Inkasso durch Anwälte

Anwaltliches Inkasso nicht wettbewerbsrechtlich angreifbar

Kontaktiert ein Anwalt im Rahmen eines Inkassomandats einen Verbraucher, ist dies nicht wettbewerbsrechtlich angreifbar – auch bei falscher Forderung.

23.07.2025Rechtsprechung

Der BGH hat in einer Leitsatzentscheidung geurteilt, dass Rechtsanwältinnen und -anwälte, die im Rahmen eines Inkassomandats einen Verbraucher anschreiben, grundsätzlich keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG vornehmen. Auch irreführende Angaben begründen – vorbehaltlich einer bewussten Täuschung – keinen Unterlassungsanspruch nach dem Wettbewerbsrecht. Etwas anderes würde die anwaltliche Berufsausübung in verfassungswidriger Weise beschränken. Auch seien Anwältinnen und Anwälte nicht verpflichtet, die von Mandantinnen und Mandanten mitgeteilten Tatsachen eigenständig auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen (Urt. v. 18.06.2025, Az. I ZR 99/24).

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte eine Rechtsanwaltskanzlei auf Unterlassung in Anspruch genommen. Diese hatte im Auftrag einer GmbH ein Inkassoschreiben an eine Privatperson versendet. Darin forderte sie unter anderem die Zahlung eines Geldbetrages für ein angeblich gemietetes Mobilfunkgerät. Grundlage sei ein Mietvertrag mit der „G. GmbH“. Eine entsprechende Rechnung wies allerdings einen viel niedrigeren Geldbetrag aus. Auch eine „G. GmbH“ existierte überhaupt nicht. Der betroffene Verbraucher war außerdem wohl Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden. Der Verband sah in dem Schreiben irreführende und damit wettbewerbswidrige Aussagen, insbesondere wegen der Bezugnahme auf ein nicht existentes Vertragsverhältnis sowie unklare Angaben zur Forderungshöhe. Er verlangte daher von der Kanzlei die Unterlassung derartiger Äußerungen in Inkassoschreiben gegenüber Verbrauchern. Bereits das LG und das OLG Hamburg haben die Klage mit Blick auf die besondere Stellung eines Rechtsanwalts abgewiesen.

BGH: Anwälte können nicht wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen werden

Der BGH bestätigte diese Rechtsauffassung nun und wies auch die Revision zurück. Nach seiner Auffassung stelle das Verhalten der Anwaltskanzlei keine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Dies gelte auch dann nicht, wenn die anwaltlich übermittelten Pflichtangaben über Forderungsgrund und -höhe bei Inkassomandaten nach
§ 43d Abs. 1 Nr. 2 BRAO falsch seien.

Der Zweck des Inkassoschreibens bestehe nicht in der Förderung eigener wirtschaftlicher Interessen oder der Absatzförderung eines Unternehmens, sondern in der berufstypischen Wahrnehmung von Mandanteninteressen. Dabei stehe die anwaltliche Funktion als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) im Vordergrund. Daran ändere es auch nichts, dass der Anwalt hier als Inkassodienstleister tätig werde. Auch hier handele ein Anwalt vorrangig in der Rolle als Vertreter seines Mandanten – nicht als Unternehmer. Die wettbewerbliche Wirkung seiner Angaben sei lediglich reflexartig.

Es sei außerdem mit dem Berufsbild des Anwalts unvereinbar, wenn er befürchten müsse, für jede unzutreffende Sachverhaltsdarstellung seines Mandanten im Inkassoverfahren persönlich auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. „Bereits die Gefahr, bei einer Äußerung in Wahrnehmung der Interessen des Mandanten persönlich belangt und selbst verklagt zu werden, würde eine ordnungsgemäße Interessenvertretung in Ausübung des anwaltlichen Berufs regelmäßig unterbinden“, so der Senat.

Anwälte müssen auch keine Informationen der Mandanten überprüfen

Außerdem seien Rechtsanwältinnen und -anwälte bei der außergerichtlichen Geltendmachung von Forderungen nicht verpflichtet, die von Mandanten mitgeteilten Tatsachen eigenständig auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Eine solche Pflicht sei unzumutbar und würde die anwaltliche Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig beschränken. Anwältinnen und Anwälte müssten außerdem grundsätzlich auf die Angaben ihrer Mandantschaft vertrauen dürfen. Die ordnungsgemäße Mandatsbearbeitung setze ein solches Vertrauensverhältnis voraus.

Die damit einhergehende unterschiedliche Behandlung mit gewerblichen Inkassodienstleistern sei gerechtfertigt. Diese seien nicht als Organe der Rechtspflege tätig und verfolgten vorrangig wirtschaftliche Interessen. Daher könnten deren Handlungen im Unterschied zu denen von Rechtsanwälten dem Wettbewerbsrecht unterfallen und müssten geltend gemachte Forderungen vor der Eintreibung auch überprüfen.

Betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher seien mit dieser Entscheidung auch nicht schutzlos gestellt, stellte der Senat klar. Sie könnten sich einerseits zur Verteidigung ihrer Rechte wettbewerbsrechtlich an den Mandanten halten, dem die Äußerung seines Rechtsanwalts nach § 8 Abs. 2 UWG beziehungsweise § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen sei. Unabhängig davon könne sich der Verbraucher auch einfach in einem Zivilprozess gegen die geltend gemachte Forderung verteidigen – im konkreten Fall mit der Behauptung, es sei kein Vertrag geschlossen worden.

aktualisiert: 24.07.2025 (Urt. v. 18.07.2025, Az. I ZR 79/24  korrigiert auf Urt. v. 18.06.2025, Az. I ZR 99/24)