Nach Richterwechsel: Neue mündliche Verhandlung zwingend
Nach der mündlichen Verhandlung schied die Richterin aus, eine neue fällte ohne erneute Verhandlung das Urteil – so geht das nicht, sagt nun der BGH.
Eine Richterin bzw. ein Richter darf kein Urteil fällen, ohne bei der dem Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung dabei gewesen zu sein. Die entsprechende Vorschrift des § 309 ZPO sei zwingend, so der BGH. Nach einem Richterwechsel sei daher eine erneute mündliche Verhandlung geboten. Zwar könne ein Verstoß dagegen in der Berufungsinstanz geheilt werden – dies jedoch nur, wenn die mündliche Verhandlung, die in der Vorinstanz unterblieben ist, dort nachgeholt werde (Beschl. v. 16.04.2025, Az. VII ZR 126/23).
In einer Bausache hatte bereits die mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Einzelrichterin hatte einen Verkündungstermin bestimmt – war aber vor diesem Zeitpunkt aus dem Landgericht ausgeschieden. Stattdessen fällte eine neue Richterin das klageabweisende Urteil, ohne eine neue mündliche Verhandlung anzuberaumen.
In der Berufungsinstanz fand ebenfalls keine mündliche Verhandlung statt, die Berufung wurde auch hier gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Das OLG sah zwar den Verstoß gegen § 309 ZPO, wonach ein Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden kann, welche der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. Es war jedoch der Ansicht, das Verfahren hätte dennoch allein aufgrund des Schriftwechsels entschieden werden können. Schließlich sei es hier nur um eine Vertragsauslegung gegangen, zudem hätten sich die Beklagten zu Recht auf die Verjährung berufen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde hatten die Kläger nun jedoch Erfolg.
Bei Richterwechsel ist neue mündliche Verhandlung
gem. § 309 ZPO zwingend
Der BGH nahm hingegen die Verletzung von § 309 ZPO nicht auf die leichte Schulter und sah hierin einen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. Sowohl LG als auch OLG hätten diesen Anspruch verletzt, weil zweimal eine notwendige mündliche Verhandlung nach dem Wechsel der Einzelrichterin nicht anberaumt worden war.
Zwar könne eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LG in der Berufungsinstanz zwar grundsätzlich geheilt werden – nicht aber, wenn auch das Berufungsgericht, wie hier, ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Dadurch hätte die Klägerin in keiner der beiden Instanzen die Möglichkeit gehabt, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darzulegen. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung ergangen wäre.
Aus Art. 103 Abs. 1 GG folge zwar nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, stellt der BGH klar. Vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Habe eine mündliche Verhandlung aber von Gesetzes wegen – wie hier im Fall des § 309 ZPO - stattzufinden, begründe der Anspruch auf rechtliches Gehör auch ein Recht darauf.
Der BGH wies den Fall allerdings nicht – wie die Kläger es sich gewünscht hatten – an die erste Instanz, sondern nur an das OLG zurück: Das Berufungsgericht habe gem. § 538 Abs. 1 ZPO grundsätzlich selbst in der Sache zu entscheiden und eine der Ausnahmen gem. § 538 Abs. 2 ZPO sei zur Zeit nicht ersichtlich.