlich der neuen Verschlüsselungs- und Signaturalgorithmen bestehen würden. Verschiedene Hersteller haben mitgeteilt, dass die neuen Verschlüsselungsverfahren nicht bzw. nur teilweise unterstützt werden und eine entsprechende Ertüchtigung auch perspektivisch nicht geplant sei. Folglich werden nach Umstellung der Verschlüsselungsverfahren – geplant für den 20.11.2019 – Einschränkungen bei der Nutzung der Signaturkarten im Vergleich zum heutigen Zeitpunkt bestehen.

Die Signaturkarten der nachfolgenden Hersteller können nicht mehr für eine Anmeldung (Authentisierung) am beA verwendet werden; nach (anderweitiger) Anmeldung am beA (z.B. mit einer beA-Karte Basis) können sie aber weiterhin für das Anbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur im beA genutzt werden:
  • T-Systems International GmbH*
  • D-Trust GmbH (Bundesdruckerei)
  • DGN Deutsches Gesundheitsnetz GmbH
Wichtig: Die beA-Karten und Signaturkarten der Bundesnotarkammer (BNotK) unterstützen die Umstellung der Verschlüsselungsverfahren. Sie können ohne Einschränkung verwendet werden.
 
* geändert am 06.11.2019
 
beA in Mutterschutz und Elternzeit
 
Das anwaltliche Berufsrecht kennt und berücksichtigt die Situation, dass jemand in begründeten Einzelfällen vorübergehend den Anwaltsberuf nicht ausübt. Dabei pausiert zwar nicht die Zulassung; allerdings ruhen einzelne anwaltliche Rechte und/oder Pflichten. So kann beispielsweise in Härtefällen nach § 29 I Alt. 2 BRAO eine vorübergehende Befreiung von der Kanzleipflicht erfolgen.
 
Als ein solcher „Härtefall“ werden auch Mutterschutz und Elternzeit anerkannt. Auf Antrag bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer erfolgt in diesen Fällen regelmäßig eine Befreiung von der Kanzleipflicht. Im Rahmen des Antrags ist dann ein Zustellungsbevollmächtigter zu benennen, an den – neben der Anwältin oder dem Anwalt – auch Zustellungen erfolgen können.
 
Obacht: Das beA ist auch während der Befreiung von der Kanzleipflicht weiterhin aktiv, es kann also weiterhin dort Post eingehen. Die Berufspflichten – insbesondere auch die zur Kenntnisnahme von eingehenden Nachrichten nach § 31a VI BRAO – sind nicht aufgehoben. Allerdings erhält der Zustellungsbevollmächtigte mit Eintragung durch die Rechtsanwaltskammer automatisch Zugriff auf das beA des/der Vertretenen (§ 31a III 2 BRAO). Ist der Zustellungsbevollmächtigte nicht selbst als Rechtsanwalt zugelassen, richtet die BRAK gem. § 25 I RAVPV  für die Dauer seiner Tätigkeit ein beA ein.

Will der oder die von der Kanzleipflicht Befreite den Abruf von Nachrichten weitestgehend delegieren, sollte er/sie entweder Kollegen (vgl. beA-Newsletter 3/2017) aus der eigenen Kanzlei oder zumindest dem Zustellungsbevollmächtigten weitergehende Rechte an seinem/ihrem beA einrichten. Denn der Zustellungsbevollmächtigte erhält standardmäßig bei der Einrichtung seines Postfachs nur das Recht zur Nachrichtenübersicht. Er kann also Nachrichten nicht öffnen, lesen und bearbeiten. Um das zu ermöglichen, müssen – letztlich genauso wie beim Jahresvertreter – noch zusätzliche Rechte vergeben und der Sicherheitstoken freigeschalten werden (wie das geht, haben wir im beA-Newsletter 29/2018 erläutert).
 
OVG Lüneburg: Wenn die Rechtsbehelfsbelehrung nicht hilft…
 
Wie in einer Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit der Kommunikation in elektronischer Form hinzuweisen ist, ist nicht ganz unumstritten; davon handelte jüngst der beA-Newsletter 25/2019. Dabei besteht mit der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 29.8.2018 – 1 C 6.18 Rn. 13) weitgehend Einigkeit darüber, dass nur über die Mindestbestandteile nach § 58 I VwGO belehrt werden muss – und das sind: richtiger Rechtsbehelf, Behörde oder Gericht einschließlich Sitz, einzuhaltende Frist. Eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs ist danach nicht erforderlich.

Fakultativ darf aber zusätzlich auch über die Form des Rechtsbehelfs belehrt werden. Umstritten ist dann allerdings, ob in diesen Fällen auch über die Möglichkeit der Einlegung in elektronischer Form zu belehren ist. Hintergrund dieser Diskussion ist: Eine Belehrung darf nicht irreführend sein, und man kann zumindest für merkwürdig halten, dass zwar einige, aber nicht alle Wege zur Einlegung des Rechtsbehelfs in der Belehrung erwähnt werden müssen.

In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 30.9.2019 - 9 LB 59/17) schließt sich das OVG Lüneburg der Ansicht an, dass ein Hinweis auf die elektronische Form entbehrlich sei.

In dem vom OVG entschiedenen Fall war auch über die Form („schriftlich oder zur Niederschrift“) belehrt worden; die Möglichkeit der elektronischen Form wurde nicht erwähnt. Der in den USA ansässige Kläger hatte allerdings erhebliche Probleme, postalisch zu kommunizieren. Hingegen stellte das OVG darauf ab, ob die Belehrung objektiv zur Irreführung geeignet sei. Die Belehrung könne nicht „irritierend“ sein, wenn sie entsprechend dem Wortlaut des § 81 I VwGO erfolge, der durch Gesetzgeber nicht um eine eigenständige elektronische Form erweitert worden sei. Zudem stelle die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung keine eigenständige Form der Klageerhebung dar, sondern nur eine spezifische Form der Übermittlung – wie auch bei Telefax, Brief und Bote. Der Belehrte müsse sich selbst kundig machen, was unter „schriftlich“ zu verstehen sei. Würde darüber in der Belehrung aufgeklärt, würde diese „erheblich länger und verwirrender“.

Diese Auffassung sollte man kennen und im Hinterkopf haben – sie ist aber mit einer gewissen Vorsicht zu genießen: Die elektronische Form bildet nach § 130a ZPO, § 55a VwGO und den übrigen Parallelvorschriften eben nicht nur einen „anderen Übermittlungsweg“, sondern ersetzt – anders als etwa ein Fax – die Schriftform. Zudem darf bezweifelt werden, dass diese juristische Sichtweise als Maßstab für den objektiven Empfängerhorizont und damit letztlich für die Laiensphäre geeignet ist. Der Belehrte wird sich – auch nach eigener Recherche – im Zweifel nicht so gut in den Feinheiten des Verfahrensrechts auskennen wie die Richter des OVG, die selbst mehrere Randnummern benötigen, um die aktuelle Rechtslage darzulegen. Daher könnte sich ein – zumal im Ausland lebender – Betroffener durch die Anforderung „schriftlich oder zur Niederschrift“ vom Ergreifen eines Rechtsbehelfs abhalten lassen. (Und nur am Rande sei bemerkt, dass Hinweise auf althergebrachte und letztlich selbsterklärende Übermittlungswege schwerlich den elektronischen Rechtsverkehr fördern – dafür sollte vielmehr gerade auf die elektronischen Möglichkeiten hingewiesen werden.)
 
 
VerfGH Rheinland-Pfalz: Zur vollständigen Prüfung gehört auch die Vollständigkeit

Elektronischer Rechtsverkehr und Verfassungsgerichtsbarkeit – das ist derzeit noch ein bunter Flickenteppich. Sie erinnern sich: Während das BVerfG den elektronischen Rechtsverkehr generell ausschließt, sieht es auf Landesebene anders aus. Dort wird teilweise die elektronische Kommunikation zugelassen, wobei die jeweiligen Verfahrensordnungen zu beachten sind (Pssst… falls Sie sie nicht mehr erinnern sollten: beA-Newsletter 5/2019).

Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof ist bereits elektronisch erreichbar. Doch wie auch die übrigen Gerichte hat er zuweilen mit Fällen zu tun, in denen die elektronische Kommunikation nicht korrekt funktioniert hat. Dies illustriert ein aktueller Beschluss des VerfGH (Beschl. v. 24.9.2019, Az. VGH B 23/19):

Eine Anwältin nutzte die grundsätzlich zulässige Möglichkeit der elektronischen Kommunikation mit dem VerfGH. Allerdings kam der Schriftsatz mit der substanziierten Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht rechtzeitig an. Nur die Anlagen wurden übermittelt und – wohl im Nachrichtentext – ein paar unvollständige Sätze wie „Fügen wir noch die weiteren Unterlagen, auf die sich die Verfassungsbeschwerde bezieht.“

Im Wiedereinsetzungsverfahren trug die Anwältin vor, sie könne sich noch genau erinnern, wie in den Anhängen der Nachricht „als oberste Datei“ der Schriftsatz gelistet gewesen sei, dieser dann als erster beim Versand „hochgeladen“ worden sei und die Nachricht vom Postausgang in den Ordner „gesendet“ gewechselt sei. Dieser Vortrag genügte dem VerfGH indes nicht. Zu Recht weist er darauf hin, dass nach dem Versand das Übermittlungsprotokoll (s. dazu beA-Newsletter 31/2019) darauf überprüft werden müsse, ob alle notwenigen Anhänge der Nachricht beigefügt gewesen seien. Im Zweifel müsse dieser Protokollauszug dem Gericht auch vorgelegt werden; schließlich sei es „höchst unplausibel“, dass bei der Übermittlung eine Datei „verloren“ gehe.

Was Sie tun können, um nicht in dieselbe Bredouille zu geraten?

Ganz einfach: Am besten sofort kontrollieren, ob die Nachricht vollständig versandt wurde! Und so prüfen Sie nach dem Versand, ob alle notwendigen Anhänge der Nachricht beigefügt waren:

Wechseln Sie in den Ordner „Gesendet“ (1), öffnen Sie die versandte Nachricht mit Doppelklick (2) und scrollen Sie zu dem Eintrag „Anhänge“ (3). Gegebenenfalls wechseln Sie auf die Folgeseiten (4).
 
 
LG Hagen: „… und trägt deshalb keine Unterschrift“

Wichtigstes Ziel des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 ist es, den Rechtsverkehr nachhaltig zu vereinfachen. Dazu wurde in § 130a III Alt. 2 ZPO eine erleichterte Form der Einreichung eines elektronischen Dokuments geschaffen: Die handschriftliche Unterzeichnung eines Schriftsatzes wurde dadurch ersetzbar, dass der Schriftsatz als elektronisches Dokument nur mit einfacher Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg – z.B. dem beA – bei Gericht eingereicht wird.

Nun führte die Frage, was unter einer (einfachen) Signatur i.S.v. § 130a III Alt. 2 ZPO zu verstehen ist, zunächst zu  allerlei Spekulationen. Die Auslegung nach Wortlaut, Historie, Motiven, Systematik und vor allem Sinn und Zweck erbrachte freilich ein recht eindeutiges Ergebnis: Es genügt der einfache „getippte“ Namenszusatz, wie er etwa unter einer E-Mail angebracht wird. (Das wissen Sie natürlich längst, wir haben es wiederholt thematisiert, z.B. im beA-Newsletter 14/2017.)

Vor diesem Hintergrund klingt es wenig spektakulär, dass das LG Hagen sich in einer aktuellen Entscheidung (Beschl. v. 22.8.2019 – 7 T 15/19) und mit sehr sorgfältiger (und deshalb lesenswerter!) Begründung und unter Verweis auf die einhellige Kommentarliteratur dieser Auffassung angeschlossen hat. Die Würze liegt hier in der Entscheidung der Vorinstanz, denn diese war anderer Auffassung:

Im erstinstanzlichen Verfahren – es ging um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall – hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen Schriftsatz mit seiner einfachen Signatur abgeschlossen und aus seinem beA an das Gericht übermittelt – genau, wie es § 130a III Alt. 2 ZPO vorsieht. Er hatte sogar noch extra darauf hingewiesen: „das Schreiben wurde per beA abgesandt und trägt deshalb keine Unterschrift“. Das Amtsgericht hielt die Klage gleichwohl für formunwirksam. Es war der Auffassung, der Originalschriftsatz hätte ausgedruckt, handschriftlich unterzeichnet, wieder eingescannt und über beA versandt werden müssen.

Solange der elektronische Rechtsverkehr noch in der Anfangsphase ist, kann es auf Gerichts- wie auch Anwaltsseite zu solchen Situationen kommen, in denen der rechtliche Rahmen noch nicht ganz „sitzt“ – schließlich ist es ein Lernprozess für alle Beteiligten. Dann sollten Sie sich durch Verweis auf die einschlägige Literatur und Rechtsprechung zu helfen wissen… (und darüber halten wir Sie im beA-Newsletter auf dem Laufenden!)
 
Sichtbare und „unsichtbare“ Unterschriften

Wenn man mit qualifizierten elektronischen Signaturen noch nicht so vertraut ist, erscheinen deren verschiedene Formen mitunter verwirrend. Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer: Man kann die Signaturdatei entweder in ein PDF-Dokument einbetten oder sie daneben abspeichern. Wenn Sie mit dem beA signieren, wird die Signaturdatei immer neben dem Ausgangsdokument erstellt (zum Signieren mit und ohne beA vgl. beA-Newsletter 36/2017).

Wenn man die Signaturdatei mit einer gesondert zu erwerbenden Software in das PDF einbettet, gibt es wiederum zwei verschiedene Formen: Man kann die Signatur entweder (mehr oder weniger) unsichtbar im PDF hinterlegen; das haben wir Ihnen z.B. im beA-Newsletter 21/2019 gezeigt. Oder man kann, wie es manche Gerichte machen, einen zusätzlichen Signaturstempel sichtbar im PDF hinterlegen. Dabei handelt es sich letztlich nur um eine grafische Aufbereitung der Signatur (1).
Mit vielen Programmen gelingt Ihnen ebenfalls eine derartige „sichtbare“ Unterschrift. Sie könnten sogar Ihre einscannte Unterschrift als Bild verwenden, falls Sie das aus optischen Gründen möchten. Verwenden Sie z.B. den SecSigner der Firma SecCommerce (oder eine vergleichbare Software eines anderen Herstellers) und wählen Sie die Option „Signieren, Signatur in PDF“. Dann können Sie z.B. die Option „Sichtbare Signatur-Annotation im PDF-Dokument“ auswählen (1) und deren Position im Dokument bestimmen (2).
Am Ende haben Sie ein elektronisches Dokument, dem man auch ansieht, dass es eine elektronische Unterschrift trägt. Das kann im Arbeitsablauf durchaus eine zusätzliche Absicherung sein. Aber Obacht: Ob die Signatur gültig ist, lässt sich der grafischen Aufbereitung freilich nicht entnehmen.
 
Alle Informationen zum beA unter www.bea.brak.de