Der Preisträger 2000: Tomi Ungerer

Im Jahr 2000 erhielt der aus dem Elsass stammende Künstler Tomi Ungerer den Karikaturpreis der deutschen Anwaltschaft.

Pressemitteilung

Laudatio Dr. Gisela Vetter-Liebenow M.A., stellv. Direktorin des Wilhelm -Busch Museums Hannover

Zur Person

1931: Jean Thomas Ungerer, genannt Tomi, wird in Straßburg am 28. November als vierter und jüngster Sohn des Ehepaares Ungerer geboren. Der Vater Théodore ist gemäß der Familientradition Uhrenmacher, er betätigt sich darüber hinaus aber auch als Künstler und Historiker. Die Mutter Alice, geborene Essler, stammt aus einer oberrheinischen Industriellenfamilie. Er starb in der Nacht vom  8. auf den 9. Februar 2019 im Alter von 87 Jahren im irischen Cork.

1935: Nach dem Tod des Vaters zieht die Familie Ungerer nach Logelbach bei Colmar.

1939/ 1945: Nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 annektieren die Deutschen das Elsass. Das Haus der Familie Ungerer wird von der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt, die gegenüberliegenden Haussmann-Werke werden in ein Gefangenenlager umgewandelt. Tomi Ungerer besucht die „Matthias Grünewald-Schule, Oberschule für Jungen“, deren Unterricht von intensiver Germanisierung und systematischer nationalsozialistischer Indoktrination geprägt ist. Während des Winters 1944/45 erlebt der Junge in der „Poche de Colmar“, der dreimonatigen Schlacht um den Colmarer Brückenkopf, die Schrecken des Krieges.

1945: Nach der Kapitulation Deutschlands wird das Elsass wieder französisch. Der Unterricht in französischer Sprache wird wiederaufgenommen. Tomi ist nun mit dem Verbot konfrontiert, in der Schule Elsässisch zu sprechen.

1946/ 1948: Als Pfadfinder unternimmt Tomi Ungerer zahlreiche Fahrten mit dem Fahrrad durch Frankreich.

1950/ 1951: In einem Schulheft beurteilt ein Lehrer den Jungen als „pervers und subversiv“. Tomi Ungerer scheitert am zweiten Teil seiner Abiturprüfung, woraufhin er sich entschließt, zum Nordkap in Lappland zu trampen.

1952: Ungerer tritt als berittener Soldat in die französischen Saharatruppen in Algerien ein, erkrankt jedoch bald schwer und wird schließlich ausgemustert.

1953: Im April Rückkehr nach Straßburg, im Oktober Eintritt in die Ecole Municipale des Arts Décoratifs.

1954: Nach dem Verlassen der Schule arbeitet Ungerer als Schaufensterdekorateur und Werbezeichner für lokale Unternehmen. Er beginnt sich für die USA zu interessieren und besucht häufig das Centre Culturel Américain. Zahlreiche Reisen führen ihn durch ganz Europa.

1956: Tomi Ungerer reist per Schiff nach New York, mit 60 Dollar in der Tasche und mit einer Mappe voller Zeichnungen und Manuskripte. Heirat mit der Amerikanerin Nancy White.

1957: Ungerers erstes Kinderbuch, „The Mellops Go Flying“, erscheint im Verlag Harper & Row und erhält den berühmten Preis des „Spring Book Festival“. Für Maschinen von Burroughs gestaltet Ungerer seine erste Werbekampagne und zeichnet zugleich für die Zeitschriften „Esquire“, „Life“, „Holiday“, „Harper‘s Magazin“, „The New York Times“, daneben arbeitet er auch für das Fernsehen. In München lernt Ungerer Daniel Keel kennen, dessen Züricher Verlag Diogenes die Mehrzahl von Ungerers Büchern publizieren wird.

1958/ 1962: Ungerer vervollständigt seine Serie der „Mellops“ und veröffentlicht eine Reihe weiterer Kinderbücher.

1962: Unter Schirmherrschaft von Willy Brandt widmet die Stadt Berlin Tomi Ungerer seine erste große Ausstellung. Ungerers erste Tochter Phoebe wird geboren.

1966: Das Buch „The Party“ erscheint, das die New Yorker Gesellschaft karikiert.

1970/ 1971: Mit seiner zweiten Frau Yvonne Wright verlässt Ungerer nach dreizehnjährigem Aufenthalt New York und lässt sich im kanadischen Neuschottland nieder.

1971/ 72: Tomi Ungerer entwirft Zeichnungen für eine Kampagne der SPD unter Willy Brandt.

1975: Ungerer entdeckt seine Heimat neu: Mit einer großen Ausstellung im Musée d‘Art Moderne seiner Geburtsstadt Straßburg dokumentiert er seine Bindung ans Elsass. Das im Diogenes Verlag veröffentlichte „Große Liederbuch“, eine Sammlung alter deutscher Volkslieder, illustriert der Künstler mit elsässischen Landschafts- und Städtebildern.

1976: Umzug mit Yvonne nach Südirland, wo die Kinder Aria (1976), Lukas (1978) und Pascal (1980) geboren werden. Seiner Geburtsstadt Straßburg vermacht Ungerer seine Sammlung mechanischer Spielsachen.

1979: Die Bücher „Babylon“ und „Politrics“ erscheinen, deren Zeichnungen die zeitgenössische Gesellschaft und Politik persiflieren. Ungerer schenkt der Stadt Straßburg über 3.000 Zeichnungen.

1981: Erste große Retrospektive im Musée des Arts Décoratifs in Paris.

1983: Ungerer erhält den Jacob-Burckhardt-Preis der Johann-W.-Goethe-Stiftung in Basel.

1984: Ungerer wird zum „Commandeur de l‘Ordre des Arts et Lettres“ ernannt.

1986: Das Buch „Schutzengel der Hölle“, in dem Ungerer zeichnerische Reportagen aus dem Hamburger Prostituiertenmilieu veröffentlicht, erscheint.

1987: Der französische Kulturminister Jack Lang beruft Tomi Ungerer zum Mitglied der Interministeriellen Deutsch-Französischen Kommission.

1988: Ungerer zeichnet Pläne für ein Denkmal zur Zweitausendjahrfeier seiner Geburtsstadt Straßburg: Mit einem „Aquädukt des Janus“ möchte Ungerer die zwiespältige, von Frankreich und Deutschland gleichermaßen geprägte Kultur der Stadt versinnbildlichen.

1989: Für die Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution entsteht eine Folge von Zeichnungen, die in dem Portfolio „Liberté, Egalité, Fraternité“ zusammengefasst werden.

1990: Ungerer gründet in Straßburg die Gesellschaft „Kulturbank“ zur Förderung des deutsch-französischen Kulturaustauschs. In Paris wird Tomi Ungerer der Orden der Ehrenlegion verliehen. Anlässlich des internationalen Tierschutzkongresses in Basel werden die Zeichnungen zum Buch „Amnesty Animal“ ausgestellt, die Ungerers Engagement für den Tierschutz bezeugen.

1991: Aus Anlass seines sechzigsten Geburtstages wird der erste Band von Ungerers Erinnerungen „A la guerre comme à la guerre“ („Im Krieg ganz wie im Krieg“) veröffentlicht. Der Stadt Straßburg überlässt Ungerer eine weitere Schenkung von über 4.500 Zeichnungen.

1992: Der Künstler wird unter den „500 World Leaders of Influence“ des Amerikanischen Biographischen Instituts aufgeführt. Er beteiligt sich an zahlreichen humanitären Hilfsaktionen, zeichnet für das Französische Rote Kreuz und engagiert sich im Kampf gegen Aids.

1993: Für seinen Einsatz für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen wird Ungerer das Bundesverdienstkreuz verliehen. In deutscher Sprache erscheint „Die Gedanken sind frei“, ein Buch über seine Jugenderfahrungen im Elsass während der deutschen Besatzungszeit.

1994: Unter dem Titel „Poster“ werden Ungerers kommerzielle Arbeiten zur Werbung publiziert. Im „Liederlichen Liederbuch“ veröffentlicht der Künstler erotische Zeichnungen.

1995: Tomi Ungerer wird der französische „Große Nationalpreis für Grafik“ verliehen.

1998: Tomi Ungerer erhält für seine Kinderbücher den „Hans-Christian-Andersen-Preis“.

1999: Das Kinderbuch „Otto. Autobiographie eines Teddybären“ erscheint im Diogenes Verlag.

2000: Tomi Ungerer wird der „Karikaturpreis der Dt. Anwaltschaft“ für das Jahr 2000 verliehen.

für 2001 geplant: Eröffnung des Tomi-Ungerer-Museums in Straßburg.

Tomi Ungerer, Preisträger 2000, "Es gibt kein Leben ohne Todesstrafe."

Tomi Ungerer, Preisträger 2000, "Es gibt kein Leben ohne Todesstrafe."

Die Karikatur von Tomi Ungerer ist leider vergriffen.