Raser-Paragraf

BVerfG billigt Straftatbestand Verbotene Einzelrennen

Der Straftatbestand des sog. Einzelrennens, § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, ist verfassungsgemäß. Das BVerfG erklärt die Norm für hinreichend bestimmt.

02.03.2022Rechtsprechung

§ 315d Strafgesetzbuch stellt nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr unter Strafe. Seit Inkrafttreten der Norm im Jahr 2017, der u. a. der dramatische Tod eines Autofahrers durch ein nächtliches illegales Autorennen auf dem Berliner Ku’Damm vorangegangen war, war insbesondere Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift umstritten. Bei diesem sog. Einzelrennen wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Es geht also in dieser Variante nicht um ein Rennen Fahrzeug gegen Fahrzeug, sondern darum, allein zu rasen.

Ein Amtsgericht, das über die Strafbarkeit eines Mannes zu entscheiden hatte, der mehrere Minuten lang in seinem Pkw mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Stundenkilometern – zum Teil innerhalb geschlossener Ortschaften – vor der Polizei flüchtete, legte dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Norm zur Prüfung vor. Der Amtsrichter zweifelte an ihrer hinreichenden Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz).

Das BVerfG hat die Vorschrift aber am Dienstag abgesegnet. Der Tatbestand sei hinreichend konkretisiert, auch das subjektive Tatbestandsmerkmal „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ könnten die Fachgerichte methodengerecht auslegen (BVerfG, Beschl. v.09.02.20211, Az. 2 BvL 1/20).

Rasen muss nicht die einzige Motivation sein

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wolle evident die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Leben sowie die körperliche Integrität schützen. Die Tatbestandsmerkmale „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ nehmen Begriffe aus dem Straßenverkehrsstrafrecht auf und seien, so der Zweite Senat, durch die Rechtsprechung ausreichend präzisiert. Auch die Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 2 Nr. 2) knüpft hieran an, auch diese Vorschrift setze einen Verkehrsverstoß voraus.

Wann sich jemand „mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ fortbewege, ergebe sich aus Regelungsgehalt und Gesetzesbegründung der Vorschrift. Die „höchstmögliche Geschwindigkeit“ bemesse sich ausweislich der Begründung nach den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen.

Die erforderliche Absicht, diese höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, lasse auch die Auslegung zu, dass das Erreichen der Höchstgeschwindigkeit nicht die einzige Motivation des schnellen Fahrens sein müsse; auch die Absicht, vor der Polizei zu flüchten, schade also nicht.

Verbleibende Randunschärfen kann die Justiz klären

Verbleibende „Randunschärfen“ könne die Rechtsprechung innerhalb des Wortsinns klären, heißt es in dem Beschluss weiter. Die Interpretation des Bundesgerichtshofs (BGH), der für § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fordert, dass der Täter sich in seiner Vorstellung auf eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke beziehen muss, segnet der Senat ab: Das stelle ab auf die objektive Gefahrenlage und unterscheide so hinreichend von Handlungen, die vielleicht nicht normkonform oder rücksichtsvoll, vom Grad der abstrakten Gefahr her aber nicht mit einem Kraftfahrzeugrennen vergleichbar sind. 

Eine sog. Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen liegt hierin laut dem BVerfG nicht. Das Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen bedeutet, dass Merkmale innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden dürfen, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden. Hier aber gehe das Absichtserfordernis in der Interpretation durch den BGH gerade nicht in der Definition der übrigen Tatbestandsmerkmale auf, urteilt das BVerfG.

Und der Gesetzgeber schließlich, der dürfe, anders als die Gerichte, auch ineinander aufgehende Tatbestandsmerkmal definieren, so die Karlsruher Richter. Das Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen gelte für ihn nicht. Er müsse, um die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots zu erfüllen, Strafnormen nur so fassen, dass der Normadressat nach allgemeinen Maßstäben Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände erkennen und durch Auslegung ermitteln kann. Das sei im Fall des Einzelrennens geschehen.