EuGH zum Widerrufsrecht

Belehrung fehlt? Erfüllter Vertrag wird nach Widerruf kostenlos

Klärt ein Unternehmer einen Verbraucher nicht über das Widerrufsrecht auf, muss der Vertrag trotz Erfüllung nach Widerruf nicht bezahlt werden.

02.06.2023Rechtsprechung

Fehlte die vorherige Aufklärung über das Widerrufsrecht, kann ein Vertrag auch dann noch widerrufen werden, wenn die geschuldete Leistung bereits erbracht wurde. Damit entfällt aber auch jegliche Zahlungspflicht. Der Unternehmer kann seine entstandenen Kosten weder im Rahmen eines Vergütungsanspruches noch im Rahmen des Wertersatzes verlangen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sinne des Verbraucherschutzes entschieden (Urt. v. 17.05.2023, Rs. C-97/22 | DC).

Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Das Unternehmen versäumte es jedoch, ihn über das 14-tätige Widerrufsrecht zu unterrichten, das ihm zustand, weil der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war. Nach erbrachter Leistung widerrief der Kunde den Vertrag – und wollte nicht zahlen. Das Unternehmen habe es versäumt, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten. Die Arbeiten seien vor Ablauf der - nunmehr wegen der fehlenden Belehrung auf ein Jahr verlängerten - Widerrufsfrist ausgeführt worden. Mit dem zulässigen Widerruf entfiele auch die Vergütungspflicht.

EuGH: Bei Widerruf entfällt stets die Zahlungspflicht

Das LG Essen stimmte dem Kunden in rechtlicher Hinsicht zwar zu. Doch es wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83) auch einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz entgegenstehe. Schließlich habe der Verbraucher den Vertrag erst nach Erfüllung widerrufen und sich möglicherweise ungerechtfertigt bereichert, was möglicherweise dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zuwiderliefe.   

Der EuGH stand jedoch voll und ganz auf Seiten des Verbraucherschutzes. Der Verbraucher werde mit dem Widerruf von jeder Zahlungsverpflichtung befreit, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht zuvor über sein Widerrufsrecht informiert hat. Das betreffe auch bereits erfüllte Verträge. 

Das Widerrufsrecht solle den Verbraucher in dem besonderen Kontext des Abschlusses eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In diesem Kontext stehe der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder sei einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher sei die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaube ihm, eine gut informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er den Vertrag abschließen solle oder nicht.

Dieser Lösung stehe auch das Verbot ungerechtfertigter Bereicherung nicht entgegen. Schließlich verfolge die Richtlinie den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete in Gefahr, falls dem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen seien.