Schmerzensgeld

BGH verwirft „taggenaue Berechnung“

Mit der sog. taggenauen Berechnung kann Schmerzensgeld nicht angemessen ermittelt werden. Der BGH verlangt mehr Gesamtbetrachtung.

17.02.2022Rechtsprechung

Der für Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat eine Methode zur Berechnung von Schmerzensgeld gekippt, die seit einigen Jahren vor allem das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt angewendet hatte.

Ausschlaggebend für die Höhe von Schmerzensgeld seien vor allem die Schwere der Verletzungen, das dadurch bedingte Leiden und wie lange dieses andauert. Aber auch, wie sehr der Verletzte die erlittene Beeinträchtigung wahrnimmt und der Grad des Verschuldens des Schädigers sollen in das Schmerzensgeld einfließen.

Dabei gehe es, so der VI. Zivilsenat, „nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls“. In erster Linie komme es auf die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung an; auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung fordert der BGH dann die Berechnung einer „einheitlichen Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild“, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lasse (BGH, Urt. v. 15.02.2022, Az. VI ZR 937/20).

Zu detailliert, zu wenig Gesamtbild

Eben daran scheitert die sog. taggenaue Berechnung in den Augen der Bundesrichter. Die Methode, die häufig zu erheblich höheren Schmerzensgeldern führte als üblich, wollte nämlich schematisch zunächst auf erster Stufe Tagessätze je nach der Behandlungsphase von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus festsetzen und diese dann addieren je nachdem, wie lange die Person im Krankenhaus verbracht hat. Von der ermittelten Summe sollten dann Zu- oder Abschläge vorgenommen werden je nach Gestaltung und Schwere des Falles, auf einer dritten Stufe sollte das Schmerzensgeld bei Dauerschäden oder besonders schwerwiegenden Verfehlungen des Schädigers in der Regel erhöht werden.

In dem nun vom BGH entschiedenen Fall hatte das dazu geführt, dass das OLG einen Abschlag vorgenommen hatte, weil der verletzte Kläger Vorerkrankungen hatte. Der bei einem Unfall schwer Verletzte hatte insgesamt 500 Tage im Krankenhaus verbracht, sein rechter Unterschenkel musste amputiert werden und er war seit dem Unfall zu mindestens 60 % in seiner Erwerbstätigkeit gemindert. Das OLG hatte dennoch auf der dritten Stufe das Schmerzensgeld nicht erhöht. Und doch kam es anhand seiner Berechnungsmethode zu einem Schmerzensgeld von 200.000 Euro, während das Landgericht als erste Instanz nur 100.000 Euro ausgeurteilt hatte.  Zu viel Schau auf einzelne Umstände des Falles, zu wenig Gesamtbetrachtung, urteilt der BGH und verwirft die Methode explizit.

Das OLG Frankfurt muss nun neu über die Höhe des Schmerzensgeldes entscheiden. Dabei wird es ganz klassisch detaillierter darauf eingehen müssen, welche Verletzungen das klagende Unfallopfer erlitten hat und wie diese behandelt wurden. In seiner neuen Gesamtbetrachtung müssten die Frankfurter Richter auch das individuelle Leid und die Einschränkungen berücksichtigen, die der Mann in seiner künftigen individuellen Lebensführung hinnehmen muss.  

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