Der elektronische Rechtsverkehr (ERV) in Deutschland ist weiter entwickelt als häufig angenommen. Bereits jetzt bieten zahlreiche Verfahrensordnungen die Möglichkeit, elektronische Dokumente bei Gericht einzureichen. Die Regelungen sind häufig dem vielzitierten § 130a ZPO nachgebildet und mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (eJustice-Gesetz) wurden auch diese anderen Verfahrensordnungen geändert.
In welchen Gerichtsbarkeiten geht ERV?
So lassen bereits jetzt § 46c ArbGG für die Arbeitsgerichtsbarkeit, § 65a SGG für die Sozialgerichtsbarkeit, § 55a VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 52a FGO für die Finanzgerichtsbarkeit den elektronischen Rechtsverkehr durch eigene Bestimmungen zu. Erforderlich ist aber derzeit auch hier, dass das Einreichen von elektronischen Dokumenten durch Rechtsverordnung für das jeweilige Gericht zugelassen ist und dass die Dokumente – im Regelfall – mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind.
Voraussichtlich ab 1.1.2018 wird der elektronische Rechtsverkehr in diesen Gerichtsbarkeiten bei allen Gerichten flächendeckend eröffnet. Es soll ab diesem Zeitpunkt genügen, wenn die elektronischen Dokumente durch die verantwortende Person einfach signiert (vgl. dazu Newsletter 14/2017) und auf einem sicheren Übermittlungsweg, also z.B. über das beA, bei Gericht eingereicht werden. Die Nutzungspflicht in diesen Verfahrensordnungen (§ 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO, § 52d FGO, jeweils n.F.) soll frühestens zum 1.1.2020 und spätestens zum 1.1.2022 kommen.
Verweisungen
Andere Verfahrensordnungen verweisen nur auf die Regelung des § 130a ZPO. Das gilt beispielsweise für § 14 II 2 FamFG (Nutzungspflicht allerdings eigens in § 14b FamFG). Für die Insolvenzgerichte findet § 130a ZPO ebenso entsprechende Anwendung (§ 4 InsO) wie in Verfahren nach dem in § 869 ZPO in Bezug genommenen Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG), das letztlich Teil der ZPO ist. Obwohl darin nicht auf die ZPO verwiesen wird, findet dennoch für das Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren die ZPO ergänzende Anwendung.
Für das gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gilt § 55a VwGO entsprechend (§ 112c I 1 BRAO). Gleiches gilt für gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Patentanwaltssachen (§ 94b I 1 PAO) und für gerichtliche Verfahren in Notarsachen (§ 96 I 1 BNotO) i.V.m. § 3 BDO (§ 111b I 1 BnotO).
Für die Gerichtsvollzieher gilt § 130a ZPO ebenfalls entsprechend (§ 753 V 2 und § 3 ZPO in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung).
Andere Verfahrensbestimmungen zum elektronischen Rechtsverkehr kennen beispielsweise noch die § 125a III Nr. 1 PatG (vgl. auch den Verweis in § 11 HalblSchG), § 95a III Nr. 1 MarkenG, § 25 III Nr. 1 DesignG: Danach bestimmt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente eingereicht werden können, die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form, ob eine elektronische Signatur zu verwenden ist und wie diese Signatur beschaffen ist. Nach § 81 IV 1 Alt. 2 GBO bestimmen die Bundesregierung und die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Akten geführt und elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können. Der Einsatz des beA ist hier derzeit noch nicht möglich.
Sonderfall Mahnverfahren
Einen rechtlichen Sonderfall bildet schließlich noch das elektronische Mahnverfahren nach § 690 III ZPO: Der Mahnantrag kann in einer nur maschinell lesbaren Form – auch über das beA – übermittelt werden, wenn diese dem Gericht für seine maschinelle Bearbeitung geeignet erscheint. Wird der Antrag von einem Rechtsanwalt oder einer registrierten Person nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG gestellt, ist nur diese Form der Antragstellung zulässig. Der handschriftlichen Unterzeichnung bedarf es nicht, wenn in anderer Weise gewährleistet ist, dass der Antrag nicht ohne den Willen des Antragstellers übermittelt wird. (Ab dem 1.1.2018 kann der Antrag zusätzlich unter Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 PAuswG oder § 78 V AufenthG gestellt werden).
|