Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 20/2019 v. 15.11.2019

Ruhestandsalter für polnische Richter und Staatsanwälte – EuGH

15.11.2019Newsletter

Der EuGH hat am 5. November 2019 in dem Vertragsverletzungsverfahren (C-192/18) entschieden, dass sowohl die polnischen Vorschriften über das Ruhestandsalter von Richtern und Staatsanwälten als auch eine Regelung, welche dem polnischen Justizminister die Befugnis zur Verlängerung der Amtszeit erteilt, europarechtswidrig sind.

Hintergrund der Entscheidung ist ein polnisches Gesetz vom 12. Juli 2017, welches das Ruhestandsalter für Richter und Staatsanwälte an polnischen Gerichten und Staatsanwaltschaften bei Frauen auf 60 Jahre und bei Männern auf 65 Jahre herabsetzt. Vor der Gesetzesänderung betrug das Renteneintrittsalter für beide Geschlechter 67 Jahre. Das Gesetz enthält eine weitere Regelung, durch welche der Justizminister ermächtigt wird, über eine Verlängerung der Amtszeit von Richtern und Staatsanwälten über das neue Renteneintrittsalter hinaus bis zum 70. Lebensjahr zu entscheiden.

Die Europäische Kommission sowie der Generalanwalt sahen in den Regelungen Verstöße gegen Art. 157 Abs. 2 AEUV, Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1f der Richtlinie 2006/54 sowie gegen das in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verankerte Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Der EuGH schloss sich dieser Auffassung an. Der EuGH sah in der ersten Regelung, welche bei Frauen und Männern das Ruhestandsalter geschlechtsspezifisch absenkt, eine Diskriminierung und damit einen Verstoß gegen Art. 157 Abs. 2 AEUV, Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1f der Richtlinie 2006/54. Eine Rechtfertigung nach Art. 157 Abs. 4 AEUV komme zudem nicht in Betracht, da keine der dort genannten Maßnahmen einschlägig sei. Außerdem verstoße die Regelung, nach welcher der Justizminister im eigenen Ermessen über eine Verlängerung der Dienstzeit entscheiden könne, gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, welche Teil des Rechtsstaatlichkeitsprinzips sind. Dies ergebe sich durch das Zusammenspiel dieser Regelung mit den neuen richterlichen Disziplinarmaßnahmen.

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