BGH-Entscheidung

Cum-Ex-Deals: BGH bestätigt Strafbarkeit, Vorsatz und Einziehung

Cum-Ex-Deals verwirklichen den Straftatbestand der Steuerhinterziehung, die Erträge durften auch im Jahr 2020 noch eingezogen werden. Daran, dass die Beteiligten wussten und wollten, was sie taten, kann für den 1. Strafsenat des BGH „kein Zweifel bestehen“.

27.07.2021Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch entschieden, dass Cum-Ex-Aktiengeschäfte strafbar sind. Er hatte über Revisionen zweier Londoner Börsenhändler zu entscheiden, die sich gegen ein Urteil des Landgerichts Bonn wehrten, mit dem sie zu Bewährungsstrafen verurteilt worden waren. Das Strafmaß war bei beiden recht milde ausgefallen, weil sie umfänglich ausgesagt und die deutsche Justiz bei ihren Ermittlungen zu dem immensen Steuerschaden zum Nachteil des Staates unterstützt hatten. Beide hatten erstinstanzlich vor dem LG stets beteuert, sich nicht bewusst gewesen zu sein, dass sie sich strafbar machen könnten.

Doch der u.a. für Steuerstrafsachen zuständige 1. Strafsenat des BGH hat die Rechtsmittel der beiden nun verworfen. Er hat damit ihre Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung sowie Beihilfe dazu bestätigt: Tatsächlich nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage von Cum-Ex-Geschäften geltend zu machen, erfüllt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung (Urt. v. 28.07.2021, Az Az. 1 StR 519/20). Und beide Börsenhändler hätten auch vorsätzlich gehandelt.

Am Vorsatz kann „kein Zweifel bestehen“

Daran könne „kein Zweifel bestehen“, so der BGH: Schließlich hätten sie gemeinsam mit anderen Verantwortlichen von der MM Warburg Bank zwischen 2007 und 2011 jeweils um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt. Dabei sei schon damals eindeutig gesetzlich geregelt gewesen, dass nur tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung beim Finanzamt angemeldet werden darf.

Die Angeklagten aber hätten auf der Grundlage von Cum-Ex-Geschäften deutsche Finanzbehörden dazu veranlasst, angeblich gezahlte Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu erstatten, die tatsächlich gar nicht gezahlt worden war. Dazu hatte die MM. Warburg Bank von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. "Cum-Aktien") gekauft. Die Leerverkäufer lieferten dann ohne Dividendenanspruch (sog. "Ex-Aktien") und leisteten zur Kompensation eine Ausgleichszahlung an die Bank. Für diese sog. Dividendenkompensationszahlung fiel ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer an.

Alle Beteiligten, immerhin Bankkaufleute, wussten, so der Senat, dass diese Steuer weder auf Seiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Die Warburg Bank stellte sich dennoch selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen sie - fälschlicherweise – bestätigte, die Steuer einbehalten zu haben. Nachdem sie diese Bescheinigungen bei den Finanzbehörden vorlegte, erstatteten diese an die Bank zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro, die zuvor nie einbehalten worden waren.

Ab dem Jahr 2009 professionalisierten die Beteiligten die Deals: Eigens zu diesem Zweck gegründete Fonds übernahmen die Rolle des Leerkäufers und erhielten, bei im Übrigen gleichem Vorgehen, weitere 226 Millionen Euro von den Finanzbehörden.

Einziehung war nicht wegen Verjährung ausgeschlossen

Auch die Revisionen der MM Warburg Bank sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LG Bonn hat der BGH verworfen. Die Bank hatte sich wie auch der hauptangeklagte Börsenhändler gegen die Entscheidung zur Einziehung von Taterträgen gewehrt und sich dabei unter anderem auf Verjährung berufen.

Bei der Bank als Einziehungsbeteiligter hatte das LG Bonn rund 176 Millionen Euro eingezogen, bei dem Börsenhändler ca. 14 Millionen Euro. In dieser Höhe hatte er nach den Feststellungen des Gerichts von den Geschäften profitiert, während der andere Angeklagte an den Profiten nicht beteiligt war. Das LG hatte eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet, gegen die die Staatsanwaltschaft Revision einlegte. Wie das gesamte Urteil des LG Bonn bestätigte der BGH auch dessen Einziehungsanordnung.

Die Höhe der Einziehungsbeträge sei zutreffend ermittelt, die Einziehung auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen gewesen. Das habe jedenfalls die durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21. Dezember 2020 neu eingeführte Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB verhindert, so der Senat. Die Vorschrift hat die Einziehung auch für Ansprüche für möglich erklärt, die durch Verjährung erloschen sind.