Persönlichkeitsrecht

Facebook muss ähnliche Postings suchen und löschen

Nach Kenntnis rechtswidriger geposteter Inhalte müssen Plattformbetreiber auch sinn- bzw. kerngleiche Posts löschen, so das OLG Frankfurt.

30.01.2024Rechtsprechung

Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. ein Grundsatzurteil zur Reichweite der Löschpflicht von sozialen Netzwerken erstritten: Hat der Plattformbetreiber bereits konkrete Kenntnis von einem rechtsverletzenden Posting, so sei er verpflichtet, ohne weiteren Hinweis auch andere sinngleiche Äußerungen zu löschen. Hierzu müsse ein soziales Netzwerk neben technischen Lösungen notfalls auch Menschen zur händischen Überprüfung einsetzen, um weitere rechtsverletzende Varianten zu finden; dies sei nicht unzumutbar (Urt. v. 25.1.2024, Az. 16 U 65/22).

Künast hatte, unterstützt von der Organisation HateAid, gegen Meta (Facebook) auf Unterlassung der Weiterverbreitung eines Memes mit einem Falschzitat von ihr geklagt. Dieses zeigt sie mit Bild und vollem Namen und folgender Äußerung, die sie nie getätigt hatte: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“. Das soziale Netzwerk sollte nicht nur die konkret benannten Postings löschen, sondern auch aktiv nach leichten Abwandlungen suchen und diese ebenfalls löschen.

Dementsprechend verurteilte das Landgericht (LG) Frankfurt Meta, „es zu unterlassen, identische oder kerngleiche Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich zu machen.“ Zudem sollte das Netzwerk eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro an die Politikerin zahlen. Das OLG hat nun den Unterlassungsanspruch bestätigt, den Anspruch auf Geldentschädigung jedoch abgewiesen, weil Meta jedenfalls nicht hartnäckig verweigert hatte, dem Unterlassungsanspruch nachzukommen.

OLG Frankfurt: Meta kann technisch vorfiltern, muss aber händisch nachprüfen

Zur Begründung der weit reichenden Prüfungs- und Löschpflicht führten die Frankfurter Richterinnen und Richter aus: Das Falschzitat stelle einen rechtswidrigen Eingriff in Künasts allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, konkret ihr Recht am eigenen Wort. Meta hafte als „mittelbar verantwortliche Störerin“ für das Unterlassen der Verbreitung der Falschzitate. Die Plattform müsse dabei nicht nur die konkret benannten Postings löschen, sondern auch alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts. Die Voraussetzung hierfür, dass Meta unmittelbar Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt habe, sei erfüllt. Schließlich habe Künast mit anwaltlichem Schreiben konkrete URLs übermittelt und in dem Schreiben definiert, was sie als „sinngleich“ verstehe. Diese Kenntnis und Information hätten eine Prüf- und Verhaltenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären.

Das soziale Netzwerk treffe - nach der E-Commerce-Richtlinie - zwar keine allgemeine Überwachungs- und aktive Nachforschungspflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. Die konkrete Kenntnis der Rechtsverletzung verpflichte Meta jedoch, künftig derartige Störungen zu verhindern. Dies gelte nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die Inhalte nur sinngemäß ganz oder teilweise woanders wiederholt würden.

Bei der Nachforschung nach derartigen sinngleichen Äußerungen müsse zwar nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus Gründen der Zumutbarkeit auf „automatisierte Techniken und Mittel“ zurückgegriffen werden können. Sprich: Abwandlungen, die von Algorithmen nicht erkannt werden, müssen auch nicht gelöscht werden. Doch auch in diesem Fall könne Meta zunächst auf seine technischen Filter setzen und zudem mittels künstlicher Intelligenz weiter vorfiltern. Allerdings könne es in manchen Fällen dennoch sein, dass die Technik alleine die sinngleichen Falschzitate nicht sicher erkennt. Etwa, weil die Memes mit abweichenden Zusätzen in Bild und Schrift versehen würden und somit einer Sinndeutung bedürften. In einem solchen Fall sei es zumutbar, dass Menschen die vorgefilterten Inhalte noch einmal händisch im Einzelfall bewerten. Sie müssten dann nur noch beurteilen, ob einem durchschnittlichen Empfänger auch in dem abgewandelten Meme klar werde, dass hier wieder ein Falschzitat vorliege oder nicht.  

Senat hat jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Schließlich habe die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Hostprovider eine Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte treffe, grundsätzliche Bedeutung.