Nachrichten aus Brüssel

Ausgabe 07/2018 vom 19.04.2018

19.04.2018Newsletter

Zivilrecht

Paket zur Stärkung der Verbraucherrechte – Einführung von Sammelklagen

Die Europäische Kommission hat am 11. April 2018 ein Paket zur Stärkung der Rechte der Verbraucher veröffentlicht. Insbesondere in Anbetracht jüngster Fälle wie dem Dieselskandal sollen die Rahmenbedingungen für die Verbraucherrechte sowie deren Durchsetzung gestärkt werden.

Der erste Teil des Pakets zielt darauf ab, dass Verbraucher die ihnen nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können. Hierfür schlägt die Kommission die Überarbeitung der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen vor. „Qualifizierte Einrichtungen“, die keinen Erwerbszweck verfolgen und strengen Zulassungskriterien unterliegen, sollen ermächtigt werden, Sammelklagen im Namen von Verbrauchern zu erheben, die durch illegale Geschäftspraktiken einen Schaden erlitten haben. Hierzu sollen nicht Anwälte zählen, sondern nur bestimmte Institutionen wie Verbraucherverbände. Außerdem ist vorgesehen, dass für Unterlassungsansprüche und einfache Schadensfälle kein Mandat des Verbrauchers erforderlich sein soll.

In einem zweiten Teil sieht das Paket Regelungen zur Stärkung der Sanktionsbefugnisse für die Verbraucherschutzbehörden der Mitgliedstaaten vor. So sollen Höchststrafen für Verstöße gegen das Verbraucherrecht von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes des schadensverursachenden Unternehmens eingeführt werden. Darüber hinaus soll der Verbraucherschutz auf den Online-Bereich ausgeweitet und klargestellt werden, dass der Vertrieb identischer Produkte von unterschiedlicher Qualität, der Verbraucher in die Irre führt, verboten ist.

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Binnenmarkt

Kompromisstext zur Entsenderichtlinie angenommen

Am 11. April 2018 hat der Rat der EU den Kompromisstext der überarbeiteten Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern angenommen. Ziel der Richtlinie ist es, die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Insbesondere soll eine gerechte Entlohnung und gleiche Ausgangsbedingungen für entsendende und lokale Unternehmen im Gastland sichergestellt sein, ohne dabei den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit in Frage zu stellen. Die Richtlinie sieht unter anderem eine Lohngleichheit vom ersten Tag der Entsendung vor, sodass für entsandte Arbeitnehmer dieselben Regeln gelten wie für ihre einheimischen Kollegen. Zudem wird der Begriff der langfristigen Entsendung eingeführt, wonach eine Entsendung von12 Monaten als langfristig angesehen wird. Nach Ablauf dieser Frist unterliegen entsandte Arbeitnehmer in fast jeder Hinsicht dem Arbeitsrecht des Gastlandes. Zudem sollen Tarifverträge in allen Sektoren und Branchen auf entsandte Arbeitnehmer angewandt werden können.

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EuGH-Urteil - Uber France ist kein Dienst der Informationsgesellschaft

Der EuGH hat erneut in einem Urteil vom 10. April 2018 (C-320/16) über einen Fall betreffend das Fahrunternehmen Uber entschieden. Das Unternehmen Uber France wurde in Frankreich strafrechtlich verfolgt, weil es gegen eine Strafvorschrift verstößt, die es Fahrern, die keine Berufskraftfahrer sind, verbietet, Personen in Fahrzeugen mit weniger als zehn Sitzen entgeltlich zu befördern. Zu seiner Verteidigung hat Uber France vorgetragen, dass dieses Gesetz lediglich eine technische Vorschrift sei, die einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie über Normen und technische Vorschriften betreffe. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission jeden Entwurf eines Gesetzes oder einer Regelung mitzuteilen, wenn damit technische Vorschriften für Erzeugnisse und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft eingeführt werden. Da die französischen Behörden der Kommission die vorliegende strafrechtliche Vorschrift nicht vor ihrer Verabschiedung mitgeteilt haben, vertritt Uber France die Auffassung, dass diese Vorschrift nicht gegen sie angewendet werden kann.

Das zuständige Gericht, das Tribunal de grande instance de Lille, legte daher dem EuGH die Frage vor, ob die französischen Behörden verpflichtet waren, der Kommission den Gesetzesentwurf vorab mitzuteilen. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass Mitgliedstaaten die rechtswidrige Ausübung einer Beförderungstätigkeit, wie UberPop, verbieten und strafrechtlich ahnden können, ohne dies der Kommission vorab mitteilen zu müssen. In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass er in seinem Urteil vom 20. Dezember 2017 in der Rechtssache Uber ./. Spanien (C-434/15) entschieden hat, dass der in Spanien angebotene Dienst UberPop in den Bereich des Verkehrs und damit nicht in den Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft fällt. Dies gelte auch für den französischen Dienst UberPop, da dieser mit dem in Spanien angebotenen Dienst im Wesentlichen übereinstimme. Es sei jedoch die Sache des Tribunal de grande instance de Lille, dies im Detail zu überprüfen.

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Strafrecht

Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnung

Am 17. April 2018 hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag für Europäische Sicherungs- und Herausgabeanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafverfahren veröffentlicht. Die Herausgabeanordnung soll es Justizbehörden eines Mitgliedstaates ermöglichen, elektronische Beweismittel wie Emails oder Textnachrichten von Applikationen direkt von dem jeweiligen Service Provider oder dessen gesetzlichen Vertreter in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten. Diese werden mit der Verordnung verpflichtet, innerhalb von zehn Tagen zu antworten oder im Falle eines Notfalls sogar innerhalb von sechs Stunden. Die Sicherungsanordnung gibt den Justizbehörden eines Mitgliedstaates zudem die Möglichkeit, den Service Provider oder dessen Vertreter in einem anderen Mitgliedstaat aufzufordern, bestimmte Daten zu speichern, um im Folgenden eine Herausgabeanordnung zu erlassen. Als Schutzmaßnahme steht eine Herausgabeanordnung unter dem Richtervorbehalt. Außerdem sollen die durch eine Herausgabeanordnung erhaltenen Daten und Inhalte weiterhin unter den Schutz der Privilegien und Immunitäten der jeweiligen betroffenen Personen fallen.

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EGMR – kein grenzübergreifendes Doppelbestrafungsverbot nach EMRK

In seinem Urteil vom 29. März 2018 (Nr. 67521/14) hat der EGMR entschieden, dass das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nur für Strafverfahren und Verurteilungen innerhalb desselben Mitgliedstaates gilt. Im zugrundeliegenden Fall wurde Herr K aus Deutschland in Frankreich wegen einer Straftat verurteilt. Zuvor wurde das Verfahren wegen derselben Straftat in Deutschland eingestellt. K wandte sich gegen diese Verurteilung, da eine Wiederaufnehme des Verfahrens nach dessen Einstellung in Deutschland nur aufgrund neuer Tatsachen hätte geschehen können, was jedoch nicht der Fall war. Dies müsse sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wegen des Ne bis in idem-Grundsatzes der EMRK gelten. Der Gerichtshof stellte klar, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nur ein innerstaatliches Doppelbestrafungsverbot ergibt. Im vorliegenden Fall könnte sich ein Doppelbestrafungsverbot lediglich aus Art. 50 der Charta der Grundrechte der EU ergeben, für dessen Auslegung der EGMR jedoch nicht kompetent sei.

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Gesellschaftsrecht

Öffentliche Konsultation zu Unternehmensberichterstattungsvorschriften

Am 21. März 2018 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zur Eignungsprüfung der EU-Vorschriftenrahmen im Bereich der Unternehmensberichterstattung veröffentlicht. Ziel der Konsultation ist es herauszufinden, ob die Regelungen zur öffentlichen Berichterstattung von Unternehmen noch den heutigen Anforderungen entsprechen. So soll herausgefunden werden, ob die Vorschriften auf europäischer Ebene einen zusätzlichen Nutzen schaffen, ob sie wirksam, in sich stimmig und auf andere EU-Politikbereiche abgestimmt sind und ob sie effizient und nicht unnötig schwerfällig sind. Außerdem sollen auch spezifische Aspekte der bestehenden Rechtsvorschriften überprüft sowie festgestellt werden, ob der EU-Vorschriftenrahmen für die Berichterstattung neuen Herausforderungen wie beispielsweise der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit gerecht wird.

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Asylrecht

EuGH-Urteil zum Auslieferungsschutz für EU-Bürger

Der EuGH hat am 10. April 2018 mit Urteil in der Rechtssache Pisciotti ./. Deutschland (C-191/16) klargestellt, dass ein Mitgliedstaat einem Bürger aus einem anderen EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nicht den gleichen Auslieferungsschutz bieten muss wie seinen eigenen Staatsangehörigen. Im vorliegenden Fall begehrte der italienische Staatsangehörige Romano Pisciotti vor dem Landgericht Berlin die Feststellung, dass Deutschland Schadensersatz zu zahlen habe, da er von Deutschland in die USA ausgeliefert wurde, obwohl Deutschland im Grundgesetz für alle deutschen Staatsangehörigen ein Auslieferungsverbot vorsieht. Gegen ihn lag ein Haftbefehl eines amerikanischen Gerichts vor und er war bei Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Nach seiner Festnahme in Deutschland bei einer Zwischenlandung während eines Fluges von Nigeria nach Italien, wurde er an die USA ausgeliefert.

Der EuGH stellt fest, dass das EU-USA-Abkommen, auf das sich der Auslieferungsantrag gestützt hat, es den Mitgliedstaaten ermöglicht, auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Normen die eigenen Staatsangehörigen und die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten unterschiedlich zu behandeln und für die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten die Auslieferung zu gestatten. Dabei muss der ersuchte Mitgliedstaat jedoch vor der Auslieferung dem Herkunftsmitgliedstaat des Auszuliefernden die Möglichkeit geben, ihn im Rahmen eines Europäischen Haftbefehls für sich zu beanspruchen. Im vorliegenden Fall wurden die italienischen Behörden über die Situation vorab informiert, ohne dass sie einen Europäischen Haftbefehl gegen ihn erlassen hätten. Dementsprechend hat die Auslieferung des Herrn Pisciotti vorliegend nicht gegen das Unionsrecht verstoßen.

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EuGH-Urteil zum Recht unbegleitet Minderjähriger auf Familienzusammenführung

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12. April 2018 klargestellt, dass unbegleitet Minderjährige, die während des Asylverfahrens volljährig werden, ihre Recht auf Familienzusammenführung behalten. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz abzustellen.

Im vorliegend zu entscheidenden Fall war eine aus Eritrea stammende Minderjährige unbegleitet in die Niederlande eingereist. Sie wurde drei Monate nach der Stellung eines Asylantrags volljährig und erhielt weitere vier Monate später einen auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltstitel. Den im Folgenden gestellten Antrag auf Erteilung eines vorläufigen Aufenthaltstitels für mehrere ihrer Familienmitglieder lehnten die niederländischen Behörden mit der Begründung ab, sie sei zum Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung volljährig gewesen.

Der EuGH wies darauf hin, dass nach der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge besonders geschützt werden. Dieser Schutz ist nur dann praktisch wirksam, wenn das Recht auf Familienzusammenführung nicht von der Bearbeitungszeit eines Asylantrags durch nationale Behörden abhängt. Deshalb ist im vorliegenden Fall auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags des Minderjährigen und nicht, wie von den niederländischen Behörden vorgetragen, auf den Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung abzustellen. Der Antrag auf Familienzusammenführung muss nach Ansicht des Gerichtshofs innerhalb einer angemessenen Frist (drei Monate) nach der Anerkennung des Asylantrags erfolgen.

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