Presseerklärung Nr. 7/2021

Freispruch unter Vorbehalt – Paradigmenwechsel im Hau-Ruck-Verfahren zu Lasten Verfahrensbeteiligter

BRAK kritisiert übereiltes Vorpreschen bei Änderungen am Doppelbestrafungsverbot ohne Beteiligung der Verbände.

02.06.2021Presseerklärung

Zum Ende der Legislaturperiode soll ein weiteres Gesetzgebungsvorhaben realisiert werden: Nach Freispruch von einer Straftat, die von Gesetzes wegen nicht verjährt (Mord und Völkermord), soll künftig eine Wiederaufnahme zu Lasten des Freigesprochenen möglich sein, wenn nachträglich neue Beweismittel bekannt werden. Die bisher existenten Gründe zur Wiederaufnahme, die nur in Härtefällen gegeben sind, sollen damit um einen weiteren Punkt ergänzt werden.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert scharf, dass die Verbände auch bei diesem wichtigen Vorhaben erneut nicht eingebunden wurden. Weder fand eine Verbändeanhörung statt, noch wurde der Entwurf, der zu einem radikalen Paradigmenwechsel im Strafverfahren führen würde, der BRAK überhaupt zugeleitet.

Rechtsanwältin Ulrike Paul, Vizepräsidentin der BRAK, zeigt sich empört: „Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb nach aller Kritik zur unzureichenden Verbändeanhörung im Rahmen der Krisengesetzgebung nun auch bei Gesetzentwürfen ohne Corona-Bezug an den Rechtsanwendern als Experten, also der Anwaltschaft, vorbei agiert wird.“

Besonders negativ stößt der BRAK auf, welchen Weg der Entwurf genommen hat. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz soll nicht beteiligt gewesen sein. „Dieses Verfahren halte ich für keinen gangbaren Weg“, so Paul. „Die Schaffung eines neuen Wiederaufnahmegrundes führt zu einem Paradigmenwechsel im Strafrecht, der hier auch noch in einem Hau-Ruck-Verfahren durchgesetzt werden soll. Für eine sorgfältige Prüfung – und ordnungsgemäße Beteiligung der Verbände – ist bei dem anvisierten sportlichen Zeitplan in den letzten beiden Sitzungswochen schlicht kein Raum. Wenn wir schon eine klare Durchbrechung der Rechtskraft umsetzen wollen, dann muss das sorgfältig diskutiert werden. Schnellschüsse bei derart wichtigen Themen halte ich für fatal! Einen provisorischen Freispruch – und nichts anderes liegt hier auf dem Tapet – muss man unter allen rechtlichen, auch verfassungsrechtlichen, Gesichtspunkten prüfen.“

Die BRAK wird die weiteren Entwicklungen beobachten und kritisch begleiten.

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