Rechtsanwältin muss Überlastung der Mitarbeitenden entgegenwirken
Rechtsanwälte müssen aufpassen, dass ihre Mitarbeitenden nicht wegen Personalmangels so überlastet sind, dass ihnen Fehler bei den Fristen passieren.
In einer Rechtsanwaltskanzlei muss sichergestellt werden, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn die Belegschaft durch Krankheit und Ausscheiden einer Mitarbeiterin reduziert ist. Einer eventuellen Überlastung des verbliebenen Personals durch zu viele Aufgaben müsse entgegengewirkt werden, so das OLG Frankfurt am Main. Notfalls müsse man als Anwältin einfach wieder selbst die Fristen kontrollieren (Beschl. v. 01.09.2025, Az. 3 U 69/25).
Die Rechtsanwältin hatte im vorliegenden Fall die Berufung ihrer Mandanten in einem Schadensersatzprozess nicht rechtzeitig begründet. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist erläuterte sie damit, dass die Berufungsbegründungfrist infolge eines Fehlers „der verbliebenen Büroangestellten“ nicht in den Fristenkalender eingetragen worden sei. Eine „personelle Ausdünnung“ bei den Kanzleimitarbeitenden habe zu dem einmaligen Eingabefehler der verbliebenen Mitarbeiterin geführt: Eine Mitarbeiterin war bereits seit längerer Zeit erkrankt und ein Auszubildender einen Monat zuvor ausgeschieden, sodass letztlich eine Angestellte alle organisatorischen Aufgaben übernehmen musste.
Zu wenig Personal? Dann muss die Rechtsanwältin selbst Fristen kontrollieren
Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung jedoch zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Es liege keine unverschuldete Fristsäumnis vor. Dem Vortrag der Rechtsanwältin könne nicht entnommen werden, dass die Fristsäumnis nicht auf organisatorischen Mängeln der Fristenkontrolle beruhe.
Hier liege es nahe, dass die Überlastung die Ursache für den festgestellten Fehler gewesen sei – insbesondere weil die Mitarbeiterin zuvor stets zuverlässig gearbeitet habe. In diesem Fall sei aber ein eigenes Organisationsverschulden der Rechtsanwältin nicht auszuschließen. Die eigenen Sorgfaltspflichten einer Rechtsanwältin seien erhöht, wenn Störungen in der Organisation des Berufsalltags aufträten, die dazu führen könnten, dass ihre Angestellten die von ihr delegierten anwaltlichen Pflichten nicht mehr erfüllen könnten. Sie müsse stets sicherstellen, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllten, wenn die Belegschaft reduziert sei. Dazu gehöre, einer eventuellen Überlastung entgegenzuwirken, die dadurch entstehe, dass dem verbliebenen Personal zu viele Aufgaben übertragen würden. Bei gehöriger Beobachtung der Kanzleiabläufe müsse sie erkennen, dass ihre verbliebene Mitarbeiterin durch mehrere Aufgaben und einen erhöhten Arbeitsanfall abgelenkt sei.
Auf welche Weise eine Rechtsanwältin die Belastung in zumutbaren Grenzen halte, bleibe ihr überlassen. Sei etwa eine Kompensation durch den Einsatz weiterer zuverlässiger Kräfte nicht möglich, könne der Gefahr von Fehlverhalten z.B. durch eine verstärkte Kontrolle entgegengewirkt werden. Im Einzelfall könne es auch notwendig werden, dass die Anwältin die delegierten Aufgaben, wie zum Beispiel die Fristenkontrolle, wieder an sich ziehe. Hier sei aber nicht erkennbar, dass sie geeignete Maßnahmen getroffen habe, um trotz des personellen Engstandes eine ausreichende Fristenkontrolle zu gewährleisten.
Der Organisationsmangel sei auch für die Fristversäumnis ursächlich gewesen. Sofern nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergriffen wurden, gehe es zulasten der Rechtsanwältin, wenn nicht festgestellt werden könne, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.