OLG statt AG adressiert: Fristversäumnis ist Anwaltsverschulden
Die Beschwerde ging einen Werktag vor Fristablauf ans falsche Gericht. Bis dieses ans richtige Gericht weitergeleitet hatte, war es zu spät. Der Anwalt haftete.
Wird eine Beschwerde beim unzuständigen Gericht eingereicht, so ist nicht zu erwarten, dass dieses den Schriftsatz sofort weiterleitet, so der BGH. Insbesondere bei Eingang der Beschwerde einen Werktag vor Fristablauf sei die Verfristung daher regelmäßig nicht dem weiterleitenden Gericht anzulasten. Außerdem erinnerte der BGH Anwältinnen und Anwälte noch einmal daran, Rechtsmittelschriften vor der Versendung per beA - auch bei Übertragung der Übermittlung an das Büropersonal - sorgfältig auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Dies umfasse auch das richtige Gericht als Adressaten (Beschl. v. 23.10.2024, Az. XII ZB 576/23).
Vertreterin versendet ans falsche Gericht
In einer Scheidungsangelegenheit wollte ein Anwalt für seinen Mandanten Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts einlegen – wobei der richtige Adressat das AG selbst gewesen wäre. Der Beschluss ging jedoch an einem Freitag beim OLG ein, erst Montag (an dessen Ende die Frist ablief) leitete das OLG die Sache ans AG weiter – auf dem Postweg. Als die Beschwerde das AG zwei Tage später erreichte, war es somit zu spät, das AG verwarf die Beschwerde als verfristet. Mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung hatte der Anwalt nun weder vor dem OLG noch letztlich beim BGH Erfolg.
Zur Begründung hatte er vorgetragen, den Versand der Beschwerde vor seiner Urlaubsabwesenheit seiner „seiner langjährigen und stets zuverlässigen Mitarbeiterin“ übertragen zu haben. Zudem hätten zwischen Eingang beim OLG und Fristablauf noch anderthalb Werktage gelegen. Es sei somit mehr als genug Zeit gewesen, um die Beschwerdeschrift noch innerhalb der Frist elektronisch an das AG weiterzuleiten. Keinesfalls habe das OLG den längeren Postweg nutzen dürfen – dadurch habe es seine „deutlich erhöhte prozessuale Fürsorgepflicht“ verletzt. Zumindest hätte das OLG ihm mitteilen müssen, dass er Schriftsatz falsch adressiert und über die Weiterleitung ein rechtzeitiger Eingang nicht mehr zu erwarten war.
BGH: So schnell müssen Gerichte nicht weiterleiten
So wie schon das OLG sah auch der BGH hier jedoch ein Verschulden des Anwalts und versagte deshalb die Wiedereinsetzung.
Zunächst betonte er, bezugnehmend auf seine ständige Rechtsprechung, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eine Rechtsmittelschrift vor der Unterzeichnung bzw. vor der Versendung über das beA auch auf die richtige Bezeichnung des zuständigen Gerichts hin selbst kontrollieren müssten. Diese Endkontrolle könnten sie nicht auf Mitarbeitende übertragen. Dabei komme es nicht darauf an, ob ein Anwalt die Beschwerdeschrift selbst qualifiziert elektronisch signiert habe oder seine von ihm beauftragte Mitarbeiterin. Im konkreten Fall jedenfalls hatte nachweislich keine solche Endkontrolle stattgefunden.
Auch dem OLG sei hier kein Fehlverhalten anzulasten. Die Frage, ob das Gericht möglicherweise den schnelleren elektronischen Übermittlungsweg über das Elektronische Gerichts- und Behördenpostfach anstelle des langsamen Postwegs hätte nutzen müssen, könne dahinstehen. Denn unter Umständen wie diesen sei eine fristgerechte Weiterleitung im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht zu erwarten gewesen. Vielmehr sei üblicherweise damit zu rechnen, dass der Schriftsatz überhaupt erst am nächsten Werktag dem Richter bzw. der Richterin vorgelegt werde. Die daraufhin erfolgte richterliche Verfügung – Weiterleitung an das richtige Gericht - werde dann üblicherweise einen weiteren Werktag später umgesetzt. Dass es hier sogar schneller gegangen sei, ändere daran nichts. Denn gehe ein fristgebundener Schriftsatz erst einen (Werk-)Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht ein, sei es den Gerichten daher regelmäßig nicht anzulasten, dass dessen Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim zuständigen Gericht geführt habe.