BGH-Entscheidung

BGH hält Verurteilung wegen NSU-Verbrechen aufrecht: Beate Zschäpe war Mittäterin

Es gab nicht einmal eine mündliche Verhandlung: Der BGH hat die Revisionen der Rechtsterroristin Beate Zschäpe sowie von zwei Unterstützern des NSU-Trios verworfen. Damit steht fest: Sie war Mittäterin u.a. bei 10 Morden, obwohl sie nie am Tatort war.

18.08.2021News

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Verurteilung von Beate Zschäpe durch das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigt und ihre Revision ganz weit überwiegend durch Beschluss verworfen (Beschl. v. 12.08.2021 – 3 StR 441/20).

Eine geringfügige Änderung des Schuldspruchs zu einzelnen Taten wirkt sich auf das Gesamtergebnis nicht aus: Die einzige Überlebende des rechtsextremistischen selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ist schuldig des Mordes und versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen, des vollendeten und versuchten schweren besonders schweren Raubs, der besonderen schweren räuberischen Erpressung und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie weiterer Delikte.

Da zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, ist es praktisch ausgeschlossen, dass die ehemalige Terroristin nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden würde. Die Revisionen von zwei Unterstützern des NSU, die u. a. die Tatwaffe beschafft hatten, hat der BGH ebenfalls verworfen. Die Waffe hatte der zwischen 2000 und 2007 begangenen beispiellosen bundesweiten Mordserie an Menschen mit Migrationshintergrund zunächst den Namen „Ceska-Morde“ eingebracht. 

Tatherrschaft und großes Eigeninteresse an den Verbrechen

Verhandeln wird der BGH, wie von Beobachtern schon zuvor erwartet, nur über die Revision der Bundesanwaltschaft gegen das Urteil des OLG München gegen André Eminger. Der ehemalige NPD-Funktionär war nur zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen  Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag, zum Raub und wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in je zwei Fällen verurteilt worden. Er soll dem NSU-Trio nah gestanden und u. a. ein Wohnmobil angemietet haben, mit dem die inzwischen verstorbenen Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für einen Bombenanschlag nach Köln gefahren waren. Die Bundesanwaltschaft hatte auf Beihilfe zum versuchten Mord und zu den Raubüberfällen plädiert und ein Strafmaß von 12 Jahren Freiheitsstrafe gefordert. Es entspricht üblichen Gepflogenheiten, über Revisionen der Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten mündlich zu nicht durch Beschluss zu entscheiden, sondern mündlich zu verhandeln.

Juristisch bemerkenswert ist der Mammutprozess, dessen Bearbeitung vor dem OLG München mehr als fünf Jahre und über 400 Verhandlungstage in Anspruch nahm, weil das OLG Beate Zschäpe im Jahr 2018 als Mittäterin an den Mordanschlägen, Bombenattacken und Raubüberfällen verurteilt hat, obwohl sie in keinem einzigen Fall am Tatort war. Die Verteidiger der Rechtsterroristin hatten stets auf Beihilfe plädiert, ihre Revision stützte sich mit der Sachrüge vor allem darauf, dass reine Vorbereitungshandlungen nicht genügten, um einen Beitrag zu den Taten zu leisten, der eine mittäterschaftliche Zurechnung rechtfertigen würde.

Der 3. Strafsenat, der zentral für alle Staatsschutzsaschen zuständig ist, konnte dem jedoch nichts abgewinnen. Die Feststellungen des OLG, dass Zschäpe an jeder einzelnen Tat mitgewirkt habe, beruhten auf Schlussfolgerungen, die „rational nachvollziehbar und in hohem Maße plausibel“ sind, so der 3. Senat.

Auch die rechtlichen Konsequenzen, die das OLG München daraus gezogen hat, trägt der BGH-Senat mit: Die wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände führe zu einer mittäterschaftlichen Begehung durch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Zschäpe, die den beiden Männern, mit denen sie zusammenlebte, den Anschein einer bürgerlichen Existenz verschaffte, während sie 10 Menschen töteten, Bombenanschläge und Raubüberfälle begingen, habe sowohl Tatherrschaft als auch ein ausgeprägtes eigenes Interesse an der Begehung der Verbrechen gehabt.

Zschäpes Beitrag: Legendierung, Beweismittelvernichtung, Tatbekennung

Sie habe auf die Planung der einzelnen Taten ebenso maßgeblich Einfluss gehabt wie auf den gemeinsamen Tatentschluss und den weiteren Willen ihrer beiden Komplizen, die Taten zu begehen, so der 3. Strafsenat. Die Übereinstimmung des BGH mit der Argumentation des OLG München ist weitgehend: Auch die Karlsruher Richter stützen sich darauf, dass Zschäpe sozusagen den Rahmen um alles gezogen habe, was Mundlos und Böhnhardt taten.

Sie verschaffte ihnen ein Alibi im Rahmen ihrer bürgerlichen Existenz, wenn sie fort waren, um Anschläge zu begehen. Vor allem aber sagte sie zu, für den Fall, dass etwas schiefgehen würde, Beweismittel zu vernichten und dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit erfahren würde, dass der NSU hinter den Verbrechen steckte.

Genau das geschah schließlich im Jahr 2011, nachdem Böhnhardt und Mundlos aufgeflogen waren: Sie begingen Suizid und Zschäpe, die davon im Radio hörte, zündete die gemeinsame Wohnung an und veröffentlichte mehrere Bekennervideos. Erst diese führten dazu, dass die Serie an Morden und Anschlägen zum Nachteil vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund dem NSU zugeordnet wurde.

Ohne Zschäpes Beitrag hätte das Trio seine Ziele nicht erreichen können

Damit war eingetreten, was das Trio immer beabsichtigt hatte. Mit den Morden an willkürlich ausgewählten Menschen südländischer Herkunft wollten die Rechtsterroristen Angst und Schrecken verbreiten, Zschäpe genauso sehr wie ihre Mittäter, so der 3. Strafsenat. Sie alle wollten damit, wie der BGH es formuliert, eine „ihren nationalsozialistisch-rassistischen Vorstellungen entsprechende Änderung der Staats- und Gesellschaftsform Deutschlands“ erreichen. Dafür erschien es ihnen als der beste Weg, zwar die Serie hinter den bundesweiten Morden erkennbar zu machen, die Täterschaft des NSU aber erst viel später offenzulegen.

Vor diesem Hintergrund habe Zschäpe, indem sie während der Taten in der gemeinsamen Wohnung blieb, um notfalls sofort Beweismittel vernichten und Bekennervideos verschicken zu können, nicht nur im Planungsstadium an den Taten mitgewirkt, so der BGH. Sie habe vielmehr auch die Deliktsverwirklichung wesentlich beeinflusst und einen bedeutenden objektiven Tatbeitrag geleistet. Ohne ihr Verhalten hätten die drei Rechtsextremisten die Ziele, die sie mit ihren Taten verfolgten, nach Ansicht des BGH nicht erreichen können. Das Interesse an diesen Zielen spannt den Bogen, mit dem sowohl das OLG München als auch nun der BGH die Tatherrschaft und damit die Mittäterschaft Zschäpes begründen.

Der BGH betont, dass nicht schon die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung für sich gesehen zur Zurechnung ihrer Taten an das einzelne Mitglied führt. Ein weltanschaulich-ideologisches, religiöses oder politisches Ziel könne aber, so der Senat, durchaus doppelt wirken. Es bestimme einerseits den Charakter einer darauf ausgerichteten Gruppe und beeinflusse andererseits die Qualifikation der Tatbeteiligung als Täterschaft statt als Teilnahme.