Hochwasserkatastrophe

Nach dem Unwetter: Insolvenzantragspflicht für geschädigte Unternehmen wird ausgesetzt

Unternehmen, die die Unwetter im Juli in finanzielle Not geraten sind, müssen unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 31. Oktober keinen Insolvenzantrag stellen. Entfällt eine der Voraussetzungen, lebt die Antragspflicht aber sofort wieder auf.

03.08.2021News

Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, die Insolvenzantragspflicht für von der Unwetterkatastrophe im Juli 2021 betroffene Unternehmen auszusetzen. So soll verhindert werden, dass Unternehmen mit an sich tragfähigen Geschäftsmodellen, die unverschuldet durch die Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in finanzielle Not geraten sind, Insolvenz anmelden müssen, teilte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Begründung mit. 

Betriebsunterbrechungen sowie Schäden an Anlage- oder Vorratsvermögen könnten Unternehmen auch dann in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, wenn deren geschäftliche und finanzielle Situation zuvor solide war und keine Schwierigkeiten erwarten ließ, heißt es in der Begründung der Formulierungshilfe aus dem BMJV, die die Bundesregierung nun beschlossen hat. Um die nötigen Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen zu führen, öffentliche Hilfen geltend zu machen oder Versicherungsleistungen abzurufen, die eine Insolvenzantragspflicht abwenden könnten, bräuchten die Unternehmen Zeit. Die soll ihnen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verschaffen. Die Bundesregierung zieht damit denselben Joker wie wegen der Corona-Pandemie, die zuvor verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war erst zum 30. April ausgelaufen. Nun sollen aber gezielt nur Unternehmen von der Maßnahme profitieren, die von den verheerenden Unwettern betroffen waren.

Die Regelung soll rückwirkend ab dem 10. Juli 2021 zunächst bis zum 31. Oktober 2021 gelten. Der Entwurf sieht aber eine Verordnungsermächtigung für das BMJV vor, das die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht darüber hinaus durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats längstens bis zum 31. März 2022 verlängern könnte. Das behält das Ministerium sich für den Fall vor, dass die Schadensschätzungen, Entschuldungskonzepte und Verhandlungen, die Bearbeitung von Anträgen auf Bewilligung öffentlicher Hilfen oder die Auszahlung von Leistungen sich „wider Erwarten“ in vielen Fällen über diesen Zeitpunkt hinaus verzögern sollten.

Antragspflicht lebt wieder auf, wenn Verhandlungen endgültig scheitern

Die beschlossene Formulierungshilfe zum „Entwurf eines Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021“ setzt die - für die Unternehmensleitung strafbewehrte - Pflicht aus, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer juristischen Person oder Personengesellschaft spätestens innerhalb von drei Wochen (bei Zahlungsunfähigkeit) oder sechs Wochen (bei Überschuldung) einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Insolvenzordnung; InsO). Derselben Pflicht unterliegen grundsätzlich, wenn auch ohne Strafbewehrung, auch die Vorstände von Vereinen und anderen Rechtsträgern wie Stiftungen (§ 42 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB).

Befreit werden können davon nun Unternehmen, deren Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder des Hochwassers im Juli 2021 beruht und die ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen führten, so dass dadurch begründete Aussichten auf eine Sanierung bestehen.

Auch wenn das Unternehmen schon vor dem 10. Juli in Schwierigkeiten war, kann es von der Aussetzung der Antragspflicht profitieren, wenn die Probleme für sich genommen noch nicht zur Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führten. Es muss aber ausweislich der Begründung zu dem Papier in jedem Fall ernsthafte Verhandlungen mit Banken, Entschädigungsfonds, Versicherungen, der öffentlichen Hand etc. führen, die noch nicht endgültig gescheitert sein dürfen.

Scheitern die Verhandlungen vor dem 31. Oktober 2021 endgültig oder werden sie anderweitig beendet, endet auch die Aussetzung der Antragspflicht. Es muss ferner aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Organs eine begründete Aussicht darauf bestehen, dass das Unternehmen nach Erreichen eines Entschuldungskonzepts, nach Feststellung und Gewährung von Versicherungsleistungen oder nach der Zusage von staatlichen oder karitativen Entschädigungsleistungen überlebensfähig ist.

Die Formulierungshilfe betont, dass nicht das Insolvenzrecht zur Gänze, sondern allein die Antragspflicht nach § 15a InsO und § 42 Absatz 2 BGB in klar umrissenen Fällen ausgesetzt werde. Schuldnern bleibe es ebenso wie Gläubigern weiterhin unbenommen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Koalitionsfraktionen müssen die von der Bundesregierung beschlossene Formulierungshilfe nun umsetzen.

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