BGH lässt Berufung zu

Als Leiharbeitnehmer kein Anwalt?

Eine nichtanwaltliche Leiharbeitsfirma und ein Jurist, verliehen an eine Kanzlei für anwaltliche Tätigkeit – Zukunftsvision? Nein, liegt beim BGH.

08.04.2022Rechtsprechung

Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs hat die Berufung eines Volljuristen gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs in Hamm zugelassen. Er billigt gleich zwei Rechtsfragen rund um den berufsrechtlichen Status von sog. Projektjuristinnen und -juristen grundsätzliche Bedeutung zu.

Der AGH NRW hatte dem Juristen die Zulassung zur Anwaltschaft verweigert (AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.01.2021, Az. 1 AGH 10/20). Damit bestätigten die Anwaltsrichter in Hamm eine Entscheidung der Anwaltskammer Düsseldorf, wo der Jurist seine Zulassung beantragt hatte.

Er ist angestellt bei einer Leiharbeitsfirma, also einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Verliehen werden sollte er an eine Anwaltskanzlei, um dort Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Die Kammer Düsseldorf hatte argumentiert, in dieser Konstellation falle er quasi durchs System der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und könne weder als niedergelassener Rechtsanwalt noch als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden. Was der AGH noch bestätigt hatte, sah der BGH nun anders und ließ die Berufung gegen das Urteil aus Hamm zu, wie aus einem nun bekanntgewordenen Beschluss hervorgeht (BGH, Beschl. v. 25.02.2022, Az. AnwZ (BrfG) 12/21).

Kein Angestellter bei der Kanzlei, kein Anwalt in der Leiharbeitsfirma

Sogenannte Projektjuristen sind ein Berufsbild, das in Deutschland aktuell noch weniger durchgesetzt ist als in anderen Staaten. In Zeiten des juristischen Personalmangels einerseits und des zunehmenden Projektgeschäfts insbesondere in Massenverfahren andererseits gewinnt die „Zeitarbeit“ für Juristen aber in Kanzleien wie auch Rechtsabteilungen rasant an Bedeutung. Die Modelle sind unterschiedlich, manche Verleiher operieren mit Freelancern, andere stellen die Juristen festangestellt ein wie in dem Fall, in dem der BGH nun die Berufung zugelassen hat.

Die RAK Düsseldorf hatte argumentiert, der Jurist könne nicht als „niedergelassener“ Rechtsanwalt i.S.v. § 46 Abs. 1 BRAO zugelassen werden, weil er nicht Angestellter eines anwaltlichen Arbeitgebers sei. Denn die entleihende Kanzlei ist zwar als rechtsanwaltliche Berufsausübungsgesellschaft tätig, aber dort sei der Jurist ja nicht angestellt. Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 2 BRAO hingegen scheitere aus Sicht der Kammer daran, dass er zwar anwaltlich tätig sei, aber eben nicht für seinen Arbeitgeber, also die Leiharbeitsfirma, sondern für die Kanzlei, an die er entliehen worden war.  

Der Anwaltssenat am BGH sieht das offenbar differenzierter. Die Rechtsfrage, ob und wann ein Leiharbeitsverhältnis zu einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber mit dem Ziel, anwaltliche Dienstleistungen für den anwaltlichen Entleiher zu erbringen, die Zulassung als Anwalt unmöglich macht, sieht er grundsätzlich bedeutsam an und lässt die Berufung zu. „Gegebenenfalls“ wollen die Anwaltsrichter dann auch der Frage nachgehen,  ob „Arbeitgeber“ i.S.v. § 46 Abs. 1 und 2 BRAO möglicherweise auch der Entleiher, in diesem Fall also die Kanzlei sein könnte. Käme der BGH zu diesem Ergebnis und würde im Übrigen der Argumentation der RAK Düsseldorf folgen, könnte der entliehene Jurist dann wohl als niedergelassener Rechtsanwalt zugelassen werden.