LAG Hessen bejaht Kündigungsschutz für Ex-Geschäftsführer
Ein Ex-Geschäftsführer, dessen Organstellung bei Zugang einer Kündigung nicht mehr besteht, kann sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen.
Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat entschieden, dass ein ehemaliger Geschäftsführer nach seiner Abberufung wieder voll dem Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) unterlag. Die Ausnahme des § 14 Abs.1 Nr.1 KSchG, wonach das Angestellte in leitender Stellung vom Kündigungsschutz ausgenommen seien, komme zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht (Urt. v. 24.01.2025, Az. 8 Sa 153/24).
Der Ex-Geschäftsführer war seit April 2021 als „Vice President für A“ bei der beklagten Gesellschaft angestellt. Vertragsgrundlage war ein Arbeitsvertrag, der zugleich die Basis für seine Bestellung als Geschäftsführer darstellte. Im November 2022 wurde ihm seine bevorstehende Abberufung angekündigt, Anfang Dezember wurde der Nachfolger offiziell benannt. Nach außen sichtbar wurde der Kläger fortan als „Special Project Manager“ geführt, nahm jedoch keine Tätigkeit in dieser Funktion wahr. Nach Widerruf seiner Geschäftsführerbestellung und Austragung aus dem Handelsregister erhielt er eine Kündigung. Dagegen klagte der Familienvater – sein ehemaliges Unternehmen habe keine Kündigungsgründe im Sinne des KSchG angeführt.
Das ArbG Darmstadt lehnte aber einen weitergehenden Kündigungsschutz mit Verweis auf
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ab. Danach gilt der Kündigungsschutz nicht „in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist“.
Kündigungsschutzgesetz nach Abberufung als Geschäftsführer anwendbar
Das LAG Hessen gab der dagegen eingelegten Berufung hingegen größtenteils statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam gekündigt war. Entscheidend war nach Ansicht des Gerichts, dass der Ex-Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs offiziell nicht mehr Organvertreter des Unternehmens war. Die Kündigung habe damit ein normales Arbeitsverhältnis betroffen. Dieses habe den allgemeinen Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unterlegen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Weil das Unternehmen aber keine Kündigungsgründe vorgetragen hatte, sei die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam gewesen (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Die Kammer wandte sich damit ausdrücklich gegen die vom Arbeitsgericht vertretene Auslegung, wonach allein das Abstellen auf das zu kündigende Vertragsverhältnis reichen sollte, damit § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zur Anwendung gelangt. Eine Ausdehnung der Negativfiktion auf einen nicht mehr bestellten Geschäftsführer sei weder vom Wortlaut, systematischen Kontext noch dem Sinn und Zweck der Norm gedeckt. Maßgeblich sei ausschließlich die tatsächliche Stellung des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Personen, die im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr als Arbeitgeber aufträten, sollten wieder geschützt werden. Nicht relevant sei danach, dass der Vertrag ursprünglich mit einer Geschäftsführerstellung verbunden gewesen sei.
Selbst wenn man – entgegen der richterlichen Auffassung – auf das Fortbestehen des ursprünglichen Vertrags abstellen wollte, könne § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nur dann greifen, wenn der Arbeitsvertrag ausschließlich für die Organstellung abgeschlossen worden wäre. Das sei hier nicht der Fall gewesen: Der Vertrag enthielt ausdrücklich eine Klausel zur anderweitigen Beschäftigung, wonach dem Ex-Geschäftsführer auch gleichwertige Tätigkeiten außerhalb des Geschäftsführeramts zugewiesen werden konnten. Sein Arbeitgeber hatte von dieser Möglichkeit nach der Abberufung sogar Gebrauch machen wollen und nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht. Eine vollständige Bindung des Arbeitsverhältnisses an die Organstellung habe daher nicht bestanden.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen. Eine höchstrichterliche Klärung durch das BAG steht noch aus.