BGH zu falschem Datum

Formvorschriften kein Selbstzweck: Beschwerde war zulässig

Trotz falschem Datum ist eine Beschwerde zulässig, wenn sich aus den Umständen ergibt, welcher Beschluss angegriffen werden soll, so der BGH.

18.09.2023Rechtsprechung

Auch wenn ein Anwalt versehentlich das Datum des Beschlusses über den Verfahrenswert und nicht das des Hauptsachebeschlusses nennt, kann eine Beschwerde zulässig sein. Zumindest, solange sich aus den Angaben in der Beschwerdeschrift und den sonstigen Umständen ergibt, welche Entscheidung angegriffen werden soll und das Rechtsmittelgericht das Verfahren vorbereiten kann. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Beschl. v. 02.08.2023, Az. XII ZB 432/22).

Der besagte Fehler war einem Anwalt in einer Familiensache unterlaufen. Zunächst ging auch die Prozessgegnerin in ihrem ersten Schriftsatz davon aus, dass die Hauptsacheentscheidung angegriffen werden sollte. Auch das erstinstanzliche Gericht und das Beschwerdegericht schienen zunächst keine Probleme zu sehen, das Verfahren in der nächsten Instanz wurde normal vorbereitet. Etwa sechs Wochen nach Einreichung der Beschwerdeschrift gegen die Festsetzung von Familienunterhalt stellte der Antragsgegner selbst noch einmal klar, dass er das falsche Datum genannt hatte und natürlich den Hauptsachebeschluss angreifen wollte. Mehr als ein halbes Jahr danach wies die Antragstellerin in einem weiteren Schriftsatz jedoch erneut auf das fehlerhafte Datum hin. Schließlich verwarf das Oberlandesgericht die Beschwerde tatsächlich wegen des Datumsfehlers als unzulässig. Diese könne nicht als Beschwerde gegen die Hauptsacheentscheidung ausgelegt werden.

BGH: Formvorschriften sind kein Selbstzweck

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde zum BGH hatte nun aber Erfolg. Die Auslegung der fristgerecht eingegangenen Beschwerdeschrift ergebe, dass diese sich gegen die Hauptsacheentscheidung reichte. Dabei gelte der Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht.

In der Regel müsse eine Beschwerdeschrift zwar auch das richtige Verkündungsdatum enthalten, so der BGH. Dies ergebe sich allerdings nicht aus dem Wortlaut, sondern nur aus dem Zweck entsprechender Verfahrensvorschriften, dem Beschwerdegericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten Klarheit u.a. über den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens zu verschaffen (hierzu § 64 Abs. 2 S. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), welcher an § 519 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) angelehnt ist).

Diese verfahrensrechtliche Formvorschriften seien jedoch kein Selbstzweck. Es dürften keine übermäßigen Anforderungen an Förmlichkeiten gestellt werden. Ausreichend sei, wenn aufgrund der Angaben in der Beschwerdeschrift und den sonstigen aus den Verfahrensakten erkennbaren Umständen vor Ablauf der Beschwerdefrist für das Gericht nicht zweifelhaft bleibe, welche Entscheidung angefochten wird. Das gelte umso mehr, wenn es anhand der im Übrigen richtigen und vollständigen Angaben in der Rechtsmittelschrift nicht daran gehindert sei, seine verfahrensvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen.

So habe der Fall hier gelegen: Aus den Verfahrensakten sei bereits vor Ablauf der Frist klar hervorgegangen, welche Entscheidung angefochten werden solle. Das Amtsgericht hatte in der Abgabeverfügung an das OLG bereits die Hauptsacheentscheidung benannt. Dem hatte der Anwalt, der den Fehler gemacht hatte, nicht widersprochen. Die Antragsgegnerin habe das ebenfalls gleich richtig erkannt. Das OLG vergab das korrekte Aktenzeichen „UF“ für Rechtsmittel gegen Hauptsacheentscheidungen (statt „WF“ für Kostensachen). Schließlich hatte das OLG bereits darauf hingewiesen, dass die Beschwerde zulässig sei, weil sie „den Anforderungen des § 130a Abs. 3, 1. Alt. 2 ZPO" genüge. Auch ein Termin zur mündlichen Verhandlung war bereits terminiert worden, wenn auch die Gegnerin nicht erschienen war.

Das OLG muss nun also doch in der Sache entscheiden.