Journalisten-Auskunft

BayVGH: Auch Strafbefehle fallen unter Publikationspflicht

Der BayVGH hat entschieden, dass auch ein Strafbefehl herausgegeben werden muss, wenn es sich um eine veröffentlichungswürdige Entscheidung handelt.

22.05.2023Rechtsprechung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass das Amtsgericht (AG) Erding verpflichtet ist, einem Journalisten eine anonymisierte Fassung eines bereits rechtskräftigen Strafbefehls herauszugeben – mit einer weitreichenden Begründung: Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasse auch Strafbefehle (BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2023, Az. 7 CE 23.666).

Die (anonymisierte) Publikationspflicht von Gerichtsentscheidungen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, ist allgemein anerkannt. Schließlich sollen Bürgerinnen und Bürger nachzuvollziehen können, wie Gerichte entscheiden und Gesetze auslegen.

Das AG Erding hatte einen entsprechenden Antrag eines Journalisten auf Übersendung des anonymisierten Strafbefehls allerdings abgelehnt. Zur Begründung hatte es auf die Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens verwiesen, wonach eine Verurteilung ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann. Eine Publikationspflicht zur Veröffentlichung des Strafbefehls bestehe - anders als bei Strafurteilen - mangels mündlicher Verhandlung nicht. Dagegen war der Journalist gerichtlich vorgegangen.

BayVGH: Öffentliches Interesse an Herausgabe des Strafbefehls 

Das Verwaltungsgericht (VG) München hatte den Freistaat Bayern (als Rechtsträger des Amtsgerichts) in erster Instanz verurteilt, eine anonymisierte Fassung des Strafbefehls an den Journalisten herauszugeben - innerhalb einer Woche nach Rechtskraft der Entscheidung. Hiergegen legte der vom Strafbefehl Betroffene Beschwerde ein, sodass der Fall zum BayVGH ging. 

Der BayVGH hat nunmehr mit seinem Beschluss die Entscheidung des VG München bestätigt und den presserechtlichen Auskunftsanspruch bejaht. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasse auch Strafbefehle. Die Publikationspflicht sei nicht deshalb zu verneinen, weil der Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung erging.

Der streitgegenständliche Strafbefehl sei eine veröffentlichungswürdige Entscheidung, weil – wie die konkrete Presseanfrage zeige – an dessen Herausgabe ein öffentliches Interesse bestehe. Das VG München sei ferner zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Informationsinteresse des Journalisten im konkreten Einzelfall der Vorzug gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des vom Strafbefehl Betroffenen zukomme. Zu berücksichtigen sei, dass der Strafbefehl hier auch dessen geschäftlichen Beziehungen zu Dritten betreffe. Damit sei er der weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzurechnen und nicht etwa der Intim- oder Privatsphäre.

Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es kein Rechtsmittel.