Kanzlei hätte zuvor Änderungskündigung ansprechen müssen
Kanzlei hätte zuvor Änderungskündigung ansprechen müssen
Das LAG Köln hat entschieden, dass die ordentliche Kündigung eines angestellten Rechtsanwalts unwirksam ist, wenn eine zumutbare Änderungskündigung zuvor nicht angesprochen wurde. Die Konfrontation mit dieser Möglichkeit hätte den Anwalt möglicherweise dazu bewogen, sich doch dem für ihn weniger interessanten Bereich der Massenverfahren zuzuwenden. Auch ein behaupteter Wettbewerbsverstoß wegen einer in der Nachbarstadt aufgenommenen Tätigkeit rechtfertigte keine außerordentliche Kündigung (Urt. v. 24.04.2025, Az. 7 Sa 347/24).
Kündigung ohne vorherige Konfrontation mit Änderungskündigung
Eine Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft, spezialisiert auf die Bearbeitung von Massenverfahren insbesondere zum Dieselskandal und zu Wirecard, hatte einem angestellten Anwalt zunächst ordentlich gekündigt. Wegen angeblicher finanzieller Schwierigkeiten habe man seinen Geschäftsbereich „Versicherungsrecht und allgemeines Zivilrecht“ geschlossen, damit sei das Beschäftigungsbedürfnis entfallen. Nach Angaben der Arbeitgeberin habe man dem betroffenen Juristen mehrfach angeboten, in den Massenverfahren tätig werden zu können, was er abgelehnt habe. Einen alternativen Arbeitsplatz habe es im Zeitpunkt der Kündigung nicht gegeben.
Später erklärte die Arbeitgeberin eine weitere, diesmal außerordentliche Kündigung. Zur Begründung wurde angeführt, der Jurist habe im Anschluss an die Kündigung in einer anderen Kanzlei gearbeitet und dort alte Mandanten abgeworben – dies sei als unzulässige Wettbewerbshandlung zu werten.
Der gekündigte Anwalt machte hingegen geltend, weder habe er eine Beschäftigung in Massenverfahren kategorisch abgelehnt, noch habe er Mandanten der vormaligen Kanzlei aktiv abgeworben. Die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin sei im Übrigen keineswegs so kritisch gewesen, wie behauptet. Dies belegten öffentliche Aussagen des Geschäftsführers sowie zahlreiche Stellenausschreibungen und Neueinstellungen.
Die Kanzlei verlor sowohl vor dem ArbG als auch vor dem LAG Köln. Das Arbeitsverhältnis sei weder durch die ordentliche noch durch die außerordentliche Kündigung beendet worden.
Beide Kündigungen unwirksam
Hinsichtlich der ersten Kündigung stellte das Gericht fest, dass diese gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt sei. Der Arbeitgeber habe es unterlassen, eine Änderungskündigung auszusprechen, obwohl diese als milderes Mittel in Betracht gekommen sei. Auch wenn ein Arbeitnehmer zuvor erklärt habe, eine bestimmte Tätigkeit nicht übernehmen zu wollen, müsse die Möglichkeit einer Änderungskündigung dennoch angesprochen werden. Dies sei hier nicht erfolgt.
Zudem habe die Arbeitgeberin nicht schlüssig dargelegt, dass eine anderweitige Weiterbeschäftigung des Juristen unmöglich gewesen sei. Die Argumentation sei insbesondere im Lichte der von dem Arbeitnehmer vorgelegten umfangreichen Stellenausschreibungen und unbestrittenen Neueinstellungen widersprüchlich und daher unerheblich. Die Berufungskammer ging daher in Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO davon aus, dass es zum Kündigungszeitpunkt freie Stellen gegeben habe.
Auch die zweite, außerordentliche Kündigung hielt das Gericht für unwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sei nicht ersichtlich. Zwar sei anerkannt, dass Arbeitnehmer während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens keine Wettbewerbshandlungen entfalten dürften. Allerdings seien gekündigte Arbeitnehmer zur Vermeidung eines böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes (§ 615 Satz 2 BGB) verpflichtet, sich um neue Beschäftigung zu bemühen. Die bloße Tätigkeit bei einer anderen Kanzlei genüge daher nicht für einen Wettbewerbsverstoß. Für den Arbeitnehmer spreche auch, dass er in einer anderen Stadt tätig und zudem auf einem Rechtsgebiet tätig sei, das die (alte) Arbeitgeberin nach eigener Darstellung nicht mehr bearbeite. Dass der Jurist tatsächlich aktiv alte Mandantinnen und Mandanten abgeworben habe, sei nicht substantiiert genug vorgetragen worden.