Anwaltliches Wissen wird Mandant zugerechnet
Weiß nur die Anwältin, wie der Inhalt eines Vergleichs lautet, stimmt diesem aber zu, wird ihr Wissen dem Mandanten zugerechnet.
Hat eine Partei in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Anwältin der Gegenseite klargestellt, wie ein von ihr eingereichter Vergleichsvorschlag zu verstehen ist, muss sich die Gegenseite dieses Wissen ihrer Anwältin nach § 166 Abs. 2 BGB zurechnen lassen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Werde der Vergleichsvorschlag daraufhin angenommen, hätten sich die Parteien wirksam über diesen Inhalt geeinigt (Urt. v. 15.03.2024, Az. 14 Sa 499/23).
Ein ehemaliger Flugschüler hatte auf Rückzahlung seiner gezahlten Ausbildungskosten geklagt, nachdem die Schule seine Ausbildung coronabedingt abgebrochen hatte. Während des Gerichtsverfahrens wurden einige Vergleichsvorschläge ausgetauscht – so auch in der letzten mündlichen Verhandlung, in welcher lediglich die Anwältin, nicht aber der Schüler anwesend war. In diesem Termin stellte die Gegenseite noch einmal klar, dass ihr aktueller Vergleichsvorschlag nur die Rückzahlung der Ausbildungskosten in Höhe von 80.000 Euro vorsah, nicht jedoch die der Verwaltungskosten in Höhe von 3.000 Euro. Der Vergleich enthielt zudem eine Abgeltungsklausel. Der Schüler stimmte über seine Anwältin dem Vorschlag zu. Später jedoch verlangte er die 3.000 Euro Verwaltungskosten von der Flugschule. Er meinte, die Verwaltungskosten seien Teil der zurückzuzahlenden Schulungskosten. Damit hatte er aber weder vor dem Arbeitsgericht noch in der Berufung Erfolg.
LAG: Mandant muss sich Wissen der Anwältin zurechnen lassen
Das LAG stellte fest, dass die Parteien sich explizit darüber geeinigt hätten, dass der Vergleich gerade nicht die Verwaltungskosten umfasse. Schon aufgrund der bei Gericht erfolgten mündlichen Äußerungen lasse sich ein übereinstimmender Wille feststellen. Das Angebot der Gegenseite sei in der mündlichen Verhandlung eindeutig auf die Rückzahlung ohne die Verwaltungskosten gerichtet gewesen, die Anwältin habe dies auch gewusst. Deren Wissen sei ihrem Mandanten nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Diese Zurechnungsnorm sei auf Prozessbevollmächtigte im Rahmen des Mandats anzuwenden. Das Angebot habe der Mandant auch über seine Anwältin annehmen lassen.
Darüber hinaus ergebe auch eine Auslegung des wirksam zustande gekommenen Vertrags nichts anderes. Dem Text lasse sich durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB entnehmen, dass die Verwaltungskosten ausgenommen sein sollten. Es seien nur die „Schulungskosten“ im Text erwähnt, „Verwaltungskosten“ hingegen nicht. Bereits im Rahmen ihrer Verhandlungen und Entwürfe hätten die Parteien immer zwischen Schulungskosten und Verwaltungskosten unterschieden. Damit fielen die Verwaltungskosten unter die Abgeltungsklausel.