Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Das SGB IX befasst sich mit den Vorschriften zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung bzw. Menschen, die von Behinderung bedroht sind. Es bildet mit anderen gesetzlichen Vorschriften Regelungen zur Gleichberechtigung und Gleichstellung auf nationaler, europäischer wie auch internationaler Ebene, die im Inland den Betroffenen konkret als Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen.

Das SGB IX verfolgt den Zweck, Menschen mit Behinderung bzw. von Behinderung bedrohte Menschen bezüglich ihrer Selbstbestimmung und ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen soweit als möglich zu vermeiden bzw. entgegenzuwirken. Der Stellenwert dieses Gesetzes und seines Anliegens lässt sich auch daran festmachen, dass es mittlerweile auf unterschiedlichsten Ebenen im öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Raum Beauftragte gibt, die mit der Umsetzung betraut sind und erhebliche Rechte haben.

Das SGB IX ist in drei Teile gegliedert, die jeweils in Kapitel unterteilt sind:

  • Teil 1 (§§ 1 bis 89) Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
  • Teil 2 (§§ 90 bis 150) Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
  • Teil 3 (§§ 151 bis 241) Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht).

Der erste Teil beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Verfahren, etwa der Zusammenarbeit der Träger, der Abwicklung und Kostentragung. Aber auch die Möglichkeit des Trägers, die Reha- und Teilhabeleistungen allein oder mittels gemeinnütziger oder privater Rehabilitationsdienste und -einrichtungen zu
erbringen, findet sich hier. Das Leistungserbringungsrecht führt dann zu einem sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis.

Die Bereiche, in denen Teilhabeleistungen erbracht werden können, werden genannt – sie reichen über die medizinische Rehabilitation, die Eingliederung in Arbeit bis zu Bildung und sozialer Integration. Soweit erforderlich, können unterhaltssichernde Maßnahmen flankieren. Geregelt wird weiterhin die Frage der Folgen, wenn Leistungen nicht zeitnah beschieden werden – ein in der Praxis immer wieder auftretender Fall.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der konkreteren Umsetzung, d. h. mit der Frage, wie und in welchen Bereichen der Anspruchsberechtigte seine Ansprüche umsetzen kann.

Der Gesetzgeber hat hier die Leistungsform des Persönlichen (trägerübergreifenden) Budgets geschaffen. Mit dieser Sozialleistungsform kann der berechtigte Personenkreis anstelle von festgelegten Sach- und Dienstleistungen ein nach dem individuellen Bedarf bemessenes Persönliches Budget in
Form eines Geldbetrags oder eines Gutscheins erhalten. Somit können sie als Expertinnen und Experten in eigener Sache unabhängiger und mit flexiblen, selbst gewählten Hilfen ihr Leben gestalten. Sie können entscheiden wann, wo und von welchem Leistungsträger sie Leistungen in Anspruch nehmen.

Das Persönliche Budget begründet keine neuen Leistungsansprüche, d. h. um ein Persönliches Budget beantragen zu können, muss zunächst überhaupt ein Anspruch auf Leistungen nach den einzelnen Leistungsgesetzen (z. B. auf Leistungen der Eingliederungshilfe und/oder der Sozialen Pflegeversicherung) bestehen.

Die Berechtigten haben Anspruch auf Beratung durch die Behörde, ein konkreter Plan für die zu erbringenden Leistungen wird für jeden Einzelfall erstellt. Der Plan kann mit besonderen Bedingungen verknüpft sein, kann Befristungen enthalten. Ein Streit entsteht häufig, wenn Anspruchsteller bestimmte Vorstellungen haben, die nicht finanzierbar sind – oder wenn Nachweise über die Verwendung durch die Berechtigten nicht oder nicht richtig geführt werden.

Der dritte Teil des SGB IX beschäftigt sich mit der Schwerbehinderung.

Der Umfang der Einschränkung wird mit dem Grad der Behinderung (GdB) in Zehnergraden von 20 bis 100 beschrieben, die Feststellung des GdB orientiert sich an der Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV.

Als Behinderung gilt dabei eine Funktionseinschränkung ab einem GdB von 20. Schwerbehindert sind im Sinne des SGB IX Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 festgestellt wurde. Für diesen Personenkreis gelten besondere Schutzvorschriften in verschiedenen Bereichen, etwa hinsichtlich
Sonderurlaub, Kündigung, vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente aber auch in der Einkommensteuer. Diesem Personenkreis kann ein Behindertenausweis ausgestellt werden – dieser ist in aller Regel – je nach Behinderung - befristet.

Menschen mit Behinderungen mit einem GdB von weniger als 50 aber wenigstens 30, die infolge ihrer Behinderung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können, werden auf Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und haben dann besonderen Schutz am Arbeitsplatz. Andere Erleichterungen für Schwerbehinderte gelten für sie allerdings nicht oder nur eingeschränkt.

Merkzeichen

Neben der Feststellung des GdB prüft das Versorgungsamt, ob ein Mensch mit Behinderungen Anspruch auf Zuerkennung eines oder mehrerer Merkzeichen besitzt. Diese Merkzeichen berechtigen zur Inanspruchnahme weiterer Nachteilsausgleiche, die von Parkerleichterungen über Erleichterungen im öffentlichen Verkehr bis hin zur Befreiung von Rundfunkgebühren reichen können.
Streitigkeiten aus dem SGB IX finden sich sowohl im Bereich der Eingliederung von Menschen mit Behinderung bzw. solchen, die davon bedroht sind als auch im Recht der Schwerbehinderung. Festzustellen ist allerdings, dass der erstere Personenkreis häufig finanziell nur eingeschränkte Mittel zur Verfügung hat und daher den Gang zum Anwalt scheut. Vielfach sind es indes Einrichtungen, die für die Betroffenen tätig werden, da Zuständigkeiten nicht immer eindeutig sind.

Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist dagegen ein in der Beratung regelmäßig auftretendes Verfahren, da aufgrund der besonderen Erleichterungen in anderen Bereichen hier ein erhebliches Interesse besteht.

Die Abrechnung erfolgt entsprechend der gesetzlichen Regelung mit Rahmengebühren – der Rechtsweg führt zu den Sozialgerichten.

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