Anwaltliche Pflichten

Anwälte müssen nicht anlasslos über Insolvenzgefahr aufklären

Trägt der Mandant keine Anhaltspunkte für eine Insolvenzgefahr des Gegners vor, so muss der Anwalt ihn hierüber auch nicht aufklären.

15.07.2024Rechtsprechung

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind nicht verpflichtet, auf eine mögliche Insolvenzgefahr des Prozessgegners hinzuweisen, wenn sie hiervon keine Kenntnis haben und diese Tatsache nicht offenkundig ist. Sie haben außerdem keine Pflicht, sich beim Mandanten über eine solche Insolvenzgefahr zu erkundigen; vielmehr dürfen sie sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Mandant ihnen alle notwendigen Informationen mitgeteilt hat. Dies hat das OLG Düsseldorf in einem Hinweisbeschluss entschieden (Beschl. v. 04.06.2024, Az. 24 U 1/23).

Eine Verkäuferin hatte ihren ehemaligen Rechtsanwalt auf Schadensersatz verklagt, weil sie der Ansicht war, er habe sie beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Abfindung nicht ordnungsgemäß beraten und dadurch seine anwaltlichen Pflichten verletzt. Ende 2019 hatte sie ihn zur Unterstützung bei den Verhandlungen zu diesem Aufhebungsvertrag mandatiert. Doch die darin ausgehandelte Abfindung wurde nie gezahlt, weil die ehemalige Arbeitgeberin im März 2020 Insolvenz anmeldete – sie erhielt am Ende nur 333 statt der vereinbarten ca. 19.000 Euro.

Die ehemalige Mandantin ist der Meinung, der Anwalt hätte unaufgefordert nach Anzeichen für eine drohende Insolvenz fragen müssen. Sie habe von einigen diesbezüglichen Anhaltspunkten – u. a. Personalabbau - gewusst, diese aber als „Verkäuferin und Mutter“ nicht richtig zu deuten gewusst und ihm daher nichts davon erzählt. Nun verlangt sie von ihrem ehemaligen Anwalt die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Gehalt, das sie verdient hätte, hätte sie den Vertrag nicht geschlossen, sondern weitergearbeitet.

OLG: Anwalt muss nicht initiativ nach Anhaltspunkten für Insolvenz fragen

Bereits die Vorinstanz verneinte einen solchen Anspruch. Das OLG bestätigt diese Ansicht nun in einem Hinweisbeschluss, in dem es der Klägerin rät, die Berufung zurückzunehmen. Der Anwalt habe hier keine Pflichten verletzt. Die aus § 242 BGB resultierende anwaltliche Aufklärungspflicht beschränke sich auf Gefahren, die er erkennt, die offenkundig sind bzw. die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung eines Mandats aufdrängen. Dass dies der Fall gewesen sei, müsse der Mandant darlegen und beweisen – was die Frau hier aber nicht getan habe.  

Die Mandantin hatte ihm unstreitig kein mögliches Anzeichen für eine Insolvenz genannt. Der Anwalt sei daher nicht verpflichtet gewesen, diesbezüglich initiativ Nachforschungen anzustellen oder sie dazu zu befragen. Eine solche allgemeine Ermittlungspflicht liefe dem Berufsbild des Rechtsanwalts zuwider; von ihm würden lediglich Rechtskenntnisse erwartet, jedoch keine Kenntnisse zur wirtschaftlichen Stabilität des Gegners. Grundsätzlich dürfe sich ein Rechtsanwalt daher auf die Vollständigkeit der tatsächlichen Informationen seines Mandanten verlassen, soweit keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass Informationen fehlen. Vielmehr hätte es der Mandantin oblegen, unaufgefordert solche Informationen mitzuteilen.