Frist: Zum 1., zum 2. und….zum 3.!

Anwalt durfte auf dritte Verlängerung einer Frist vertrauen

Auch, wenn es dem Gericht zu lange dauert – hat der Gegner zugestimmt, muss es in der Regel einer erneuten Fristverlängerung stattgeben.

04.09.2023Rechtsprechung

Die Frist zur Berufungsbegründung kann gem. § 520 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag wiederholt verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Die Bewilligung dieser Form der Fristverlängerung hänge auch bei einer mehrfachen Wiederholung nicht davon ab, dass der Rechtsmittelführer erhebliche Gründe geltend mache, so der Bundesgerichtshof (BGH). Nur in Ausnahmefällen könne das Vertrauen in die Gewährung einer wiederholten Fristverlängerung erschüttert werden. Daran ändere auch die Warnung des Gerichts nichts, wonach eine Fristverlängerung „letztmalig“ gewährt werde. Anders könnte das allenfalls aussehen, wenn das Gericht hierfür einen guten Grund nennen würde (Beschl. v. 31.07.2023, Az. VIa ZB 1/23).

Berufungsgericht fordert besonderen Grund für Fristverlängerung

In einem Dieselverfahren hatte der Kläger zunächst fristgemäß Berufung eingelegt, die Berufungsbegründungsfrist war bereits zweimal verlängert worden. Der klägerische Anwalt hatte dabei jeweils auf seine starke Arbeitsbelastung hingewiesen. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte er, warum: Mehrere Anwälte aus seiner Kanzlei – darunter auch ursprüngliche Bearbeiter – waren ausgeschieden. Bei der zweiten Fristverlängerung hatte der Vorsitzende am Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg darauf hingewiesen, die Frist werde „letztmalig“ verlängert – diesen Zusatz übersah der überlastete Anwalt jedoch laut eigenen Angaben. Stattdessen beantragte er eine dritte Fristverlängerung und hatte hierzu auch bereits die nach § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO erforderliche Zustimmung des Gegners eingeholt.

Der Vorsitzende des Berufungsgerichts kam dem jedoch – wie angekündigt – nicht nach und verwarf das Rechtsmittel als unzulässig (Beschl. v. 20.12.2022, Az. 14 U 114/22). Auch ein späterer Antrag auf Wiedereinsetzung blieb erfolglos. Zur Begründung führte er aus: Trotz Einwilligung des Gegners bestehe kein generell schutzwürdiges Vertrauen auf die Bewilligung einer dritten Fristverlängerung, weil dem Berufungsgericht stets ein Ermessensspielraum verbleibe. Ein Vertrauen könne allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Verlängerungsantrag z. B. auf besondere Gründe gestützt werde. Diese hätten hier nicht vorgelegen. Außerdem sei das Vertrauen nicht schutzwürdig gewesen, weil der Vorsitzende bereits bei der zweiten Fristverlängerung das Wort „letztmalig“ benutzt habe.

BGH: Das Gesetz fordert bei Zustimmung des Gegners keinen besonderen Grund

Eine dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde zum BGH war jedoch erfolgreich. Auch wenn der Vorsitzende Ermessen habe, so müsse sich ein Klägeranwalt auf eine Fristverlängerung verlassen dürfen, wenn sie mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. So verhalte es sich hier. § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfordere als Voraussetzung lediglich die Zustimmung des Gegners. Besondere Gründe vorzutragen, werde lediglich im Rahmen der Verlängerung nach
§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO verlangt, wenn eine Zustimmung des Gegners fehle.

Das Vertrauen in die Gewährung einer wiederholten Fristverlängerung könne allenfalls erschüttert werden, wenn der Rechtsmittelführer hierfür besondere Anhaltspunkte sehen müssen: Etwa, wenn der Antrag auf Fristverlängerung missbräuchlich gewesen sei oder wenn der Rechtsstreit nach Ablauf bereits gewährter Fristverlängerungen nun der Beschleunigung bedürfe. Diese Anhaltspunkte hätten hier aber nicht vorgelegen, sodass allein die Zustimmung des Gegners entscheiden gewesen sei.

Auch der Hinweis der Vorsitzenden auf eine "letztmalige" Verlängerung habe diesem berechtigten Vertrauen nicht entgegengestanden. Ein solcher Hinweis entbinde das Gericht nicht davon, die in § 520 Abs. 2 ZPO angelegte Differenzierung danach, ob der Gegner eingewilligt habe oder nicht, zu beachten. Diese vereinfachte Verlängerungsmöglichkeit sei vom Gesetzgeber gewollt gewesen. Daher habe der Klägeranwalt darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht „sein Ermessen pflichtgemäß ausüben“ und nicht andere Maßstäbe anlegen werde die gesetzlich vorgegebenen. Sein Vertrauen hätte allenfalls erschüttert werden können, wenn das Berufungsgericht die Drohung „letztmalig“ tragfähig begründet hätte und diese Gründe immer noch gälten. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen.