Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 19/2019

Notwendige Verteidigung und Verfahrensrecht im Jugendstrafverfahren: Kritik der BRAK

25.09.2019Newsletter

Die BRAK hat zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (PKH-Richtlinie) sowie zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren Stellung genommen. Die Entwürfe dienen der Umsetzung der Richtlinien [EU] 2016/1919) und [EU] 2016/800).

Beide Regierungsentwürfe werden von der BRAK scharf kritisiert, denn sie verfolgen in europarechtswidriger Weise eine Minimierung und Aushöhlung der notwendigen Verteidigung, indem sie diese primär antragsabhängig ausgestalten (§141 I StPO-E) und an der – oftmals irreführenden – Belehrung über die Kostenfolge festhalten.

Die Regierungsentwürfe sind nach Ansicht der BRAK inkohärent: Ist nach dem Strafprozessrechtsverständnis eine Verteidigung notwendig, so kann sie nicht zugleich als verzichtbar oder auch antragsabhängig ausgestaltet werden. Dies gilt gleichermaßen für das Ermittlungsverfahren, das für den weiteren Verlauf des Strafverfahrens entscheidend ist. Rechtskundige, wohlhabende und besonnene Beschuldigte werden auch zukünftig ihre Rechte aktiv geltend machen, die frühe Beiordnung eines Verteidigers beantragen oder einen Wahlverteidiger beauftragen. Schutzbedürftige, also insbesondere rechtsunkundige, bedürftige und überforderte Beschuldigte hingegen werden in der Regel ihre Rechte nicht geltend machen und daher – konträr zur Zielsetzung der PKH-Richtlinie – in der psychischen Ausnahmesituation einer vorläufigen Festnahme alleine gelassen; eine Pflichtverteidigung soll in der Konzeption der Regierungsentwürfe zudem nur „zweitklassig“ und mit schwächeren Rechten ausgestattet sein (§141a StPO-E)

Die in den Regierungsentwürfen enthaltene Neukonzeption beruht zudem auf der fehlerhaften Annahme, dass Verteidigung zu Verzögerung führt. Die BRAK weist mit Nachdruck darauf hin, dass durch eine Verteidigung des Beschuldigten keine Verfahrensverzögerung eintritt. Verteidigung durch versierte Anwälte kann aber sehr wohl zur Beschleunigung eines Verfahrens beitragen. Effektive Verteidigung ist zudem elementarer und unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaats.

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