BMJ-Referentenentwurf

Mehr Schutz für Gewaltbetroffene bei Familiengerichten

Für Betroffene soll u. a. ein Wahlgerichtsstand ermöglicht werden, damit sie ihren Aufenthaltsort besser geheim halten können. Zudem sollen Gerichte verstärkt darauf achten müssen, den Schutzbedarf von Kindern und des gewaltbetroffenen Elternteils zu ermitteln.

09.08.2024Gesetzgebung

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 24. Juli 2024 einen Referentenentwurf für ein Gesetz veröffentlicht, mit dem gewaltbetroffene Personen im familiengerichtlichen Verfahren besser geschützt werden sollen. Für sie soll u. a. ein Wahlgerichtsstand ermöglicht werden, damit sie ihren Aufenthaltsort besser geheim halten können. Zudem sollen Gerichte in solchen Fällen auch verstärkt darauf achten müssen, den Schutzbedarf von Kindern und des gewaltbetroffenen Elternteils zu ermitteln. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu: „Gerade während solcher oft langwierigen und emotional belastenden Prozesse benötigen Opfer von Partnerschaftsgewalt und Kinder besseren Schutz und Unterstützung.“

Des Weiteren soll die Vergütung für Verfahrensbeistände erhöht und ihre Stellung im Verfahren gestärkt werden. Zudem werden notwendige Anpassungen in den Verfahrensvorschriften der Familien-, Versorgungsausgleichs- und Nachlasssachen vorgeschlagen.

Im Einzelnen sieht der Referentenentwurf folgende Regelungen vor:

Gewaltbetroffene Personen sollen besser geschützt werden

Häufig hält ein von Partnerschaftsgewalt betroffener Elternteil aus Sicherheitsgründen seinen und den Aufenthaltsort des Kindes geheim - etwa bei Zuflucht in ein Frauenhaus. Daher soll ein Wahlgerichtsstand eingeführt werden. So kann der gewaltausübende Elternteil in einem Kindschafts-, Abstammungs- oder Kindesunterhaltsverfahren seine Familie nicht mehr über den aktuellen Aufenthaltsort des Kindes aufspüren.

Bereits aus der Istanbul-Konvention ergeben sich Amtsermittlungspflichten des Familiengerichts in Fällen von Gewaltbetroffenheit. Diese sollen nun im Verfahrensrecht besonders hervorgehoben werden. Bei Anhaltspunkten für Gewalt zwischen den Elternteilen ist das Gericht verpflichtet, den Schutzbedarf des Kindes und des gewaltbetroffenen Elternteils auch in Kindschaftssachen zu ermitteln. Es muss zudem ein angepasstes Gefahrenmanagement gewährleisten.

Unter Umständen muss das Gericht Schutzmaßnahmen ergreifen, wie z. B. getrennte Anhörungen der Eltern anordnen. Auch ist es für das Gericht bei Gewaltvorfällen zwischen den Eltern häufig nicht möglich, gerichtlich auf das Einvernehmen zwischen den Eltern hinzuwirken, was dem Grunde nach im Fokus des Kindschaftsverfahrens steht. Dies soll das Gericht berücksichtigen, indem es von einem Hinwirken auf Einvernehmen absieht. Auch von der Anordnung gemeinsamer Beratungsgespräche soll in solchen Fällen abgesehen werden.

Zudem soll der Informationsfluss und der Austausch zwischen den an Gewaltschutz- und Kindschaftsverfahren beteiligten Familiengerichten und anderen Professionen verbessert werden. Schutzmaßnahmen können daher bei Gewaltvorfällen schneller eingeleitet werden.

Vergütung für Verfahrensbeistände soll erhöht werden

Die 2009 eingeführte Pauschalvergütung des Verfahrensbeistands soll angepasst und erhöht werden. Dabei wird die Trennung zwischen dem originären Aufgabenkreis und dem erweiterten Aufgabenkreis, bei dem der Verfahrensbeistand zusätzlich auch Gespräche mit den Eltern und ggf. auch Dritten (z. B. Schule, Kita) führen soll, aufgehoben. Es verbleibt ein Aufgabenkreis, der dem ursprünglichen erweiterten Aufgabenkreis entspricht. Die Pauschalvergütung dafür soll auf 690 Euro angehoben werden. Gleichzeitig soll eine Geschwisterpauschale eingeführt werden, um gewissen Synergieeffekten bei der Bestellung für mehrere Geschwisterkinder Rechnung zu tragen.

Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass künftig die Kosten des Verfahrensbeistandes für die Beauftragung eines Dolmetschers erstattungsfähig sind. Zudem soll der Kontakt zwischen Verfahrensbeistand und Kind auch gegen den Willen der Eltern gerichtlich durchgesetzt werden können. Damit ist dem Verfahrensbeistand die Vertretung der Kindesinteressen auch in streitigen Fällen möglich.

Beschwerde gegen Umgangsausschluss soll möglich werden

Gegen eine einstweilige Anordnung über einen sogenannten Umgangsausschluss sollen Betroffene künftig Beschwerde einlegen können. Unter Umgangsausschluss versteht man die Entscheidung des Gerichts darüber, dass ein Umgangskontakt zwischen dem Kind und einem Umgangsberechtigten (in der Regel einem Elternteil) für kürzere oder längere Zeit nicht stattfinden darf. Es soll verhindert werden, dass es ohne die Möglichkeit einer kurzfristigen Überprüfung einer solchen Entscheidung zu einer massiven Beeinträchtigung der Bindung und Beziehung zwischen dem Kind und dem Umgangsberechtigten kommt, weil das Hauptsacheverfahren ggf. einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

Bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden soll das Beschwerdegericht zukünftig von der obligatorischen Wiederholung einzelner Verfahrenshandlungen auch in Fällen, in denen dies bislang nicht möglich ist, absehen können. Damit sollen in Einzelfällen unnötige Verfahrensverzögerungen vermieden werden.

Versorgungsausgleich und Verwahrstellen

Der Versorgungsausgleich hat für die Alterssicherung von Ehegatten eine hohe Bedeutung. Durch den sogenannten Halbteilungsgrundsatz erhält nämlich jeder Ehegatte die Hälfte der während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften des anderen Ehegatten. Um dem zu entsprechen, sollen Anrechte, die im Versorgungsausgleichsverfahren übergangen wurden, nun nachträglich berücksichtigt werden können. Dies war bisher nicht zulässig.

Die Pflicht der Fortlebensermittlung durch die Verwahrstellen soll reduziert werden. Befindet sich eine Verfügung von Todes wegen mehr als 30 Jahre in amtlicher Verwahrung, müssen Gerichte oder Notarinnen und Notare ermitteln, ob der Erblasser überhaupt noch lebt. Diese aufwändige Ermittlung sei nun weitgehend entbehrlich, nachdem das Zentrale Testamentsregister seine volle Funktionsfähigkeit entfaltet hat, so das BMJ.

So geht es weiter

Der Referentenentwurf wurde am Tag der Veröffentlichung an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 6. September 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.

Bereits zu Beginn des Jahres hatte das BMJ außerdem Eckpunkte zur Reform des Kindschaftsrechts veröffentlicht. Durch Änderungen des Sorge- und Umgangsrecht soll zukünftig etwa klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, um eine konkrete Gefährdung des gewaltbetroffenen betreuenden Elternteils abzuwenden. Den entsprechenden Referentenentwurf werde das BMJ bald vorlegen, erklärte Justizminister Buschmann.