Selbstbestimmungsgesetz

Neue Pläne für trans, inter und nicht binäre Menschen

Der Entwurf für ein neues Selbstbestimmungsgesetz steht: Menschen sollen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen künftig selbstbestimmt ändern können.

03.05.2023Gesetzgebung

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) haben sich Medienberichten zufolge auf einen Referentenentwurf für ein "Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag" (Selbstbestimmungsgesetz bzw. SBGG) geeinigt.

Selbstbestimmter Geschlechtseintrag

Künftig sollen Menschen ab 18 Jahren ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen künftig ohne gerichtliche Entscheidung oder ärztliche Begutachtung durch einfache Selbstauskunft beim Standesamt ändern dürfen. Diese Entscheidung wird drei Monate nach Abgabe wirksam. In dieser Zeit kann der Änderungswunsch noch ohne Folgen zurückgenommen werden. Ist die Änderung jedoch erfolgt, gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr, um einen erneuten Antrag auf Änderung zu stellen. Im Personenstandsregister ist es damit – wie bisher – möglich, als männlich, weiblich, divers eingetragen zu werden oder keinen Geschlechtseintrag zu haben.

Kinder unter 14 Jahren können ihre Erklärung nicht selbst abgeben, sondern nur durch die Sorgeberechtigten. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren können die Erklärung mit Zustimmung der Eltern selbst abgeben. Sollten diese ihre Zustimmung verweigern, kann sie auch durch die Entscheidung des Familiengerichts ersetzt werden.

Das veraltete Transsexuellengesetz

Derzeit gilt für transgeschlechtliche (nicht mit dem biologischen Geschlecht identifizierte) und nicht binäre (weder nur als Mann noch nur als Frau identifizierte) Personen noch das Transsexuellengesetz von 1980. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht jedoch in sechs Urteilen weitgehend für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt. Das aktuelle Gesetz verlangt für trans und nicht binäre Menschen ein langwieriges und kostenintensives Gerichtsverfahren, in dem zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, um den Geschlechtseintrag oder die Vornamen zu ändern. Dabei handele es sich laut Referentenentwurf um ein medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit. Intergeschlechtliche Menschen (mit von Geburt an beiden biologischen Geschlechtsmerkmalen) müssen aktuell „nur“ ein ärztliches Attest oder eine Versicherung an Eides statt vorlegen, um ihren Eintrag ändern zu können.

Die Ampel-Koalition hatte die Reform bereits im Koalitionsvertrag angekündigt (S. 95). Im Juni 2022 wurden bereits Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz und die Abschaffung des Transsexuellengesetzes vorgestellt. Die darin bestimmten Grundlagen finden sich auch im aktuellen Entwurf wieder. Es gibt jedoch auch Überraschungen. 

Krieg: „Männer“ im Verteidigungsfall

Eine neue Regel ist das grundsätzliche Verbot für Menschen mit biologisch männlichem Geschlecht, ihren Eintrag im „unmittelbaren Zusammenhang mit dem Spannungs- und Verteidigungsfall“ zu „weiblich“ bzw. „divers“ zu ändern oder den Eintrag zu löschen. Damit soll verhindert werden, dass cis-Männer (die sich ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen), die Regelungen missbrauchen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Dies solle jedoch nur gelten, sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde, heißt es in dem Entwurf.  

Schutz vor Zwangs-Outing und Übergangsregelungen für queere Eltern

Verboten werden soll nach § 13 des Entwurfs zum einen das sog. Zwangs-Outing, also die Offenbarung oder Ausforschung früherer Geschlechtseinträge ohne Zustimmung der betreffenden Person - es sei denn, besondere Gründe des öffentlichen Interesses erfordern dies. Auch die absichtliche Bezeichnung einer Person mit ihrem vorherigen Geschlecht (Misgendern) oder die Verwendung früherer Namen (Dead-Naming) sollen verboten werden. Bei Zuwiderhandlungen droht ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro.

Die Elternschaft von trans, inter und nicht binären Personen soll das neue Gesetz lediglich übergangsweise regeln: So soll die Bezeichnung "Vater" oder "Mutter" z.B. in Geburtsurkunden in "Elternteil" geändert werden können. Eine finale Regelung soll jedoch erst mit der geplanten Abstammungsrechtsreform kommen, die ebenfalls für diese Legislaturperiode geplant ist. Darin soll es auch um die Frage gehen, wie Paare mit zwei Müttern oder einem zweiten trans, inter oder nicht binären Elternteil ohne Adoption bei der Geburt als zweiter Elternteil für das Kind eingetragen werden können.

Weitere Regelungen und offene Fragen

Der Entwurf enthält außerdem weitere Sonderregelungen und Klarstellungen in Bezug auf Sport und Wettkämpfe, Saunen und Umkleideräume, den Strafvollzug und Quotenregelungen in Unternehmen – einige Fragen bleiben aber noch offen:

Besonders umstritten war die Frage des Zutritts von Menschen mit geändertem Geschlechtseintrag zu besonders geschützten Räumen wie Frauensaunen, Umkleidekabinen oder Frauenhäusern. Hierzu heißt es jetzt, der Zutritt solle im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich sein. Aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen, könnten die Hausrechtsinhaberinnen und –inhaber jedoch im Einzelfall differenzieren. Dabei sei das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten. Das bedeute, dass eine Zurückweisung speziell von transgeschlechtlichen Personen allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität unzulässig sei. Die Ausweisung einzelner Personen solle aber mit Rücksicht auf den Schutz der Intimsphäre oder auf die Befürchtung einer (sexuellen) Belästigung möglich sein.

Auch auf die Frauenquoten in Gremien und Organen geht der Entwurf ein: Grundsätzlich soll hier gelten, dass das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht zum Zeitpunkt der Besetzung maßgeblich ist. Erfolge später eine Änderung des Geschlechtseintrags, so solle die Unterschreitung der Mindestanzahl oder Mindestquote erst bei der nächsten Bestellung zu berücksichtigen sein.

In der Öffentlichkeit ebenfalls als problematisch angesehen wurde die Einstufung bei sportlichen Wettbewerben. Die Entscheidung darüber überlässt der Entwurf jedoch ausdrücklich den Sportverbänden.  

Der Entwurf enthält keine Regelungen zum Strafvollzug, weil die Gesetzgebungskompetenz hierfür bei den Ländern liegt. In einem Hintergrundpapier heißt es Medienberichten zufolge allerdings, dass bei einer Änderung von  „männlich“ zu „weiblich“ je nach Einzelfall Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen könnten.

Für Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen soll der geänderte Geschlechtseintrag keine Änderungen bringen. Weiterhin solle hier der individuelle Bedarf ausschlaggebend sein.

Wie geht es weiter?

Der Entwurf geht nun in die Ressortabstimmung. In der nächsten Woche ist außerdem eine Anhörung von Verbänden geplant. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden. Danach muss es noch durch Bundestag und Bundesrat. Wann es in Kraft treten kann, ist noch unklar.