Aufnahme im Strafprozess

Kabinett beschließt digitale Dokumentation der Hauptverhandlung

Bald soll es Tonaufnahmen und automatische Transkripte bei erstinstanzlichen LG- und OLG-Strafprozessen geben - Videoaufzeichnung aber nur optional.

16.05.2023Gesetzgebung

Das Bundeskabinett hat am 10. Mai 2023 das Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (DokHVG) beschlossen. Wie bereits im geänderten Referentenentwurf geplant, soll lediglich die Tonaufnahme der Verhandlungen bei erstinstanzlichen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten verpflichtend werden. Diese soll automatisiert in ein Textdokument (Transkript) übertragen werden, welches den Verfahrensbeteiligten zeitnah zur Verfügung stehen soll.

Die Videoaufzeichnung wird lediglich optional möglich sein. Länder können sie durch Rechtsverordnung jederzeit teilweise oder flächendeckend einführen. Der erste vorgelegte Referentenentwurf vom 22. November 2022 hatte noch eine verpflichtende Videoaufnahme vorgesehen. Mit der Änderung hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jedoch auf die heftige Kritik aus der Staatsanwaltschaft und Richterschaft reagiert. Sie hatten vorgebracht, Zeugen könnten sich durch eine Videoaufzeichnung eingeschüchtert fühlen; außerdem sei eine Videoaufzeichnung technisch aufwändig und teuer. Die Bundesrechtsanwaltskammer fordert hingegen bereits seit langem eine umfangreiche Bild- und Ton-Dokumentation der strafrechtlichen Hauptverhandlung.

Zentrale Regelungen des DokHVG

Dem Schutz der Persönlichkeitsrechte messe der aktuelle Entwurf laut Bundesjustizministerium zentrale Bedeutung bei. Bereits bei der Aufnahme könne dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Rechnung getragen werden, etwa durch die Möglichkeit einer technischen Verfremdung (z. B. Stimmverzerrung oder im Fall von Bildaufnahmen Verpixelung). Für die Verwendung der Aufzeichnung seien zudem technische Sicherungen vorzusehen, die dem Stand der Technik entsprechen. Eine Verbreitung oder Veröffentlichung der Aufzeichnungen werde im angepassten § 353d Strafgesetzbuch mit Strafe bedroht.

Darauf, technische und organisatorische Vorgaben im Detail zu machen, verzichte der Gesetzentwurf bewusst, so die Gesetzesbegründung. Dies sei nicht Aufgabe einer Verfahrensordnung. Laut Ministerium räume der Entwurf im Falle technischer Schwierigkeiten der Durchführung der Hauptverhandlung gegenüber der Verfügbarkeit der digitalen Dokumentation den Vorrang ein. Das sogenannte Formalprotokoll, das lediglich den äußeren Ablauf und die wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung verbindlich festhält, soll erhalten bleiben und den Verfahrensbeteiligten auch weiterhin zur Verfügung stehen. Die Aufzeichnung und das Transkript träten damit neben das Formalprotokoll und stünden den Verfahrensbeteiligten zusätzlich als Arbeitsmittel zur Verfügung.

Der Entwurf stellt außerdem klar, dass die Verwendung der Aufzeichnungen in der Revision zulässig, aber auf Evidenzfälle beschränkt sein soll. Damit soll die Aufgabenverteilung zwischen Tatsachen- und Revisionsinstanz gewahrt bleiben.

Die Einführungs- und Pilotierungsphase soll bis zum 1. Januar 2030 dauern. In dieser Phase könnten die Länder bestimmen, ab wann und an welchen Gerichten oder Spruchkörpern aufgezeichnet wird, so das Justizministerium. Hinsichtlich der sogenannten Staatsschutzsenate gelte die Aufzeichnungs- und Transkriptionspflicht bereits ab dem 1. Januar 2028, soweit diese in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes zuständig sind. Dies setze entsprechend vorgezogene Pilotierungen an den Staatsschutzsenaten voraus.

Stellungnahme Buschmann und weiteres Verfahren

Aktuell wird der Inhalt der Hauptverhandlung im Protokoll – anders als bei den Amtsgerichten, bei denen zumindest die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufgenommen werden (§ 273 Absatz 2 Satz 1 Strafprozessordnung) – nicht festgehalten. Gerade bei den häufig langen Strafprozessen verblasse so mit der Zeit naturgemäß die Erinnerung. Verfahrensbeteiligte müssen sich daher als Gedächtnisstütze jeweils eigene Notizen zum Inhalt der Hauptverhandlung machen. Das habe zur Folge, dass sich die Verfahrensbeteiligten nicht immer vollumfänglich auf das Geschehen in der Hauptverhandlung konzentrieren könnten, so das Bundesjustizministerium. Auch könnten Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der Hauptverhandlung entstehen, da die jeweiligen Mitschriften nicht erschöpfend und subjektiv geprägt seien.

Bundesjustizminister Buschmann äußerte sich dementsprechend zu dem Vorhaben: „Dass sich die Verfahrensbeteiligten aktuell nach einem mitunter monatelangen Prozess alleine auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssen, ist nicht mehr zeitgemäß.“ Alle Verfahrensbeteiligten sollten durch die Dokumentation ein verlässliches, objektives und einheitliches Arbeitsmittel zur Aufbereitung der Hauptverhandlung erhalten, so das Justizministerium. Sie könnten sich dadurch noch besser auf den Prozess konzentrieren. Darüber hinaus werde das Risiko noch weiter reduziert, dass ein Urteil auf falsch wahrgenommene oder erinnerte Aussagen in der Verhandlung gestützt wird. Gerade bei umfangreicheren Verfahren lägen Aussagen bei Abfassung des Urteils häufig schon Monate zurück.

Der Regierungsentwurf ist nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet worden. Nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung soll er an den Bundestag weitergeleitet und dort beraten werden.

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