EncroChat-Daten

BGH erlaubt Verwertung zur Aufklärung schwerer Straftaten

Der 5. Strafsenat sieht kein Beweisverwertungsverbot für Daten aus sog. Kryptohandys, wenn es um schwere Straftaten geht.

28.03.2022Rechtsprechung

Auch der 5. Strafsenat positioniert sich in Sachen EncroChat-Daten. Hintergrund der ausführlich begründeten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 02.03.2022, Az. 5 StR 457/21) war ein Ermittlungserfolg französischer Strafverfolger, der auch in Deutschland zur Überführung und Verurteilung zahlreicher Drogenkrimineller geführt hatte.

Die Ermittler hatten herausgefunden, dass sichergestellte Kryptohandys des Anbieters EncroChat vornehmlich zu Zwecken des organisierten Drogenhandels verwendet wurden. Mit diesen besonders ausgestatteten und verschlüsselten Geräten konnte man weder telefonieren noch das Internet nutzen, sondern lediglich Chat-Nachrichten versenden, Notizen anlegen oder Sprachnachrichten speichern und versenden. Eine Kommunikation war nur zwischen Nutzern von EncroChat möglich. Strafverfolgungsbehörden konnten weder auf die mit den Geräten geführte Kommunikation zugreifen noch die Geräte inhaltlich auslesen oder orten. Damit und mit einer Anonymitätsgarantie wurden die Handys auch beworben, kaufen konnte man sie nur von speziellen Verkäufern über anonyme Kanäle für 1.610 Euro für einen Nutzungszeitraum von sechs Monaten.

Aufgrund der besonderen Verschlüsselungstechnik schien es zunächst unmöglich, auf die Kommunikation zuzugreifen oder die Geräte zu orten. Schließlich gelang den Ermittlern jedoch der Zugriff über einen zentralen Server in den Niederlanden. Über eine Abfangeinrichtung gelangten sie an die Kommunikationsinhalte und Daten von zahlreichen Kriminellen. Details zum Vorgehen der Franzosen sind allerdings unbekannt, sie sind in Frankreich als Staatsgeheimnis eingestuft.

Die so erlangten Daten wurden über Europol 2020 auch an deutsche Ermittlungsbehörden weitergeleitet, die daraufhin die Verfolgung deutscher Straftäter aufnahmen. Ein wegen Handels mit Betäubungsmittel in zehn Fällen zu fünf Jahren Haft Verurteilter war der Ansicht, die gewonnenen Daten hätten nicht als Beweismittel verwertet werden dürfen.

BGH: Beweisverwertungsverbot „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“

Dieser Auffassung erteilen die Leipziger Richter des 5. Strafsenats nun eine Absage. Ein Beweisverwertungsverbot bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Die Rechtsgrundlage für die Verwertung von Beweisen im Strafprozess sei § 261 Strafprozessordnung (StPO), der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Dies gelte auch für im Wege der Rechtshilfe erlangte Daten. Eine ausdrückliche Regelung, dass im Wege der Rechtshilfe aus dem Ausland erlangte Daten nur eingeschränkt verwendet werden dürften, enthalte das deutsche Recht nicht.

Aufgrund des möglichen Eingriffs in das von Art. 10 Grundgesetz (GG) geschützte Fernmeldegeheimnis müsse der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier allerdings besonders beachtet werden. Daher dürften, so der Senat, die EncroChat-Daten nur für die Aufklärung besonders schwerer Straftaten verwendet werden. Die Leipziger Richter lehnen sich dabei an § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO an, einen Katalog schwerer Straftaten also, zu deren Aufklärung auch die Online-Durchsuchung und die akustische Wohnraumüberwachung zulässig sind. Die Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz zählen dazu.

Keine anlasslose Massenüberwachung auch unverdächtiger Nutzer

Die Frage des Beweisverwertungsverbots richtet sich laut dem BGH ausschließlich nach deutschem Recht. Das Vorgehen der französischen Ermittler hingegen dürfe gerade nicht am Maßstab des deutschen Rechts geprüft werden. Im Rechtshilfeverkehr seien die Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen unabhängig von den eigenen Auffassungen zu achten. Die Tatsache, dass die konkreten Ermittlungsmethoden in Frankreich geheim seien, ändere daran nichts. Schließlich könne ein deutsches Gericht auch nicht prüfen, ob die in Frankreich geltenden Verfahrensregeln eingehalten wurden. 

Auch sei hier nicht gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte oder gegen grundlegende Rechtsstaatsanforderungen ("ordre public") verstoßen worden. Die französischen Ermittler hätten nicht anlasslos unverdächtige Handy-Nutzer überwacht. Vielmehr hätten bereits zum Zeitpunkt der Überwachung genug Hinweise dafür vorgelegen, dass EncroChat vornehmlich kriminellen Aktivitäten diente.

Dem vor allem von Verteidigerinnen und Verteidigern vertretenen Argument der anlasslosen Massenüberwachung hat der 5. Strafsenat eine deutliche Absage erteilt. Damit liegt die erste ausführlich begründete Entscheidung der Bundesrichter vor. Allerdings ist der Senat auf einer Linie mit dem 6. Strafsenat, der bereits Anfang März die Verwertbarkeit von EncroChat-Beweisen bejaht hatte, allerdings nur am Rande einer Entscheidung (Beschl. v. 08.02.2022, Az. 6 StR 639/21).