Verhandlungsunfähig wegen Durchfalls? Anwalt muss genau begründen
Eine normale „AU“ reicht nicht, um die Verhandlungsunfähigkeit eines Anwalts im Verfahren um seinen Zulassungwiderruf nachzuweisen, so der BGH.
Der BGH hat bestätigt, dass der Anwaltsgerichtshof trotz kurzfristiger Krankmeldung des Anwalts über den Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls verhandeln durfte. Der BGH sah auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, die nachgereichte pauschale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als Grund für eine Wiedereröffnung zu akzeptieren. Vielmehr müsse man als Anwalt wissen, dass es – auch ohne richterlichen Hinweis - einer substantiierten, eindeutigen und nachvollziehbaren Beschreibung der Krankheit durch einen Arzt bzw. eine Ärztin bedürfe (Beschl. v. 24.3.2025, Az. AnwZ (Brfg) 48/24).
Die Rechtsanwaltskammer hatte die Zulassung des Anwalts wegen Vermögensverfalls widerrufen. Gegen diesen Bescheid hatte dieser Klage beim Anwaltsgerichtshof erhoben. Am Morgen des Verhandlungstages meldete sich der Anwalt telefonisch beim Vorsitzenden und teilte mit, er könne aufgrund einer plötzlich aufgetretenen schweren Durchfallerkrankung nicht erscheinen. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass eine telefonische Entschuldigung nicht ausreiche, die Verhandlung daher in Abwesenheit des Anwalts durchgeführt werde, ihm jedoch die Möglichkeit eingeräumt werde, innerhalb einer Woche Entschuldigungsgründe nachzureichen. Innerhalb dieser Frist reichte der Anwalt eine „AU“ ein, die seine Arbeitsunfähigkeit für den Verhandlungstag attestierte. Als Diagnose war nur der ICD-10-Code "K59.1" angegeben. In einem Begleitschreiben bat der Anwalt um einen Hinweis, sollte der vorgelegte Nachweis nicht ausreichen. Der Anwaltsgerichtshof lehnte eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab und wies die Klage ab. Der Anwalt beantragte daraufhin die Zulassung der Berufung beim BGH.
BGH: Verhandlungsunfähigkeit muss genau begründet werden
Der BGH sah jedoch keinen Zulassungsgrund. Der Anwaltsgerichtshof habe weder durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Anwalts noch durch die Ablehnung der Wiedereröffnung den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
Zwar könne die Ablehnung eines Verlegungsantrags den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn die Terminverlegung aus „erheblichen Gründen“ geboten sei. Ein solcher erheblicher Grund könne auch in der unerwarteten Erkrankung eines sich selbst vertretenden Beteiligten liegen, die durch entsprechende ärztliche Bescheinigung nachgewiesen ist. Allerdings müsse die Erkrankung so schwer sein, dass sie die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten begründet.
Ein kurzfristig gestellter Verlegungsantrag, der mit einer plötzlichen Erkrankung begründet wird, könne nur dann erfolgreich sein, wenn die Gründe für die Verhinderung so angegeben und untermauert werden, dass das Gericht die Verhandlungsfähigkeit selbst beurteilen kann. Ein vorgelegtes ärztliches Attest müsse daher die Verhandlungsunfähigkeit „substantiiert, eindeutig und nachvollziehbar“ beschreiben. Es müsse sich zu Art und Schwere der Erkrankung äußern, um dem Gericht die Beurteilung der Reise- und Verhandlungsfähigkeit des Beteiligten zu ermöglichen. Betreffe das Verfahren einen Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls, seien wegen der durch den Vermögensverfall indizierten Gefährdung der Interessen von Mandanten strenge Anforderungen an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung zu stellen.
Arzt hätte genauere Angaben machen müssen
Im vorliegenden Fall hätten weder die telefonische Schilderung der Erkrankung noch die nachgereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung diesen Anforderungen genügt. "Arbeitsunfähigkeit" sei nicht ohne Weiteres mit "Verhandlungsunfähigkeit" gleichzusetzen. Die alleinige Angabe eines ICD-10-Codes ersetze nicht die erforderliche ärztliche Beschreibung der Erkrankung. Der ICD-10-Code "K59.1" stehe für "funktionelle Diarrhoe, d.h. mehr als 3 x täglich Stuhlgang ohne hierfür aufgefundene körperliche Ursache ", wie das Gericht selbst ermittelt habe. Dies lasse aber keine Rückschlüsse auf die Schwere der Erkrankung und die daraus resultierende Verhandlungsunfähigkeit zu. Hierzu hätte es genauerer Angaben des attestierenden Arztes bedurft.
Ein Hinweis des Anwaltsgerichtshofs auf die Unzulänglichkeit des Attests sei nicht erforderlich gewesen, da die Anforderungen an die Darlegung einer krankheitsbedingten Verhandlungsunfähigkeit einem Rechtsanwalt bekannt sein müssten. Zudem habe der Anwalt auch mit der Begründung seines Zulassungsantrags keine weitere ärztliche Bescheinigung eingereicht, sodass selbst bei Annahme einer Hinweispflichtverletzung die Entscheidungserheblichkeit fehle.