Nachrichten aus Brüssel

Ausgabe 01/2019 vom 11.01.2019

11.01.2019Newsletter

Zivilrecht

Neues EU-Insolvenzverfahren

Der Rat hat am 19. Dezember 2018 in der Formation der ständigen Vertreter (COREPER) die mit dem EP erzielte Einigung über die Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren bestätigt. Ziel der Richtlinie ist es, die größten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr abzubauen und die Sanierungskultur in der EU zu verbessern. Darüber hinaus zielt die Richtlinie darauf ab, die Anzahl der notleidenden Kredite in den Bankbilanzen zu verringern und deren Anhäufung in Zukunft zu vermeiden. Im Rahmen der informellen Einigung wurden Bestimmungen über die Pflichten der Unternehmensleitung bei Insolvenzverfahren aufgenommen (angemessene Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger, anderer Interessensträger und Anteilseigner sowie Vermeidung von Insolvenzen und vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Handlungen). Zudem sollen die Mitgliedstaaten nun sicherstellen, dass bestehende Arbeitnehmerrechte von einem präventiven Restrukturierungsverfahren nicht beeinträchtigt werden (beispielsweise das Recht auf Kollektivverhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen und das Recht auf Unterrichtung und Anhörung). Weiterhin haben sich Rat und EP auf einige wenige Fälle geeinigt, in denen zur Unterstützung des Schuldners und des Gläubigers die Bestellung eines Verwalters erforderlich ist.

Die BRAK hat in ihrer Stellungnahme eine zweite Chance für natürliche Personen begrüßt, jedoch eine Anknüpfung an das Wohlverhalten der Person gefordert. Der Rechtsakt muss noch von beiden Organen förmlich angenommen und im Amtsblatt veröffentlicht werden. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.

Weiterführende Links:

EP - Überarbeitung der Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen

Der für die Verordnungsvorschläge zur Überarbeitung der Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen in Zivil- oder Handelssachen federführende Rechtsausschuss des EP (JURI) hat am 10. Dezember 2018 seine Berichtsentwürfe angenommen.

Gefordert wird in beiden Berichten, dass der durch ein dezentrales IT-System aufgebaute elektronische Austausch von Schriftstücken auf e-CODEX basiert, dessen Funktionsweise durch delegierte Rechtsakte festgelegt wird. Auch die BRAK hatte sich für einheitlich geltende Anforderungen an die technische Interoperabilität ausgesprochen. Die Mitgliedstaaten sollen das Recht haben, einem Beklagten mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat die Verpflichtung aufzuerlegen, nach Zustellung des verfahrenseinleitenden Dokuments einen Vertreter zu bestellen. Bei der unmittelbaren elektronischen Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken an die Empfänger sollen diese die Art der Zustellung vorher ausdrücklich akzeptieren, zudem soll ein hohes Maß an Sicherheit und Zugänglichkeit sowie der Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten sichergestellt werden.

Neben der Beweisaufnahme per Videokonferenz sollen auch andere geeignete Fernkommunikationstechnologien einbezogen werden. Auch hier soll je nach nationalem Recht das Einverständnis des Betroffenen notwendig sein, ebenso soll der Schutz des Berufsgeheimnisses sichergestellt werden. Bei der Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter soll sichergestellt werden, dass diese unter Aufsicht des ersuchenden Gerichts nach Maßgabe seines nationalen Rechts erfolgt.

Weiterführende Links:

Leitfäden zu Verbraucherverträgen und Unterhaltssachen

Die Europäische Kommission hat Ende 2018 zwei Leitfäden zur Anwendung des EU-Rechts auf ihrem E-Justizportal veröffentlicht. Der Leitfaden zu internationalen Verbraucherverträgen soll einen Überblick über die geltenden Rechtsvorschriften und die einschlägige Rechtsprechung zur (internationalen) gerichtlichen Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen und zu dem auf solche Rechtsstreitigkeiten anzuwendenden Recht geben. Der andere Leitfaden erläutert die Anhänge zur Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltsachen.

Weiterführende Links:

Rechtsstaatlichkeit

EuGH - Polnisches Gesetz zur Herabsetzung des Pensionsalters von Richtern

Am 17. Dezember 2018 hat der EuGH in dem Verfahren C-619/18 die einstweilige Anordnung des Beschlusses vom 19. Oktober 2018, nach der die neuen nationalen Bestimmungen zur Herabsetzung des Pensionsalters für Richter am polnischen Obersten Gericht umgehend ausgesetzt werden müssen, bestätigt.

Am 3. April 2018 trat das Gesetz in Kraft, welches das Ruhestandsalter der Richter auf 65 Jahre senkte. Es gilt auch für Richter, die vor diesem Zeitpunkt ernannt wurden. Eine Verlängerung der Altersbegrenzung unterliegt u.a. der Genehmigung durch den Präsidenten der Republik Polen, ohne dass diese an Kriterien gebunden ist oder einer richterlichen Kontrolle unterliegt. 

Am 2. Oktober hat die Europäische Kommission beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Polen eingereicht und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz beantragt, dem mit Beschluss vom 19. Oktober 2018 vorläufig stattgegeben wurde.

In seinem Beschluss vom 17. Dezember 2018 hat der EuGH auch nach Anhörung der polnischen Regierung bekräftigt, dass die Anordnung dem ersten Anschein nach in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sei. In der vorliegenden Rechtssache könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Unabsetzbarkeit der Richter und die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet seien und das Gesetz damit gegen die Pflicht verstoße, einen wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu gewährleisten. Auch Dringlichkeit sei gegeben, da ohne die einstweilige Anordnung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden für die Unionsrechtsordnung entstehen könne. Die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte sei für das reibungslose Funktionieren des Vorabentscheidungsmechanismus, für aus dem Unionsrecht abgeleitete Rechte der Bürger und Grundwerte, sowie im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen, wie beispielsweise bei der Anerkennung und Vollstreckung polnischer Titel, von grundlegender Bedeutung.

Weiterführende Links:

Öffentliche Konsultation zum Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten

Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2018 eine öffentliche Konsultation zum Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten eingeleitet. Die Konsultation ist Teil einer Studie über die Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus (UNECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung in Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten). Nach Feststellungen des Ausschusses zur Überwachung der Einhaltung dieses Übereinkommens hat die EU dessen Bestimmungen aufgrund von unzureichenden Mechanismen zur Sicherstellung der Überprüfung von EU-Rechtsakten nicht eingehalten. Ziel der Konsultation ist es insofern, Informationen und Meinungen über die Wirksamkeit des Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und über die Umsetzung des Übereinkommens durch die EU in diesem Bereich zu sammeln. Frist für Rückmeldungen zur Konsultation ist der 14. März 2019.

Weiterführender Link:

Institutionen

Rat beschließt Standpunkt zu den Programmen „Justiz“ sowie „Rechte und Werte“

Am 19. Dezember 2018 hat der Rat in der Formation des Ausschusses der Ständigen Vertreter des Rats (COREPER) seinen Standpunkt zu den Programmen „Justiz“ sowie „Rechte und Werte“ festgelegt. Das Programm „Justiz“ zielt darauf ab, die weitere Entwicklung eines europäischen Rechtsraums auf der Grundlage der Werte der Union, der Rechtsstaatlichkeit sowie der gegenseitigen Anerkennung und des Vertrauens zu unterstützen, insbesondere durch Erleichterung des Zugangs zum Recht, durch Förderung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen sowie der Wirksamkeit der nationalen Justizsysteme. Das Programm „Rechte und Werte“ soll die in den EU-Verträgen verankerten Rechte und Werte schützen und offene, demokratische und integrative Gesellschaften sichern. Dies umfasst die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, der Antidiskriminierung sowie der Rechte von Kindern, die Förderung der Bürgerbeteiligung und die Bekämpfung von Gewalt, insbesondere gegen Kinder und Frauen.

Der Standpunkt des Rats klammert die Haushaltsaspekte und einige weitere Fragen noch aus, da diese von der Gesamteinigung über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) abhängen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht hier vor, dass dem für diese Programme vorgesehenen Fonds in sieben Jahren Mittel in Höhe von 947 Mio. EUR (davon 642 Mio. EUR für das Programm „Rechte und Werte“ und 305 Mio. EUR für das Programm „Justiz“) zugewiesen werden. Die Verhandlungen mit dem EP können aufgenommen werden, sobald dessen Standpunkt vorliegt.

Weiterführende Links:

Bericht der Europäischen Kommission über Fortbildung im europäischen Recht

Am 20. Dezember 2018 hat die Europäische Kommission ihren Bericht 2018 zur justiziellen Fortbildung im Europarecht veröffentlicht.  Nach diesem nahmen im Jahr 2017 über 180.000 Rechtspraktiker (Richter, Staatsanwälte, Gerichtsbedienstete, Rechtsanwälte, Gerichtsvollzieher und Notare) und ihre Praktikanten an Ausbildungsmaßnahmen zum EU-Recht oder zum nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats teil. Über 44.000 Rechtspraktiker wurden im Rahmen ihrer Erstausbildung geschult, 137.000 erhielten eine kontinuierliche Weiterbildung im EU-Recht.  Damit sei das von der Europäischen Kommission im Jahr 2011 festgelegte Ziel, zwischen 2011 und 2020 die Hälfte aller Praktiker in den Rechtsberufen (800.000) fortzubilden, zwei Jahre früher als geplant erreicht worden.

Weiterführender Link:

18-Monatsprogramm der Trio-Ratspräsidentschaft

Am 1. Januar 2019 hat Rumänien zum ersten Mal seit seinem Beitritt zur EU in 2007 die Ratspräsidentschaft übernommen. Auf Rumänien werden Finnland und dann Kroatien folgen. Zusammen bilden diese drei Staaten das neue Trio für die jeweils 18-monatige Trio-Ratspräsidentschaft.  Prioritäten des 18-Monatsprogramms sind u. a. neben der ordentlichen Abwicklung des Brexit und einer funktionierenden EU27 die Stärkung des Binnenmarktes durch eine weitere Integrierung des Dienstleistungsmarktes und die Vollendung des digitalen Binnenmarktes durch eine stärkere Integrierung der digitalen Wirtschaft sowie der Daten- und Plattformwirtschaft. Für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollen insbesondere die Maßnahmen zur Cybersicherheit vollendet und die gegenseitige Anerkennung weiterhin gefördert werden. Insbesondere sollen die Arbeiten zur Anerkennung und Erlangung von elektronischen Beweismitteln fortgeführt und der elektronische Rechtsverkehr weiter vorangetrieben werden. Ebenso wird sich das Trio mit der Arbeitsaufnahme der Europäischen Staatsanwaltschaft beschäftigen sowie mit deren Zusammenarbeit mit OLAF.

Weiterführender Link:

Impressum


Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
Büro Brüssel, Avenue de Nerviens 85/9, 1040 Brüssel,
Tel.: +32 (0)2 743 86 46, Fax: +32 (0)2 743 86 56, E-Mail: brak.bxl(at)brak(dot)eu
Redaktion und Bearbeitung:
RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Hanna Petersen LL.M., RAin Svenja Büttner, Ass. jur. Astrid Gamisch LL.M., Natalie Barth
© Bundesrechtsanwaltskammer

Der Newsletter ist im Internet unter www.brak.de abrufbar. Wenn Sie diesen Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.