BGH-Entscheidung

BGH zu vorgerichtlichen Anwaltsgebühren: Klageandrohung im Aufforderungsschreiben spricht gegen Geschäftsgebühr

Augen auf bei der vorprozessualen Zahlungsaufforderung an die Gegenseite: Aus einer Klageandrohung dürfen Gerichte schließen, dass schon ein unbedingter Prozessauftrag vorlag. Wer trotzdem die Geschäftsgebühr erstattet haben will, muss das Gegenteil beweisen.

09.07.2021Rechtsprechung

Die Formulierung in einer vorprozessualen anwaltlichen Zahlungsaufforderung kann darüber entscheiden, ob eine – durch den Gegner später erstattungsfähige – Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entsteht. Steht nicht zweifelsfrei fest, dass der Anwalt im Verhältnis zu seinem Mandanten zunächst nur einen außergerichtlichen Vertretungsauftrag hatte, geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten des Geschädigten. Er muss darlegen und beweisen, dass er seinen Anwalt (nur) für die vorgerichtliche Vertretung mandatiert hatte. Das stellt der BGH mit einer aktuellen Entscheidung klar, in der es um einen Dieselgate-Fall ging (Urt. v. 22.06.2021, Az. VI ZR 353/20).

Der klagende Autofahrer war mit seinem Hauptanspruch weitgehend erfolgreich, er durfte seinen vom Dieselskandal betroffenen Pkw Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückgeben. Streitig waren im Verfahren vor dem zweitinstanzlich zuständigen OLG Karlsruhe noch die vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Der Autofahrer klagte auf Freistellung von diesen, scheiterte damit aber vor dem OLG: Er habe nicht schlüssig dargelegt, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm nur einen bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Dagegen spreche der Wortlaut des vorprozessualen Aufforderungsschreibens an den Autobauer. Daher schulde der geschädigte Kläger seinem Anwalt keine Geschäftsgebühr, die der beklagte Autobauer also auch nicht erstatten müsse. Diese Auffassung teilte der BGH und wies die Revision des Geschädigten zurück.

BGH schließt aus Klageandrohung auf Prozessauftrag

Ein Geschädigter hat Anspruch die Erstattung von Anwaltskosten, wenn er im Innenverhältnis zu deren Zahlung verpflichtet ist und wenn die Tätigkeit seines Anwalts „im Außenverhältnis aus der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war“. Mit diesen Anforderungen knüpft der u.a. für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige Zivilsenat an bisherige BGH-Rechtsprechung an.

Streitentscheidend war hier das Innenverhältnis, nämlich die Frage, ob die vorprozessual von den Anwälten des geschädigten Autofahrers versandte anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach § 2300 RVG ausgelöst hat oder nicht. Eine Geschäftsgebühr entsteht mit dem vorprozessualen Aufforderungsschreiben, wenn der Anwalt nur außergerichtlich tätig werden soll. Auch wenn die Vereinbarung mit dem Mandanten (aufschiebend bedingt) so aussieht, dass für den Fall, dass die vorgerichtlichen Bemühungen erfolglos bleiben, ein Prozessauftrag erteilt wird, kann die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG anfallen.

Wenn der Mandant aber von Anfang an den unbedingten Auftrag erteilt, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (Vorbemerkung 2 Abs. 1 S. 1 VV RVG), lösen schon Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus – auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig ist. Das außergerichtliche vorprozessuale Anschreiben ist dann eine Tätigkeit zur Vorbereitung der Klage i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG, die zum Rechtszug gehört und mit der Verfahrensgebühr nach NR. 3100 RVG abgegolten ist. Für eine Geschäftsgebühr ist kein Raum mehr.

Genauso beurteilte der BGH – wie zuvor auch das OLG – den Fall hier: Im außergerichtlichen Aufforderungsschreiben hatte der Anwalt den Autobauer darauf hingewiesen, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb der gesetzten Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe. Für das OLG war das Indiz genug gegen einen Auftrag nur zur außergerichtlichen Vertretung oder zumindest einen nur bedingten Prozessauftrag. Der BGH rüttelt daran nicht: Zwar könne man aus der nach außen erkennbaren Tätigkeit eines Anwalts auch dann nicht ohne Weiteres darauf schließen, wie sein Auftrag im Innenverhältnis aussieht, wenn er mit Klage droht. Doch die verbleibende Unsicherheit gehe, so der BGH, zu Lasten des geschädigten Klägers. Dass er seinen Anwalt nur mit der vorgerichtlichen Vertretung beauftragt hat, muss dann im Streitfall er darlegen und beweisen.