Gegenstandswert im RVG

Nicht der höchste zählt: Einzelne Anträge werden im RVG addiert

§ 48 Abs. 3 GKG, wonach sich der Gegenstandswert nach dem höchsten Antrag bemisst, ist im RVG nicht analog anwendbar – Anträge werden hier addiert.

16.11.2023Rechtsprechung

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg werden verschiedene Anträge für die Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 22 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) addiert. Zwar gebe es eine anders lautende Regel in § 48 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG), nach der bei einer Kombination aus vermögensrechtlichem und nichtvermögensrechtlichem Anspruch nur der höhere Wert anzusetzen ist. Diese sei aber – entgegen der Ansicht der Vorinstanz sowie anderer Gerichte – mangels planwidriger Regelungslücke nicht analog im RVG anwendbar (Beschl. v. 27.01.2023, Az. 5 Ta 67/22).

Das LAG hatte über die Beschwerde eines Betriebsrats zur Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Arbeitsgericht (AG) Reutlingen zu entscheiden. Die Vorinstanz hatte auf die sechs einzelnen Anträge § 48 Abs. 3 GKG analog angewendet, der lautet: „Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.“ Über diese Berechnungsart kam es zu einem Gegenstandswert von lediglich 6.924,23 Euro, was dem Antrag mit der höchsten Summe entsprach. Addiert hätte sich jedoch ein Gegenstandswert von 12.924,53 Euro ergeben.

LAG Baden-Württemberg: Keine planwidrige Regelungslücke

Dieser höhere Gegenstandswert, der sich aus der Addition der einzelnen Ansprüche ergebe, sei nach Ansicht des LAG auch anzusetzen. Denn § 48 Abs. 3 GKG sei für die Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG nicht anwendbar, auch nicht analog. Stattdessen müssten die Werte mehrerer Gegenstände in derselben Angelegenheit gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechnet werden.  

Soweit andere Gerichte etwas anderes vertreten hätten, folgte das LAG dem nicht. § 48 Abs. 3 GKG sei weder direkt (so aber LAG Schleswig-Holstein v. 03.07.2019, Az. 5 Ta 39/19) noch analog (so aber LAG Düsseldorf v. 09.01.2017, Az. 4 Ta 630/16) im RVG anwendbar. Insbesondere bestehe keine planwidrige Regelungslücke.

Das GKG und das RVG regelten unterschiedliche Gegenstände. Es wäre daher grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, eine § 48 Abs. 3 GKG entsprechende Vorschrift auch in das RVG aufzunehmen. Es sei auch nicht davon auszugehen, der Gesetzgeber habe übersehen, dass im RVG eine solche Vorschrift fehlt. Schließlich sei selbst im Bereich des GKG der § 48 Abs. 3 GKG eine absolute Ausnahmevorschrift. Die vor etwa 150 Jahren eingeführte Regel habe zudem heute praktisch keine Bedeutung mehr - allenfalls in Konstellationen, in denen (vermögensrechtliche) Unterhaltsansprüche aus der (nichtvermögensrechtlichen) Feststellung eines familienrechtlichen Status folgten und neben dieser keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert verkörperten.