Grußwort der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries, MdB
Verleihung des Karikaturpreises der Deutschen Anwaltschaft an Gerhard Haderer am 7. September 2006 in Berlin
Sehr geehrter Herr Dombek,
liebe Frau Grütters,
sehr geehrter Herr Haderer,
meine Damen und Herren,
Juristen und Humor – das ist so eine Sache. Die Nicht-Juristen trauen uns in dieser Hinsicht wenig zu. Wir gelten da zumeist als Spaßbremsen. Das ist kein Wunder, schließlich sind es Juristen, die festlegen, wo die Grenze zwischen Scherz und Straftat verläuft; sie bestimmen, wann die Satire zur Beleidigung wird.
Wenn Juristen Anlass zum Schmunzeln geben, dann geschieht das meistens unfreiwillig. Zum Beispiel durch unsere Sprache. Der verrückt gewordene Grenzstein, von dem in § 919 des BGB die Rede ist, ist ein Klassiker. Die groteske Wortakrobatik, mit dem das Reichsgericht einst definiert hat, was eine Eisenbahn ist, gehört ebenfalls dazu.
Auch Streitgegenstände können es in sich haben: Wenn Gerichte darüber entscheiden, ob die spezifische Gestik von Gartenzwergen ehrverletzende Wirkung hat, dann lässt sich Heiterkeit kaum vermeiden. Ernst wird die Sache allerdings, wenn Juristen mit Vorsatz komisch sein wollen.
Dann wird schon mal das Treiben von Max und Moritz jugendstrafrechtlich begutachtet oder ein Urteil in Versform abgesetzt. Der Großmeister der Zivilprozessordnung Hans Putzo findet das allerdings gar nicht lustig. Sein Verdikt in der NJW: „Bei Urteilen jedenfalls hört der Spaß auf.“
Juristen haben es also mit dem Humor nicht so einfach. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat deshalb gut daran getan, die Sache out-zusourcen und qualifizierten Sachverstand von außen heranzuziehen. Ihr Karikaturpreis erinnert uns alle zwei Jahre daran, dass es noch andere Formen der kritischen Auseinandersetzung gibt als den anwaltlichen Schriftsatz.
Gerhard Haderer – dem ich zu seinem Preis vielmals gratuliere – ist einer der Großen seiner Zunft. Die schönen Bösartigkeiten, die er seit 15 Jahren Woche für Woche im „stern“ veröffentlicht, haben ihn bei uns populär gemacht. Seine Lieblingsopfer sind Politiker und Kirchenleute, Reaktionäre und Spießer aller Art.
Mit seinem beißenden Spott macht er sich allerdings nicht nur Freunde. Ich denke etwa an seine Jesus-Biographie. Dort erzählt er die Lebensgeschichte Jesu in Wort und Bild auf seine Art neu. Das Buch hat zu heftiger Kritik der katholischen Kirche geführt und vereinzelt sogar die Justiz auf den Plan gerufen.
Wie weit Satire in Sachen Religion gehen darf, ist keine einfache Frage. Die gewaltsamen Reaktionen auf die dänischen Mohammed-Karikaturen haben sie jüngst in bedrückender Form neu aufgeworfen.
War diese religiös motivierte Empörung eine Attacke der Intoleranz? War das ein Angriff auf die Kunstfreiheit, dem der Westen mutig die Stirn bieten muss? Oder sollte eine multi-religiöse Gesellschaft dem Religionsschutz ein stärkeres Gewicht geben, um dadurch den öffentlichen Frieden zu bewahren?
Wenn es nach Kurt Tucholsky ginge, dann dürfte die Satire schlichtweg „alles“. Ganz so einfach ist die Sache wohl nicht. Aber klar ist auch: Individuelle religiöse Gefühle können nicht maßgebend sein. Dann würde ja die besondere Empfindlichkeit Einzelner darüber bestimmen, wo die Kunstfreiheit ihre Grenzen findet. Außerdem gilt in einem demokratischen Staat: Je stärker der Anspruch einer Religion ist, auch das gesellschaftliche und politische Leben zu beeinflussen, umso eher muss sie sich auch Kritik gefallen lassen – und zwar auch in Form von Satire und Karikatur.
All dies sind ernste Themen, aber so wichtig sie auch sind – wir dürfen darüber den Humor nicht verlieren. Erich Kästner hat einmal gesagt:
„Was auch passiert,
Nie darfst Du so tief sinken,
Von dem Kakao,
Durch den man Dich zieht,
Auch noch zu trinken!“
Die deutsche Anwaltschaft hält es gerade umgekehrt. Sie lässt sich von Gerhard Haderer nicht nur karikieren, sie ist auch selbstbewusst genug, ihm einen Preis zu verleihen. Nehmen wir heute Abend also einen genüsslichen Schluck von dem Kakao, durch den wir von Haderer so leidenschaftlich und so kunstvoll gezogen werden.