BGH-Entscheidung

BGH zu „Hassrede“ bei Facebook: Keine Sperrung ohne Anhörung

Der BGH bestätigt, dass Facebook per AGB definieren darf, was es auf der Plattform als sagbar ansieht, und dabei auch strenger sein darf als das deutsche Strafrecht. Doch das soziale Netzwerk muss Nutzern die Möglichkeit zur Stellungnahme geben, bevor es Konten sperren darf.

29.07.2021Rechtsprechung

Facebook muss Nutzer darüber informieren, dass es ihre Posts wegen „Hassrede“ gelöscht hat. Soll ein Nutzerkonto komplett gesperrt werden, muss das soziale Netzwerk den betroffenen Nutzer vorher informieren und nach seiner Stellungnahme noch einmal neu über die beabsichtigte Sperrung entscheiden. Das entschied der Bundesgerichtshof am Donnerstag (Urt. vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 III ZR 192/20).

In den beiden Fällen, über die der III. Zivilsenat zu entscheiden hatte, verlangten Nutzer von Facebook, gelöschte Posts wieder herzustellen und zuzusagen, nicht noch einmal ihr Nutzerkonto zu sperren. Ihre von Facebook gelöschten Posts hatten äußerst abfällige Äußerungen über Menschen mit Migrationshintergrund enthalten. So hatten die beiden zum Beispiel (auszugsweise) gepostet, „Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert's! Da würde ich mir mal ein Durchgreifen des Verfassungsschutzes wünschen." Oder „DIE WERDEN SICH HIER NIE INTEGRIEREN UND WERDEN AUF EWIG DEM STEUERZAHLER AUF DER TASCHE LIEGEN … DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN … KLAUEN … RANDALIEREN … UND GANZ WICHTIG … NIE ARBEITEN."

Facebook löschte beide Posts und sperrte vorübergehend die Nutzerkonten. Die Äußerungen verstießen gegen das Verbot der Hassrede, so das Argument des Netzwerks, das den Begriff in seinen Gemeinschaftsstandards näher definiert. Deren Akzeptanz müssen die Nutzer per Klick bestätigen, um das Netzwerk nutzen zu können

Facebooks Regeln: wirksam einbezogen, strenger als das Strafrecht

Die Instanzgerichte hatten unterschiedlich entschieden. Der BGH hat Facebook nun verurteilt, die gelöschten Posts wiederherzustellen und zuzusagen, dass das Nutzerkonto der Klägerin nicht noch einmal deshalb gesperrt wird. Die entsprechenden Gemeinschaftsstandards seien wegen unangemessener Benachteiligung der Nutzer unwirksam, entschied der Senat unter Rückgriff auf § 307 Abs. 1 BGB, Facebook hätte auf dieser Grundlage nicht löschen und sperren dürfen.

Damit steht fest, dass Facebook nach Ansicht des BGH seine Nutzungsbedingungen – in diesem Fall eine Änderung – wirksam in die Verträge mit seinen Nutzern einbeziehen kann, wenn diese per Pop-up-Fenster den Button „Ich stimme zu“ klicken.  Außerdem hat der Senat abgesegnet, dass Facebook in seinen AGB „Hassrede“ verbieten, also für die Kommunikation über seine Plattform Standards aufstellen darf, die strenger sind als die Verbote des deutschen Strafrechts. Und schließlich darf das Netzwerk, wenn Nutzer diese Standards nicht einhalten, auch Posts entfernen und Nutzerkonten sperren, so der BGH. 

Und doch gehe es so wie geschehen nicht: Die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Nutzer auf der einen und der Berufsausübungsfreiheit von Facebook auf der anderen Seite ergebe, dass die Gemeinschaftsstandards für solche streitigen Vorgänge zumindest ein faires Prozedere vorsehen müssten.  

Dabei unterscheidet der Senat zwei Konstellationen: Wenn ein Post gelöscht wurde - häufig eine Entscheidung, die Plattformen schnell treffen müssen, zumal § 3 Abs. 2 Nr. Nr. 2 Netzwerkdurchsetzungsgesetz die Löschung offensichtlich rechtswidriger Inhalte binnen 24 Stunden vorschreibt, müssten Nutzer darüber zumindest nachträglich informiert werden. Wenn das Netzwerk beabsichtigt, ein Nutzerkonto komplett zu sperren, müsse der Nutzer zuvor Gelegenheit bekommen, sich dazu zu äußern; danach müsse Facebook noch einmal neu entscheiden. Fest steht damit auch, dass auf Facebook nun jede Menge mehr Aufwand zukommen dürfte.