Gesetz für faire Verbraucherverträge

Von Online-Partnerbörse bis Fluggastentschädigung: Das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ kommt

Unerlaubte Telefonwerbung, untergeschobene Stromlieferverträge, Abtretungsverbote für Fluggastentschädigungen: Das Gesetz für faire Verbraucherverträge will unseriöse Praktiken stoppen und Verbrauchern bessere Waffen in die Hand geben, um sich zu wehren.

30.06.2021Gesetzgebung

Das Gesetz, das der Bundesrat am vergangenen Freitag passieren ließ, soll vor allem bei Verträgen mit längerer Laufzeit die Position von Verbrauchern gegenüber Unternehmen verbessern. Sie sollen vor aufgedrängten Verträgen, aber auch vor überlangen Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen geschützt werden.

Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sollen die Verbraucher außerdem in die Lage versetzen, zum Beispiel mit Hilfe sog. Legal-Tech-Plattformen auch kleinere Ansprüche besser durchzusetzen. Schließlich gibt es Neuregelungen für mehr Rechtssicherheit beim den Verkauf gebrauchter Sachen. 

Keine Abtretungsverbote mehr für Geldansprüche in AGB

Eine wichtige Änderung ist das künftig in § 308 Nr. 9 geregelte Verbot, in AGB Klauseln zu vereinbaren, welche Abtretung von auf Geld gerichteten Ansprüchen des Verbrauchers gegen den AGB-Verwender ausschließen sollen. Auch die Abtretung anderer Rechte und Ansprüche der Verbraucher gegen sie dürfen Unternehmen künftig nicht mehr untersagen, wenn sie daran als Verwender der AGB kein schützenswertes Interesse haben oder aber die Interessen des Verbrauchers ihr schützenswertes Interesse überwiegen.

Hintergrund der Regelung sind zum Beispiel Fluggastentschädigungen. Kleine Einzelforderungen gegen große Unternehmen machten viele Verbraucher über lange Zeit gar nicht erst geltend, auch wenn ihre Ansprüche wie beispielsweise wegen eines verspäteten Flugs zweifelsfrei bestanden. Sie scheuten den Aufwand und mögliche Kosten, wenn zum Beispiel Fluggesellschaften schlicht nicht zahlten und entschlossen sich daher, ihr Recht gar nicht erst geltend zu machen (sog. rationales Desinteresse).

Des Problems nehmen sich seit einigen Jahren vor allem sog. Legal-Tech-Plattformen an, die sich – in der Regel gegen Provisionszahlung im Erfolgsfall – die Ansprüche der Verbraucher abtreten lassen und diese dann in eigenem Namen geltend machen. Weil sich so auf Unternehmen wie Ryan Air spürbar Druck entfaltete, berechtigten Kundenansprüchen zu entsprechen, reagierten diese mit einem Ausschluss der Abtretbarkeit von Forderungen ihrer Kunden in ihren AGB.

Die Gerichte beurteilten diese Abtretungsverbote unterschiedlich, nun ist der Gesetzgeber eingeschritten und erklärt künftig alle Abtretungsausschlüsse in AGB für Geldansprüche eines Verbrauchers gegen den Verwender der AGB für unwirksam. Für andere Ansprüche und Rechte soll mit § 308 Nr. 9 b) n.F. die bisher entwickelte Rechtsprechung kodifiziert werden.

Kürzere Fristen für längerfristige Verträge und unerlaubte Telefonwerbung

Ebenfalls im AGB-Recht regelt das Gesetz, dass Verträge, die Verbraucher online abschließen können, künftig auch online kündbar sein müssen, und zwar mit einem einfach auffindbaren Kündigungsbutton.

Zudem müssen Verträge mit Verbrauchern künftig nach Ablauf der Mindestlaufzeit monatlich kündbar sein. Es bleibt zwar dabei, dass zum Beispiel Handyverträge für eine Laufzeit von zwei Jahren geschlossen werden müssen, bei allen Verträgen müssen die Anbieter aber gleichzeitig einen Jahresvertrag mit anbieten, dessen Preis für die gleiche Leistung nicht mehr als 25 % pro Monat mehr kosten darf. Stillschweigende Vertragsverlängerungen sind künftig nur noch dann erlaubt, wenn sie auf unbestimmte Zeit erfolgen und eine Kündigung jederzeit mit Monatsfrist möglich ist. Die Kündigungsfrist, um eine automatische Verlängerung eines befristeten Vertrags zu verhindern, wird von derzeit drei auf einen Monat verkürzt. Die Anbieter bekommen detaillierte Pflichten, wie sie über die drohende stillschweigende Verlängerung informieren müssen.

Eine Dokumentationspflicht für Unternehmen über die Einwilligung von Verbrauchern in Telefonwerbung (§ 7a des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb n.F.) und die Einführung eines Bußgeldtatbestands soll es künftig einfacher machen, Unternehmen wegen unerlaubter Telefonwerbung zu sanktionieren.

Nicht umgesetzt wurden übrigens Ideen aus dem Bundesrat, schärfere Anforderungen an die Gestaltung von AGB zu stellen, damit diese für die Verbraucher besser wahrnehmbar und verständlich werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz befand, die Vorschläge, den Umfang von AGB zu begrenzen, brancheneinheitliche Gliederungen vorzugeben und die Verwender zu verpflichten, relevante Punkte hervorzuheben, würden erheblichen Aufwand für die Verwender bedeuten, dem kein vergleichbarer Nutzen für die Verbraucher gegenüberstünde. Die vorhandenen Regeln in §§ 305 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 2 BGB) reichten aus.

Verkauf gebrauchter Sachen und untergejubelte Stromverträge

Damit Verbraucher auch nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2017 die Möglichkeit haben, beim Kauf gebrauchter Sachen die Haftungsdauer zu verkürzen, wird § 476 BGB angepasst: Die Vertragsparten können sich künftig auf eine Gewährleistungsfrist von mindestens einem Jahr einigen.

Schließlich führt das Gesetz für Strom- und Gaslieferverträge, egal, wie diese vertrieben werden, im Haushaltskundenbereich außerhalb der Grundversorgung das einfache Textformerfordernis ein (§ 41 Abs. 1 S. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes n.F.). Durch strengere Anforderungen an das Zustandekommen von Energielieferverträgen sollen Verbraucher besser vor einem behaupteten oder telefonisch aufgedrängten Lieferanten- oder Vertragswechsel geschützt und ihre Position im Streitfall gestärkt werden. Verbraucher müssten sich so gewahr werden, was sie da eigentlich unterschreiben, unseriösen Unternehmen werde es erschwert, einen Vertragsschluss vorzuspiegeln, den es am Telefon tatsächlich nie gegeben hat.

Das Gesetz war am 30. Juni noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Der Großteil der Regelungen soll im Quartal nach der Verkündung in Kraft treten, voraussichtlich also zum 1. Oktober 2021. Die neuen Kündigungsregeln gelten allerdings erst nach einer siebenmonatigen Übergangsfrist, die Verpflichtung, einen Kündigungsbutton zur Verfügung zu stellen, gilt erst ab dem 1. Juli 2022.