Bewertungen im Internet

Bewertungsportal muss Gastkontakt prüfen

Wer anonym negativ bewertet wird, kann bestreiten, dass die Nutzer Gäste waren. Dann muss das Bewertungsportal prüfen und ggf. löschen, so der BGH.

06.09.2022Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) präzisiert seine Rechtsprechung zu anonymen Bewertungen im Internet. In einer in der vergangenen Woche bekanntgewordenen Entscheidung hat der VI. Zivilsenat präzisiert, dass schon die Rüge eines bewerteten Unternehmens, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, ausreicht, um Prüfpflichten des Portalbetreibers auszulösen. Das gelte sogar dann, wenn Angaben in der Bewertung dafür sprechen, dass der oder die Bewertende tatsächlich Gäste waren, also die Leistung des Unternehmens in Anspruch genommen haben, stellt der BGH klar (BGH, Urt. v. 09.08.2022, Az VI ZR 1244/20).

In dem entschiedenen Fall wehrte ein Ferienpark sich gegen mehrere negative, teils mit Fotos versehende Bewertungen, die Nutzerinnen und Nutzer über das Reiseportal der Beklagten abgegeben hatten. Sie hatten nur drei von sechs Sonnen (das Bewertungssystem des Reiseportals) vergeben und u.a. die Sauberkeit der Zimmer, den Zustand der Freizeitanlage und den Service des Freizeitparks bemängelt. Der Ferienpark argumentierte, den Bewertungen liege gar kein tatsächlicher Gästekontakt zugrunde.  

Bei Beanstandungen müssen Bewertungsportale tätig werden

Der VI. Zivilsenat stellt einmal mehr klar, dass Bewertungsportale gesellschaftlich erwünscht seien, bejaht aber dennoch einen Unterlassungsanspruch des Ferienparks gegen das Reiseportal aus § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 10 Abs. 3 Grundgesetz (GG) bejaht.

Das beklagte Portal hafte zwar nur als mittelbare Störerin für Bewertungen von Nutzerinnen und Nutzern, weil es sich diese mangels inhaltlicher Vorabprüfung nicht zueigenmache. Als nur mittelbare Störerin muss das Reiseportal zwar erst aktiv werden, wenn es von einer Rechtsverletzung – hier des Unternehmerpersönlichkeitsrechts des Ferienparkbetreibers - erfährt. Dann kann es verpflichtet sein, derartige Störungen künftig zu vermeiden, stellt der Senat unter Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Providerhaftung fest.

Bei konkreten Hinweisen auf eine naheliegende Rechtsverletzung müssen Bewertungsportale die Beanstandung also an ihre Nutzerinnen und Nutzer weiterleiten. Kommt von dort keine Stellungnahme, müssen sie die Bewertung nach Ablauf einer angemessenen Frist löschen.  Solche reaktiven Prüfpflichten hält der Senat mit Blick auf die gesteigerten Risiken für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch den Betrieb von – zudem anonymen – Bewertungsportalen, aber auch wegen Schwierigkeiten betroffener Unternehmen, sich gegen die anonymen Portalnutzenden selbst zu wehren, für angemessen. 

Schon das pauschale Bestreiten eines Gästekontakts löst Prüfpflichten aus  

Vor dem Hintergrund der so definierten reaktiven Prüfpflicht sei die Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts des klagenden Freizeitparks rechtswidrig, so der BGH. Das Reiseportal habe jede Nachfrage bei seinen Nutzern verweigert. Deshalb unterstellt der Senat, dass den umstrittenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.

Die Rüge des Freizeitparks, die Bewertenden seien gar keine Gäste gewesen, reiche aus, um Prüfpflichten auszulösen, denen das Bewertungsportal nicht nachgekommen sei. Das soll, so der Senat, ausdrücklich auch dann gelten, wenn es nicht um völlig pauschale Bewertungen geht, sondern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bewertenden tatsächlich Gäste des Parks waren. Der Senat will mit dieser Klarstellung ausdrücklich ein eigenes Urteil aus dem Jahr 2016 (Az. VI 34/15) präzisieren.

Schließlich könne, so die Bundesrichter, der Bewertete regelmäßig nicht überprüfen, ob die anonymen Bewertenden tatsächlich die eigene Leistung in Anspruch genommen haben. Nur dann, wenn aus den Bewertungen unmittelbar klar würde, wer dahintersteckt, müsste der bewertete Freizeitpark näher begründen, warum er dennoch davon ausgeht, dass die Bewertenden keine Gäste waren. Die Grenze dieses pauschalen Bestreitens von Gästekontakt wäre laut Senat erst bei einem  Rechtsmissbrauch erreicht, den die Bundesrichterinnen und -richter im entschiedenen Fall ausdrücklich ablehnen.