Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 5/2022

Roland Rechtsreport 2022: Großes Vertrauen ins Rechtssystem, aber Kritik an langen Verfahrensdauern

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das deutsche Rechtssystem ist konstant hoch. Das ergibt der Roland Rechtsreport 2022. Er lässt jedoch auch Kritik an einigen Punkten aufscheinen.

09.03.2022Newsletter

Seit 2010 führt das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG jährlich die Befragung zum Roland Rechtsreport durch. Dieser ermittelt die öffentliche Meinung zum deutschen Rechtssystem und zu ausgewählten rechtspolitischen Schwerpunktthemen. Basis sind Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung.

Kernergebnis der Ende 2021 durchgeführten Untersuchung ist, dass die Bürgerinnen und Bürger konstant hohes Vertrauen in die Gesetze und das Justizsystem, aber auch in die Polizei haben. Ein sehr großer Teil der Befragten hat jedoch den Eindruck, dass viele Verfahren zu lang dauern und dass die Gerichte insgesamt überlastet seien. Zudem halten viele die Gesetze für zu komplex und bezweifeln, dass ein normaler Bürger oder eine normale Bürgerin in der Lage ist, diese zu verstehen. Etwa ein Viertel der Befragten hat bereits als Zeuge, Klage- oder Beklagtenpartei Erfahrungen mit Gerichtsverfahren gemacht.

Deutlich erhöht hat sich der Streitwert, ab dem jemand vor Gericht ziehen würde: Er wird mit durchschnittlich rund 3.600 Euro angegeben; im Roland Rechtsreport 2015 waren es noch 1.950 Euro.

Zudem wurden die Befragten um ihre Einschätzung zur außergerichtlichen Streitbeilegung gebeten. Hier bewerten die Befragten die Erfolgschancen überwiegend positiv. Die Mehrheit ist überzeugt, dass sich mit der außergerichtlichen Streitbeilegung viele Konflikte lösen lassen, nur etwa ein Drittel ist skeptisch. Etwa die Hälfte der Befragten empfindet es als gut, dass sich rechtliche Angelegenheiten vermehrt mit digitalen Angeboten lösen lassen, z.B. bei Schadenersatzforderungen oder bei der automatisierten Vertragserstellung. Gut ein Viertel meint hingegen, dass für solche Anliegen weiterhin ausschließlich Anwältinnen und Anwälte zuständig sein sollten.

Weiterführender Link:

Hintergrund:

Der Streitwert, ab dem jemand vor Gericht ziehen würde, wird als „rationales Desinteresse“ bezeichnet. Im Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt („Legal Tech-Gesetz“) wurde zugrunde gelegt, dass das rationale Desinteresse bei 2.000 Euro liege; hierbei wurde u.a. auf die im Roland Rechtsreport 2020 angegebene Zahl (1.840 Euro) referenziert. Auf dieser Basis wurde die Anwältinnen und Anwälten grundsätzlich untersagte Vereinbarung eines Erfolgshonorars gelockert; seit dem 1.10.2021 können gem. § 4a RVG Erfolgshonorare bei Streitwerten bis 2.000 Euro vereinbart werden.

Die BRAK hatte dies kritisiert (dazu etwa Nachrichten aus Berlin 22/2020; Wessels, BRAK-Mitt. 2021, 1). Aus ihrer Sicht sind Erfolgshonorare im Vergleich zu den gesetzlichen Gebühren in vielen Fällen für Anwältinnen und Anwälte unrentabel und führen nicht zu einem Mehr an Verbraucherschutz und Zugang zum Recht.

Die Auswirkungen der Lockerung des Erfolgshonorars für die Anwaltschaft müssen aufgrund einer mit dem Gesetz beschlossenen Prüfbitte des Bundestages nach drei Jahren evaluiert werden (dazu Nachrichten aus Berlin 1/2022).

 

(Update: 10.3.2022)