Arbeitnehmerin hat anderen Verdienst nicht böswillig unterlassen
Zwei Kündigungen waren unwirksam, doch für den ausgefallenen Verdienst will das DRK nicht zahlen – muss es aber, so das BAG.
Ist eine Kündigung unwirksam, muss der Arbeitgeber den Differenzbetrag zwischen Arbeitslosengeld und Gehalt (Annahmeverzugslohn nach § 297 BGB) grundsätzlich zahlen – es sei denn, der Arbeitnehmer hat einen anderweitigen Verdienst „böswillig unterlassen“. In diesem Fall musste eine gekündigte Arbeitnehmerin aber die Angebote auf Weiterbeschäftigung nicht annehmen: Das erste sei wegen eines zu geringen Verdienstes unzumutbar gewesen, das zweite wegen einer zwischenzeitlich erfolgten fristlosen verhaltensbedingten Kündigung (Urt. v. 15.01.2025, Az. 5 AZR 135/24).
Erst Änderungskündigung, dann fristlose Kündigung
Das DRK und eine Verwaltungsangestellte streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. April 2021 bis zum 14. Februar 2023. Der Angestellten wurde zunächst eine Änderungskündigung ausgesprochen, wonach sie künftig 15 statt 28 Stunden pro Woche arbeiten solle und möglicherweise eine andere Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort zugewiesen bekommen solle. Sie klagte dagegen und meldete sich arbeitslos. Während ihrer Arbeitslosigkeit bewarb sie sich auf alle Vorschläge der Arbeitsagentur, außerdem auf die ihrer ehemaligen Arbeitgeberin und schrieb zahlreiche Initiativbewerbungen – alle erfolglos.
Nachdem sie einen Antrag auf Erlass eines Bußgeldes gegen das DRK wegen einer falsch ausgestellten Arbeitsbescheinigung gestellt hatte, kündigte das DRK ihr am 5. Mai verhaltensbedingt fristlos. Zur Begründung trug das DRK vor, der Antrag sei unverhältnismäßig, was das Vertrauensverhältnis „weiter sehr stark beeinträchtige“. Auch hiergegen klagte die Frau. Im September 2022 bot das DRK ihr dann erneut eine Weiterbeschäftigung zu den Konditionen der ersten Änderungskündigung an, was die Mitarbeiterin jedoch ablehnte. Am Ende erkannte das DRK den Anspruch der Frau an und beschäftigte sie weiter. Nun ging es lediglich noch um den Annahmeverzugslohn.
BAG: Arbeitsangebote des DRK waren nicht zumutbar
Das BAG sprach der Frau nun den Differenzbetrag zum ehemaligen Gehalt wegen des Annahmeverzugs durch das DRK in voller Höhe zu. Es sei keine Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG vorzunehmen. Denn es sei der Verwaltungsangestellten zu keinem Zeitpunkt zuzumuten gewesen, gemäß den Bedingungen des Änderungsangebots bei dem DRK zu arbeiten. § 11 Nr. 2 KSchG bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer auf das Gehalt das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Böswillig handele ein Arbeitnehmer, wenn er während des Annahmeverzugs vorsätzlich untätig bleibe, eine ihm eine zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnehme bzw. die Aufnahme bewusst verhindere.
Für die Zeit vom 1. April bis zum 4. Mai 2021 hatte das DRK ihr eine Tätigkeit zu den Bedingungen der Änderungskündigung angeboten. Der dabei zu erzielende Verdienst hätte jedoch unter dem Anspruch auf Arbeitslosengeld gelegen. Die Beschäftigung zu diesen Konditionen sei schon aus diesem Grund nicht zumutbar gewesen. Mit Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 5. Mai 2021 habe das DRK dann zu erkennen gegeben, dass es die ehemalige Mitarbeiterin nicht mehr beschäftigen wolle. Somit habe das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot zunächst nicht mehr bestanden.
Erst zum 9. September habe das DRK ihr dann erneut die Stelle zu den neuen Bedingungen angeboten, wobei der Verdienst geringfügig über dem ALG I gelegen hätte. Es könne aber dahinstehen, ob es sich hier um ein ernsthaftes Angebot gehandelt habe, so das BAG. Denn jedenfalls sei der Frau die Beschäftigung beim alten Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt schon wegen besagter fristloser verhaltensbedingter Kündigung nicht mehr zumutbar gewesen. Schließlich habe sich das DRK von den in der Kündigung erhobenen Vorwürfen gravierenden Fehlverhaltens nicht distanziert oder erklärt, wie man sich nach alledem konkret eine weitere Zusammenarbeit vorstellen könne.
Ein böswilliges Unterlassen von anderweitigem Verdienst komme laut BAG auch nicht aufgrund unzureichender Bewerbungsbemühungen in Betracht. Die Frau habe schließlich auf alle Vermittlungsvorschläge reagiert und zusätzlich Initiativbewerbungen geschrieben.