Schöffen haben keinen Anspruch auf Urteilsabschrift
Schöffen werden wieder zu Privatpersonen, wenn das Strafverfahren beendet ist und können damit auch nicht die Urteilsbegründung erfahren, so das Kammergericht.
Nach Beendigung eines Strafverfahrens haben Schöffinnen und Schöffen in der Regel kein Recht, die Urteilsbegründung zu dem Verfahren zu erhalten, an dem sie selbst mitgewirkt haben. Diese Ansicht vertritt nicht nur das LG Berlin I, sondern nun auch das Kammergericht (KG). Die Begründung: Sie würden nach dem Verfahren wieder zu Privatpersonen und könnten nur unter den Voraussetzungen des § 475 StPO eine Urteilsabschrift verlangen – die aber in der Regel nicht vorlägen. Allein die Tatsache, dass nur ein anonymisiertes Urteil angefordert werde, eröffne jedenfalls noch kein berechtigtes Interesse im Sinne von § 475 StPO
(Beschl. v. 21.06.2024, Az. 3 Ws 25/24).
Ein Schöffe hatte nach Beendigung des Verfahrens durch Urteilsverkündung beantragt, dass ihm eine anonymisierte Abschrift der Urteilsbegründung zugesandt werde. Dies hatte der Vorsitzende jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass das nach § 475 StPO erforderliche „berechtigte Interesse“ nicht vorläge. Der Ex-Schöffe meinte jedoch, für ihn gelte § 475 StPO nicht, zumal er ja außerdem nur eine anonymisierte Fassung fordere. Die Vorschrift regelt die Urteilsanforderung durch Privatpersonen.
Nach Urteilsverkündung werden Schöffen zu Privatpersonen
Seine Beschwerde gegen die Versagung durch den Vorsitzenden war nun jedoch auch vor dem KG erfolglos. Die Hauptverhandlung schließe mit der Verkündung des Urteils. Damit ende auch das Schöffenamt, das nur während der Hauptverhandlung gelte. Die Versendung der schriftlichen Urteilsgründe falle hingegen in den Zeitraum, in dem ein Schöffe wieder als normale Privatperson gelte. In der Folge könnten Schöffinnen und Schöffen aus §§ 30, 77 GVG bereits ab diesem Zeitpunkt keine den Richterinnen und Richtern zustehenden Rechte mehr ableiten, mithin auch keinen Anspruch auf Überlassen einer Urteilsabschrift.
Einer Privatperson könne Aktenauskunft aber nur erteilt werden, wenn sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlege (§ 475 Abs. 1 Satz 1 StPO) und schutzwürdige Interessen des davon Betroffenen dem nicht entgegenstünden (§ 475 Abs. 1 Satz 2 StPO). Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil der Ex-Schöffe eben kein berechtigtes Interesse dargelegt habe. Dass er eine anonymisierte Urteilsabschrift gefordert habe, ändere daran nichts.
Zwar stehe im „Informationsblatt der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen“, die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sollten die Urteile, an denen sie mitgewirkt haben, auf Antrag anonymisiert zugeschickt bekommen. Für einen solchen Anspruch gebe es jedoch außerhalb von § 475 Abs. 1 StPO keinerlei Rechtsgrundlage, so das KG, und schreibt: „Das Informationsblatt suggeriert dadurch Rechte, die Schöffen objektiv nicht zustehen und ist damit geeignet, eine gedeihliche Zusammenarbeit von Berufs- und Laienrichtern unnötig zu erschweren.“