Presseerklärung Nr. 9/2021

Große BRAO-Reform - Wichtige Forderungen der BRAK übernommen, in Teilen aber wenig überzeugend

09.06.2021Presseerklärung

Nachdem sich die Rechtspolitiker der Koalition bereits in der letzten Woche in Sachen großer BRAO-Reform geeinigt hatten, folgt nun morgen die Verabschiedung des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag. Einige Forderungen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) haben Gehör gefunden und wurden in die finale Fassung übernommen. Hinter den Erwartungen der BRAK blieb der Entwurf jedoch zurück. Dies ist umso bedauerlicher, als die BRAK mit einer Stellungnahme im Jahr 2018 konkrete Formulierungsvorschläge für eine Änderung der BRAO unterbreitet hatte.

Nicht durchsetzen konnte sich die BRAK beim Thema Sozietätsfähigkeit. Hier bleibt es beim ursprünglichen Vorschlag der Rechtspolitik, so dass künftig Rechtsanwälte ihren Beruf mit allen freien – auch nichtverkammerten – Berufen nach § 1 Abs. 2 PartGG ausüben dürfen.  Rechtsanwalt André Haug, für das Berufsrecht zuständiger Vizepräsident der BRAK, bedauert diese Entwicklung: „Das ursprüngliche Verbot der beruflichen Verbindung mit anderen als den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen war kein Selbstzweck, sondern diente dem Schutz des rechtsuchenden Bürgers. Der Schutz des Mandanten durch besondere anwaltliche Pflichten und Privilegien sollte nicht dadurch ausgehebelt werden, dass sich Dritte, die diesen Pflichten und Privilegien nicht unterliegen, mit Rechtsanwälten zusammenschließen. Die nun getroffene Regelung ist meines Erachtens nicht hinreichend durchdacht und trägt den Core Values der Anwaltschaft nicht ausreichend Rechnung“.

Das von Bundesrechtsanwaltskammer – wie auch von Wissenschaft und Praxis - mit Nachdruck kritisierte Tätigkeitsverbot beim Erhalt vertraulicher Informationen wurde dagegen erfreulicherweise gestrichen.

Auch hinsichtlich des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) konnte sich die BRAK mit allen Forderungen durchsetzen. Das Gesellschaftspostfach wird verpflichtend für alle im Gesamtverzeichnis eingetragenen Berufsausübungsgesellschaften eingerichtet. Für mehrere Standorte bzw. Zweigniederlassungen können Berufsausübungsgesellschaften fakultativ weitere Gesellschaftspostfächer erhalten. Schließlich ist vorgesehen, dass auch das Gesellschaftspostfach einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Abs. 4 ZPO und der entsprechenden Parallelvorschriften in den anderen Verfahrensordnungen darstellt. Haug begrüßt insbesondere die Tatsache, dass Gesellschaften nun mehrere Postfächer beantragen können: „Der ursprüngliche Regierungsentwurf hatte noch vorgesehen, dass jede Berufsausübungsgesellschaft exakt ein beA erhalten kann. Dieser Vorschlag war gerade für größere und überörtliche Einheiten absolut praxisfern. Deshalb hatten wir vorgeschlagen, dass für zugelassene Berufsausübungsgesellschaften mehr als ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet werden kann. Die Entscheidung des Gesetzgebers, diesem Vorschlag zu folgen, ist sachgerecht und praxisorientiert.“

Ungeachtet der nachdrücklichen und stichhaltigen Kritik der BRAK sieht das Gesetz in § 46 Abs. 6 BRAO bedauerlicherweise und aus wenig nachvollziehbaren Gründen nunmehr vor, dass ein nichtanwaltlicher Arbeitgeber, der zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen berechtigt ist, diese Rechtsdienstleistungen auch durch von ihm angestellte Syndikusrechtsanwälte erbringen kann. Klargestellt wird allerdings, dass der Syndikusrechtsanwalt in diesen Fällen darauf hinweisen muss, dass er keine anwaltliche Beratung im Sinne des § 3 BRAO erbringt und ihm zudem kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO zukommt. „Immerhin wurde eine Klarstellung eingefügt, dass die Erbringung solcher Dienstleistungen keine anwaltliche Tätigkeit ist“, meint Haug. „Für den Rechtsuchenden macht es einen grundlegenden Unterschied, ob er von mit allen beruflichen Rechten und Pflichten versehenen unabhängigen Organen der Rechtspflege und deren angestellten Rechtsanwälten beraten und vertreten wird, oder einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber, der sich eines angestellten Syndikusrechtsanwalts bedient. Gleichwohl sehe ich die neue Regelung äußerts kritisch. Denn letztlich dient sie allein den Interessen nichtanwaltlicher Arbeitgeber, von ihnen erbrachte Rechtsdienstleistungen auszuweiten und durch den Einsatz eines Syndikusrechtsanwaltes aufzuwerten. Aus meiner Sicht bestand keine Veranlassung, diese Interessen zu unterstützen. Die nun gefundene Regelung halte ich nicht für zielführend.“

BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels zeigt sich im Großen und Ganzen zufrieden mit der BRAO-Reform: „Wir konnten uns zwar nicht in allen Punkten zufriedenstellend durchsetzen, einige wichtige Forderungen wurden jedoch umgesetzt. Das zeigt einmal mehr, dass sich der Einsatz der BRAK lohnt und die Selbstverwaltung eine wichtige Funktion erfüllt. Dank ihrer über 30 hochkarätig besetzten Fachausschüsse ist die BRAK immer wieder in der Lage, Gesetzgebungsvorhaben kritisch und kompetent zu begleiten und kann den Rechtsstaat im Interesse der Anwaltschaft und aller Mandantinnen und Mandanten aktiv mitgestalten.“

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